Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Wie der Sechstagekrieg die Welt verändert hat

KAS and AJC explore political and societal consequences of 1967

KAS und AJC ergründen politische und gesellschaftliche Folgen von 1967

Asset-Herausgeber

Ursachen, Verlauf sowie politische und gesellschaftliche Folgen des Sechstagekrieges hat die Konrad-Adenauer-Stiftung jetzt gemeinsam mit ihrem Partner American Jewish Commmittee und einer Vielzahl von Experten diskutiert. Bei der dreitägigen internationalen Konferenz wurden auch Möglichkeiten zu einer Wiederbelebung des stagnierenden Friedensprozesses erörtert.

/documents/252038/253255/070618_israel_10.jpg/982087ad-20bd-66ad-772b-61c4218365e0
Dr. Eran Lerman (AJC) begrüßt die Teilnehmer im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum
/documents/252038/253255/070618_israel_9.jpg/018a561d-8aad-c978-bc10-21416e9857e1
Prof. Kenneth Stein beim Eröffnungsvortrag

In eine historische Perspektive stellte Professor Kenneth Stein, ehemaliger Direktor des Carter-Centers und Gründer des Instituts für die Erforschung des Modernen Israel an der Emory University, den Krieg von 1967 in seinem Eröffnungsvortrag. Dabei präsentierte er den Krieg als ein Ereignis mit weitreichenden Konsequenzen: Der Sechstagekrieg habe das Ende des Panarabismus bedeutet und dazu geführt, dass die arabische Welt nicht mehr gegen Israel vereint gewesen sei. Fast alle arabischen Staaten hätten sich als Folge des Krieges gezwungen gesehen, die Realität des Staates Israel anzuerkennen. Und auch für das Ende des Kalten Krieges seien die Ereignisse im Nahen Osten von großer Bedeutung gewesen: Die Niederlage der Klienten der UdSSR und die Hinwendung Ägyptens zu den USA hätten langfristig gesehen einen großen Anteil am Zusammenbruch der Sowjetunion gehabt.

Als eine große Gefahr für Frieden und Verständigung nannte Professor Stein die Entstehung und wachsende Bedeutung von Narrativen über den Krieg. Anders als sachliche Geschichtsschreibung dienten Narrativen dazu, den anderen zu delegitimieren, die eigene Seite zu glorifizieren, sich selbst als Opfer zu sehen und schließlich neue Auseinandersetzungen anzustacheln. Im Gegensatz zur auf Basis von Fakten analysierenden Geschichtsschreibung seien Narrativen polemisch und verfolgten immer ein politisches Ziel. Es sei daher für eine Aussöhnung von entscheidender Bedeutung, dass Mythenbildung und falschen Geschichtsbildern entgegen getreten werde.

Am zweiten Tag der Konferenz stand zunächst die Rolle der Ideologie im Mittelpunkt. Professor Shlomo Avineri von der Hebrew University zeigte in seinem Referat unter anderem die Verschiebungen auf der politischen Landkarte Israels auf: So habe der Krieg von 1967 die Bedeutung der politischen Begriffe "rechts" und "links" in Israel grundlegend geändert.

Vor 1967 sei die Unterscheidung ähnlich wie in Europa entlang soziökonomischer Einstellungen vorgenommen worden. Seit 1967 unterschieden sich "linke" und "rechte" Parteien - auch und vor allem in der öffentlichen Diskussion - in erster Linie durch ihre Position vis à vis dem Status der besetzten Gebiete, Siedlungen und dem Friedensprozess. "Das israelische politische System, das wir heute kennen, ist eine direkte Folge des Sechstagekrieges", sagte Avineri.

Dass der Sechstagekrieg auch für die weitere politische Entwicklung in den arabischen Staaten von großer Bedeutung war, machte Dr. Martin Kramer vom Washington Institute for Near East Policy deutlich. Nach dem Trauma des Krieges von 1967 sei es nicht wie in früheren Jahren zu politischem Aufruhr in den arabischen Ländern gekommen. Die Schwere der Niederlage habe vielmehr dazu geführt, dass die Regime und ihre Bevölkerung enger zusammen gerückt seien - beide in Angst, Israel könne den militärischen Erfolg von 1967 noch einmal wiederholen. So sei es zu einer Art von ungeschriebenem Abkommen zwischen politischer Führung und Bevölkerung gekommen: Die Regime sorgen dafür, dass es nicht wieder zum Krieg mit Israel kommt und das Volk probt im Gegenzug nicht den Aufstand gegen die eigene Regierung.

/documents/252038/253255/070618_israel_8.jpg/ed7c1ed8-5405-2f21-770d-b6bd6ef8a51a
Dr. Martin Kramer, Near East Institute
/documents/252038/253255/070618_israel_7.jpg/351e0730-cb98-c8aa-80c4-1a5ec56262fe
Col (ret.)Daniel Reisner, International Legal Counsel

Laut Kramer habe der Krieg von 1967 so das Ende des Arabisch-Israelischen Konfliktes eingeläutet. Endgültig beendet worden sei der Konflikt durch den Yom-Kippur-Krieg und Ägyptens Hinwendung zu den USA 1973.

Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten wie den Aufstieg des Islamismus und die Offensiven von Hizbollah, Hamas und Al Qaida interpretierte Kramer weniger als eine Folge des Sechstagekrieges von 1967 als vielmehr als eine Konsequenz der islamischen Revolution des Jahres 1979. Der islamistische Terror könne daher nicht durch eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes, sondern nur durch die Zurückdrängung des iranischen Einflusses in der Region gestoppt werden.

Mit den Paradoxien, die sich für israelische Araber aus dem Sechstagekrieg ergeben haben, beschäftigte sich Dalia Fadila vom Al Qasemi Academic College of Education. So habe ein großer Teil der israelischen Araber ihr Dasein in Israel bis 1967 als eine Art Warteperiode betrachtet. Den Staat Israel habe man man als vorübergehendes Phänomen gesehen. Diese Einschätzung habe sich durch den Krieg grundlegend geändert. Auch habe die erstmals seit 19 Jahren durch die Eroberung von Gaza und Westbank mögliche Wiedervereinigung mit anderen Arabern Palästinas gezeigt, dass man sich teilweise in andere Richtungen entwickelt habe. Israelische Araber sahen sich gleichsam zwischen den Stühlen - weder als "richtige" Israelis, noch als "echte" Palästinenser.

/documents/252038/253255/070618_israel_6.jpg/83a8d2b7-41cf-d1d9-7482-d31689f11976
Dalia Fadila, Al Qasemi College
/documents/252038/253255/070618_israel_5.jpg/11cdb7de-3817-5115-1f42-ef1479ed9a64
Gastredner während des Abendessens: der syrische Oppositionspolitiker Farid Ghadry

Fadila warnte, dass sich spätestens seit den Zusammenstößen zwischen israelischen Arabern und israelischen Sicherheitskräften im Oktober 2000 die meisten israelischen Araber nicht mehr als Israelis sähen. Dies werde in Zukunft ein großes Problem für den Staat bedeuten. Sie forderte, dieser Herausforderung mit einer Kampagne gegen Diskriminierung entgegenzutreten.

Ein hoffnungmachendes Beispiel für israelisch-palästinensischen Dialog und Verständigung war das Panel zum Thema "Militärregierung, Menschenrechte und die Verfassungsdimension", bei der Daniel Reisner, ehemaliger Leiter der Abteilung für Internationales Recht in der israelischen Armee, und der palästinensische Friedens- und Menschenrechtsaktivist Walid Salem miteinander diskutierten. Reisner berichtete, sein Berufsalltag in den 90er-Jahren sei teilweise absurd gewesen: "Ich war für das tägliche Leben von 2,5 Millionen Palästinensern verantwortlich - aber gesehen habe ich Palästinenser fast nie." Erst der persönliche Kontakt bei Friedensverhandlungen habe ihm deutlich gemacht, welche negativen Folgen die Besatzung gehabt habe. Reisner und Salem bekannten sich beide zu einer Zweistaatenlösung als einzigen gangbaren Weg zu einem Frieden zwischen beiden Völkern.

Die Rolle der Sowjetunion im Sechstagekrieg stand am Morgen des Abschlusstages im Mittelpunkt. Dabei präsentierten zunächst Dr. Isabella Ginor und Gideon Remez ihre derzeit kontrovers diskutierten

Forschungsergebnisse: Demnach habe die Sowjetunion eine weitaus aktivere Rolle gespielt, als bisher angenommen wurde. Sie habe den Krieg bewusst mitangestiftet, mit dem Ziel, Israels Atomreaktor in Dimona zu zerstören. Dieser Absicht sei nur der schnelle Sieg Israels zuvorgekommen.

Seine persönlichen Erlebnisse schilderte eindrücklich der ehemalige sowjetische Dissident und heutige israelische Demokratie-Aktivist Natan Sharansky. Der Sechstagekrieg sei für ihn und viele Juden in der Sowjetunion ein Wendepunkt gewesen. Die Zerschlagung der arabischen Armeen durch Israel sei ihnen wie die Zerschlagung des eisernen Vorhangs vorgekommen. Auch habe sich das Klima in der Bevölkerung deutlich geändert: "Die Witze über Juden klangen plötzlich ganz anders. Erst waren wir die verweichlichten Feiglinge.

Nach dem Krieg ging es in den Witzen um die Chuzpe der Israelis, die die dummen Araber geschlagen haben."

/documents/252038/253255/070618_israel_4.jpg/174d21e1-7194-8a55-20f1-40c25d7e2202
Natan Sharansky
/documents/252038/253255/070618_israel_3.jpg/5fd0a982-2e28-0fc4-06b3-099cf70cf780
Dr. Isabella Ginor und Gideon Remez

Sharansky unterstützte die eingangs erwähnte These von Professor Kenneth Stein: Von der Niederlage der arabischen Armeen im Sechstagekrieg habe sich die Sowjetunion nie mehr erholen können. Und das auch, weil sich unterdrückte Minderheiten im Land durch das Vorbild Israels moralisch gestärkt gesehen hätten.

Das Abschlussreferat hielt die israelische Knessetabgeordnete Amira Dotan, mit der die KAS seit langer Zeit eng zusammenarbeitet. Gekonnt fügte sie die verschiedenen bei der Konferenz angesprochenen Stränge zusammen und plädierte dafür, alle verfügbaren Ressourcen in internationale Zusammenarbeit und die Suche nach Friedenslösungen in der Region zu investieren: "Wir brauchen zur Wiederbelebung des Friedensprozesses neue, frische Ideen. Nur mit neuen Impulsen können wir zum dringend benötigten Frieden finden."

/documents/252038/253255/070618_israel_2.jpg/6cb19163-45dd-340f-fb35-0407a0b8b571
Amira Dotan MK beim Schlussreferat im Beit Moses, AJC
/documents/252038/253255/070618_israel_1.jpg/bd987439-e9ba-10ca-28a4-d43f21ace9b9

Rolf Behrens

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber