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Veranstaltungsberichte

Wirtschaft im Schatten der Politik

Am 29. November 2012, dem Tag, der durch die Aufwertung der Palästinenser zum Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen (VN) zu einem historischen Datum in den israelisch-palästinensischen Beziehungen werden sollte, veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel in Zusammenarbeit mit dem Israel / Palestine Center for Research and Information (IPCRI) ein Treffen zwischen israelischen und palästinensischen Wirtschaftsexperten sowie Vertretern der internationalen Gemeinschaft in Israel und den Palästinensischen Gebieten.

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Die Ökonomen, Unternehmer und Diplomaten kamen zusammen, um über die israelisch-palästinensischen Wirtschaftsbeziehungen im Rahmen des Pariser Protokolls zu sprechen. Ziel des Treffens war es, Vorschläge auszuarbeiten, wie die israelisch-palästinensische Zusammenarbeit gefördert und die palästinensische Wirtschaft aus der Krise geführt werden kann.

Das Pariser Protokoll ist ein Anhang der Oslo-Vereinbarungen und reguliert die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation). Die sechs Hauptbereiche, die das Protokoll definiert, sind: Zoll, Steuern, Arbeitskräfte, Landwirtschaft, Industrie und Tourismus. Allerdings sind nicht alle Punkte des Abkommens vollständig implementiert, da mehrere Konflikte die Rahmenbedingungen veränderten und die Umsetzung des Abkommens beeinträchtigten.

Das Pariser Protokoll legt unter anderem fest, dass Israel und die palästinensischen Gebiete eine Art Zollunion ohne wirtschaftliche Grenzen bilden. Demnach zieht Israel, dem die alleinige Kontrolle der Außengrenzen obliegt, Einfuhrabgaben ein und überweist Steuereinnahmen für Waren, die für die palästinensischen Gebiete vorgesehen sind, an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA). Israel transferiert ferner die Mehrwertsteuer für Produkte, die in Israel verkauft werden, aber für die Palästinensischen Gebiete bestimmt sind.

Das Protokoll legt weiter fest, dass die Mehrwertsteuer in den Palästinensischen Gebieten nicht mehr als zwei Prozent unter dem israelischen Mehrwertsteuersatz liegen soll. Der Benzinpreis soll ebenfalls nicht mehr als 15 Prozent von dem Verkaufspreis in Israel abweichen. Alle Waren, die in den gemeinsamen Wirtschaftsraum eingeführt werden, müssen israelischen Importstandards entsprechen. Von ihren Bürgern zieht die Palästinensische Autonomiebehörde die Steuern selbst ein.

Zudem wurde durch das Protokoll vereinbart, dass beide Seiten sich bemühen, die Mobilität von Arbeitskräften zwischen Israel und den Palästinensischen Gebieten zu gewährleisten. Im Zuge der Terroranschläge der Zweiten Intifada wurde die Zahl der Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser in Israel jedoch stark reduziert.

In seinem Grußwort wies Michael Mertes, Direktor der KAS Israel, auf das anstehende 20. Jubiläum der Unterzeichnung der ersten Oslo-Vereinbarungen im Jahr 2013 hin. In diesem Zusammenhang mahnte er, dass kein Status quo für die Ewigkeit sei – und unter den gegebenen Umständen Stabilität nicht nachhaltig gewährleistet werden könne. Stabilität bedürfe einer vertraglichen Verankerung. Vieles deute darauf hin, dass das israelisch-palästinensische Verhältnis vor Veränderungen stehe – ob zum Positiven oder zum Negativen, müsse sich erst noch zeigen. Jedenfalls engagiere sich die KAS Israel weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung.

In der sich anschließenden Diskussion warnten die Teilnehmer des Treffens geschlossen vor den Risiken der schweren palästinensischen Wirtschaftskrise. Nicht zuletzt aufgrund des starken Rückgangs finanzieller Unterstützung durch internationale Geldgeber (teils der Weltwirtschaftskrise geschuldet) habe die Palästinensische Autonomiebehörde mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dies führe dazu, dass die PA, größter Arbeitgeber in den Palästinensischen Gebieten, ihren Angestellten nicht den vollen oder gar keinen Lohn bezahlen könne. Zudem könnten private Unternehmen, die Regierungsaufträge umsetzten, nicht oder nicht fristgerecht bezahlt werden.

Auch der private Sektor habe mit widrigen Umständen zu kämpfen. Zum einen sei dieser durch Sicherheitsmaßnahmen der israelischen Seite, zum anderen durch palästinensische Bürokratie und Korruption in seiner Entwicklung gehemmt.

Ein Teilnehmer beklagte, dass der palästinensischen Unternehmerschaft viele Informationen operativer und praktischer Natur – bspw. über Zolltarife, Import- und Exportbestimmungen – fehlten, da wichtige Dokumente nicht zur Verfügung stünden oder die Unternehmer nicht wüssten, an welche Dokumente sie sich halten sollten. Es liege an der PA in Zusammenarbeit mit den internationalen Geberländern, die Fortbildung von Unternehmern zu fördern, bürokratische Hürden innerhalb der Institutionen abzubauen und die wirtschaftliche Infrastruktur zu modernisieren. Dabei stehe jedoch die mangelnde Kontinuität innerhalb der zuständigen Ministerien im Wege. Es fehle eine kohärente nationale Politik in der PA, stattdessen verfolge jeder Minister seine eigene Agenda. Wenn ein Minister durch einen anderen abgelöst werde, bedeute das oft einen rigorosen Richtungswechsel.

Sollte die PA längerfristig nicht in der Lage sein, ihren Bediensteten Gehälter zu zahlen, drohe ein Kollaps des Systems und die Auflösung der Autonomiebehörde. In diesem Fall sei auch Israels Sicherheit massiv gefährdet, da dies ein Ende der Kooperation der Sicherheitskräfte zwischen Israel und der Palästinensischen Gebiete mit sich bringe.

Deshalb sei die Stärkung und Stabilisierung der palästinensischen Wirtschaft nicht nur im palästinensischen Interesse. Allerdings habe Israel in der Vergangenheit falsche Zeichen gesetzt. Während gegenüber der Führung des Westjordanlandes unter Mahmud Abbas in den letzten Jahren kaum Zugeständnisse gemacht worden seien, habe die radikalislamische Hamas, die regelmäßig Gewalt gegen Israel einsetze, durch die indirekten Waffenstillstandsverhandlungen nach der Operation „Säule der Verteidigung“ – und bspw. durch die daraus folgende Erweiterung des Bewegungsradius für palästinensische Fischer vor dem Gazastreifen – einen symbolischen Sieg errungen. Abbas werden zwar durch die Aufwertung der Palästinenser vor den Vereinten Nationen einen wichtigen Erfolg verzeichnen können; allerdings seien die von Israel erwogenen Strafmaßnahmen gegen den unilateralen Schritt sehr riskant. Sollte Israel seine Drohung wahrmachen, Schulden der PA bei den israelischen Elektrizitätswerken von den palästinensischen Steuerüberweisungen abzuziehen, könne dies die PA in eine noch prekärere Situation bringen.

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellten die Teilnehmer ihre Vorschläge zur Stärkung der palästinensischen Wirtschaft und der israelisch-palästinensischen Zusammenarbeit vor.

Ein palästinensischer Vertreter argumentierte, dass das Pariser Protokoll im Grunde genommen beiden Parteien zugute kommen könne. Das Problem sei jedoch dessen unvollständige Implementierung. Daher müsste dringend darüber beraten werden, wie die Regelungen des Protokolls vollständig umgesetzt werden könnten, um die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten zu fördern. Ein erster Schritt könne die Wiederbelebung des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses sein.

Ferner kam der Vorschlag auf, die Besteuerung einiger in Israel arbeitender Palästinenser durch die PA anzudenken. Viele dieser Arbeiter verdienten zu wenig, um in Israel Steuern zu zahlen, ihr Gehalt liege jedoch deutlich über dem eines Arbeiters in den palästinensischen Gebieten. Auf diesem Wege könnten sich zusätzliche Einnahmen für die PA ergeben.

Ein palästinensischer Teilnehmer bemerkte jedoch, dass es ohne politische Veränderungen und einen konsequenten Kampf gegen Korruption und Bürokratie auch keine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung geben könnte.

Eine wichtige Rolle komme der internationalen Gemeinschaft zu. Der Rückgang der internationalen Hilfsgelder und die damit unmittelbar zusammenhängende finanzielle Krise der PA zeige, wie sehr die PA von internationalen Gebern abhänge und wie wenig nachhaltig die momentane Situation sich darstelle. Dies sei besorgniserregend. Die Teilnehmer des Treffens waren sich jedoch auch einig darüber, dass eine Aufstockung der Hilfsgelder allein keine nachhaltige Wirkung erzielen könnte. Diese fielen zudem nach wie vor zu oft der Korruption zum Opfer.

Ein israelischer Vertreter schlug vor, dass sich die Geberländer verstärkt auf den Import palästinensischer Produkte konzentrieren sollten. In diesem Bereich könnte auch der palästinensischen Diaspora eine wichtige Rolle zukommen. Bisher sei Israel der wichtigste Abnehmer palästinensischer Produkte (85-90 Prozent), die EU dagegen importiere kaum palästinensische Produkte.

Zweifel wurden an der Wirkung des Boykotts von Siedlungsprodukten in der EU angemeldet. Der beabsichtigte wirtschaftliche Druck komme nicht zustande, da die Maßnahmen weder die israelische Wirtschaft noch die Siedlungsbewegung spürbar beeinflussten. Ein Großteil der Siedler arbeite in Israel, diejenigen, die in den Siedlungen tätig seien, verdienten ihr Geld meist im Bildungssektor oder im Sicherheitsbereich. Wirtschaftliche Aktivitäten in den Siedlungen trügen nur einen winzigen Bruchteil zur israelischen Wirtschaftsleistung bei, die tatsächliche Produktion dort sei minimal. Daher hätten Boykott-Maßnahmen lediglich symbolischen Wert. Hier würden politisch motivierte Argumente benutzt, um Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen. Diese politischen Berechnungen seien jedoch nicht ökonomisch fundiert und hätten keine Wirkung.

Ein internationaler Vertreter äußerte Frustration über die Stagnation des Friedensprozesses und folglich bei der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung. Während die Geberländer Milliardenbeträge an Hilfsgeldern in die PA steckten, ließen sich keinerlei Fortschritte beobachten – im Gegenteil, die Chancen zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung würden immer geringer.

Die konstruktive Stimmung während der Gespräche zeigte, dass, wenn auf der politisch-diplomatischen Ebene Stillstand herrscht, wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Möglichkeit zur Annäherung beider Seiten bietet. Zum Abschluss der Veranstaltung vereinbarten alle Teilnehmer ein Folgetreffen nach den israelischen Parlamentswahlen, in dem über die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen beraten werden soll. Die internationalen Teilnehmer wollten in ihren jeweiligen Institutionen von den erarbeiteten Vorschlägen berichten.

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