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Die Arabischen Umbrüche: Innerstaatliche Auswirkungen und Internationale Reaktionen

Am 19. Mai hielt die KAS Amman in Zusammenarbeit mit dem Lebanese Center for Policy Studies einen Round Table zum Thema "Die Arabischen Umbrüche: Innerstaatliche Auswirkungen und Internationale Reaktionen" ab. Die Podiumsteilnehmer diskutierten verschiedenste Themen, darunter die Zukunft der euro-arabischen Beziehungen, Szenarien für die zukünftige Entwicklung der arabischen Regime und internationale Wahrnehmungen des Arabischen Frühlings.

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Event: Round Table

Datum/Ort: 19. Mai 2011, Crowne Plaza Hotel, Beirut, Lebanon

Konzept: Mr. Sami Atallah, Lebanese Center for Policy Studies

Dr. Martin Beck, KAS Amman

1. Programmübersicht

Donnerstag, den 19. Mai 2011

Begrüßungsworte

Mr. Sami Atallah

Direktor

Lebanese Center for Policy Studies

Beirut – Libanon

Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter

Konrad – Adenauer – Stiftung

Amman Office

Amman – Jordanien

Grundsatzrede: Was soll und kann die Europäische Union im Kontext des arabischen Umbruchs tun?

Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter

Konrad-Adenauer-Stiftung

Amman Office

Amman – Jordanien

Round Table: Der arabische Umbruch: Innerstaatliche Auswirkungen und Internationale Reaktionen

Vorsitzender: Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter

Konrad-Adenauer-Stiftung

Amman Office

Amman – Jordanien

Moderator: Herr Sami Atallah

Direktor

The Lebanese Center for Policy Studies

Beirut – Libanon

Podiumsteilnehmer

Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter

Konrad-Adenauer-Stiftung

Amman Office

Amman – Jordanien

Herr Kevan Harris

Doktorand

Johns Hopkins University

Baltimore - Maryland

Dr. Steve Heydemann

Direktor des Stipendiatenprogramm

Special Advisor, Muslim World Initiative at the United States

Institute of Peace

Dr. Richard Khoury

Professor für Philosophie, Religion, Mythologie, and Kulturwissenschaften

Lebanese American University

Beirut – Libanon

Dr. Reinoud Leenders

Professor für Politikwissenschaft

Universität Amsterdam

Amsterdam – Niederlande

Dr. Paul Salem

Direktor

The Carnegie Middle East Center

Beirut – Libanon

Herr Michael Young

Kolumnist

The Daily Star Newspaper

Beirut – Libanon

Grundsatzrede - Dr. Martin Beck

Die neue Mittelmeer-Partnerschaft im Rahmen des Barcelona-Prozesses prägte den Beginn einer aktiven EU-Außenpolitik im Nahen Osten. Der Barcelona-Prozess sollte Demokratie, Menschenrechte und verantwortungsbewusste Regierungsführung in der arabischen Welt unterstützen. Jedoch hat die Mittelmeer-Partnerschaft nur bedingte Resultate gezeigt und im Endeffekt kooperierte die EU mit autoritären Regimen, anstatt die Werte der Partnerschaft in den Vordergrund zu bringen. Die jüngsten arabischen Umbrüche bieten der Europäischen Union die Gelegenheit, mit Partnern zu kooperieren, die gleiche Werte teilen. In seiner Rede, hinterfragte Dr. Martin Beck, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman: Was kann und was sollte die Europäische Union im Hinblick auf die arabischen Umbrüche unternehmen?

Während der 50er und 60er Jahre waren Großbritannien, Frankreich und Deutschland die einflussreichsten ausländischen Mächte in der Region. Doch Frankreichs Unterstützung des israelischen Nuklearprogramms und das brutale Ende der französischen Kolonialzeit in Algerien hatte dem französischen Staat seine Legitimität in der arabischen Welt gekostet. Deutschlands koloniale Ambitionen wurden schon nach dem ersten Weltkrieg gestoppt. Um sich mit dem Westen wieder zu vereinen, leitete Deutschland aufgrund seiner Geschichte des Holocausts und amerikanischer Erwartungen eine Versöhnung mit Israel ein. Deutschlands darauffolgende konstante Unterstützung Israels erschwerte den Prozess, eine feste Position in der Region zu beziehen. Großbritannien als die ehemals größte Kolonialmacht in der Region hinterließ ein Vermächtnis, das den britischen Einfluss noch heute sehr stark einschränkt.

In den 60er und 70er Jahren übernahmen die USA die Vorherrschaft als einflussreichste ausländische Macht im Nahen Osten. Währendessen folgte Europa einer doppelten Soft-Power Strategie, um sich neu zu positionieren. Als erstes fokussierte sich die europäische Politik auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina und zweitens wurde eine Mittelmeer-Partnerschaft aufgebaut.

Dr. Martin Beck, Landesbeauftragter der KAS Amman, eröffnet die Veranstaltung.

Mit dem Fokus auf den Nahost-Konflikt erhoffte sich die EU eine Stärkung ihrer Position in der Region, und die Unterstützung des Friedensprozess zwischen Palästinensern und Israelis wurde zur Priorität. 1980 gab die Europäische Gemeinschaft die Erklärung von Venedig ab. Dort sprach sie sich für die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser aus und forderte die PLO auf, sich an den Friedensverhandlungen zu beteiligen. Die Schwachstelle Europas war jedoch, dass ihre Initiative nicht über die deklaratorische Ebene hinausging.

Der zweite Fokus, der durch den Barcelona-Prozess initiiert wurde, zielte auf eine Kooperationsbeziehung zwischen Europa und der arabischen Welt ab, die auf Werten, wie Demokratie, Frieden und Menschenrechten basieren sollte. Nach einem Jahrzehnt hat der Barcelona Prozess jedoch nur wenig Fortschritt erzielt, insbesondere weil es an einer gemeinsamen Wertebasis fehlte. Außerdem war Europa nicht in der Lage, Israel genügend unter Druck zu setzen. Die besondere Beziehung zu den Vereinigten Staaten erlaubte es Israel, europäische Forderungen ins Leere laufen zu lassen.

Der mangelnde Fortschritt der EU-Außenpolitik lässt sich durch zwei Hauptfaktoren erklären. Einerseits war Europa einfach nicht bereit, genügend Druck für einen palästinensischen Staat auszuüben. Zweitens, hat die EU den grundlegenden Gegensatz zwischen Stabilisierung und Demokratisierung nicht lösen können.

Die arabischen Umbrüche der letzten Monate haben jedoch die Tür zu einer arabisch-europäischen Zusammenarbeit geöffnet. Auch wenn die Ereignisse der letzten Monate oft mit der 1989 ausgelösten Revolutionswelle in Osteuropa verglichen werden, wird die EU auf eine vollkommen andere Art und Weise reagieren. Im Falle Osteuropas war die EU bereit, den Staaten im Demokratisierungsprozess den Anreiz der EU-Mitgliedschaft anzubieten, wenn sie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie förderten. Jedoch ist Europa nicht in der Lage, der arabischen Welt ähnliche Anreize zu setzen.

In Anbetracht der Beziehung zwischen Europa und dem Nahen Osten stellte Dr. Martin Beck eine Reihe von Fragen zur Diskussion. (1) Inwieweit muss die euro-arabische Geschichte aufgearbeitet werden? (2) Sollte Europa den Nahen Osten u. a. durch Fachwissen und praktische Kompetenzen politisch unterstützen, oder würde das als moderner Imperialismus wahrgenommen werden? (3) Sollte Europa die Eindämmung des Autoritarismus in der arabischen Welt unterstützten und wenn ja, wie? (4) Wie sollte mit Islamisten umgegangen werden? (5) Sollte Europa finanzielle Unterstützung anbieten? (6) Wie kann Europa überzeugt werden, einen palästinensischen Staat anzuerkennen? (7) Sollte Europa gemeinsame euro-amerikanische Initiativen im Nahen Osten verfolgen?

Die darauffolgende Diskussion versuchte diese Fragen zu beantworten und auch Anregungen für die EU-Außenpolitik im Nahen Osten zu geben.

Michael Young vom Daily Star trägt zur Diskussion bei.

Die Diskussionsteilnehmer hatten eine Reihe von Vorschlägen für die europäische Politik gegenüber der arabischen Welt:

1. Die EU sollte die Politik des „One size fits all“ im Nahen Osten aufgeben und sich stattdessen an die spezifische Bedürfnisse der einzelnen Staaten anpassen.

2. Die EU sollte den Demokratisierungsprozess durch die Einrichtung stabiler Institutionen unterstützen.

3. Die EU sollte ihre Einwanderungspolitik anpassen, um Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika aufnehmen zu können.

4. Die EU sollte die Golfstaaten unter Druck setzen, damit diese ihren arabischen Nachbarstaaten wirtschaftliche Hilfe leisten.

5. Die EU sollte autoritäre Regime in der arabischen Welt dazu auffordern, die von ihnen unterzeichneten Abkommen und Vereinbarungen zu respektieren.

Round Table

Das Round Table, geleitet von Herrn Sami Atallah, Direktor des Lebanese Center for Policy Studies, beschäftigte sich mit dem Arabischen Frühling und seinen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen. Die Diskussion befasste sich mit drei Hauptfragen:

•Was sind die Ursachen der Umbrüche? Wieso haben sie jetzt stattgefunden? Wie unterscheiden sie sich von bisherigen Aufständen?

•Welche Arten von Regimen werden sich entwickeln? Welche Faktoren werden den Ausgang bestimmen? Welche Szenarien kann man sich vorstellen?

•Welche Rolle wird die internationale Gemeinschaft spielen, wenn man ihre Ölinteressen, den Schutz Israels, die Bekämpfung von Terrorismus und die stockende Immigration bedenkt? Welche Reaktion sollte sie gegenüber den arabischen Umbrüchen zeigen?

Was sind die Ursachen der Umbrüche?

Um diese Frage zu beantworten, identifizierten die Diskussionsteilnehmer eine Reihe von Faktoren, die zum Ausbruch der Revolutionen in der arabischen Welt geführt haben.

Als erstes erwähnten die Teilnehmer, dass die einzelnen Voraussetzungen für Revolutionen im Nahen Osten schon lange existierten, dass es aber die Gleichzeitigkeit verschiedener Faktoren war, die die Umbrüche ausgelöst haben. Sie führten zum Scheitern des Gesellschaftsvertrages zwischen den Regierungen und ihren Gesellschaften. Die Staaten waren nicht in der Lage, die Forderungen nach Bildung und Arbeitsplätzen der immer jünger werdenden Bevölkerung zu erfüllen.

Mehrere Teilnehmer wiesen auf die psychologischen Auswirkungen des tunesischen Leitbildes hin. Tunesiens schneller und erfolgreicher Übergang zur Demokratie hat anderen arabischen Nationen die Hoffnung gegeben, einen ähnlich erfolgreichen Übergang in ihrem eigenen Land durchführen zu können. Außerdem wurde die Bedeutung von Ideen und Idealen betont. Der Wunsch nach Konzepten wie Freiheit und Demokratie hat gleichwertig mit den wirtschaftlichen und politischen Aspekten die Umbrüche verursacht.

Die Rolle der modernen Technik während der Revolutionen war sehr umstritten während der Diskussion. Einige Teilnehmer argumentierten, dass ihre Rolle viel zu sehr hochgespielt wurde, während andere behaupteten, dass moderne Technik eine sehr wichtige organisatorische Rolle spielte, die vorher von politischen Parteien, Studentenvereinigungen und Gewerkschaften übernommen worden war.

Dr. Richard Khuri von der Lebanese American University bringt eine philosophische und kulturelle Perspektive ein. Links, Dr. Paul Salem

Welche Arten von Regimes werden sich entwickeln?

Bevor sich die Teilnehmer eingehend mit den Voraussagen befassten, wiesen sie darauf hin, dass es sehr schwierig ist, die Entwicklung von Transitionsländern vorauszusagen. Mit diesem Vorbehalt diskutierten die Teilnehmer eine Reihe von möglichen Szenarien. Erstens, könnten die Transitionsländer zu einer Form von Autoritarismus zurückkehren, die durch sozialen Konservatismus, nationalistische Außenpolitik und Politiken, die wirtschaftlich und politisch illiberal sind, geprägt wäre. Zweitens, könnte es in den verbliebenen autoritären Regimen wie Algerien oder Jemen innerhalb der Elite zu Machtkämpfen kommen, aber sie würden als autoritäre Systeme fortbestehen. Drittens, könnten autoritäre Monarchien, die den Status Quo unterstützen, fortbestehen. Viertens, könnten Übergangsländer ein begrenztes Stadium von Demokratie erreichen, das auf dem politischen Islam basiert.

Innerhalb dieser Szenarien diskutierten die Teilnehmer die Zukunft islamistischer Parteien in den entstehenden Regimen. Einige Teilnehmer nahmen an, dass islamistische Parteien politisch gemäßigter werden würden, um den Forderungen der Bevölkerung zu entsprechen. Im Gegenzug meinten andere, dass islamistische Parteien, einmal im Amt, es schwer finden werden, ihre Versprechen zu halten und sich auf eine Politik der Islamisierung konzentrieren würden.

Im Folgenden wiesen einige Teilnehmer darauf hin, dass es vom Umfang der Partei abhängen würde, welche Tendenzen sich durchsetzen. Kleinere Parteien hätten die Tendenz, sich radikaler zu orientieren, um Zuspruch zu gewinnen während größere Parteien staatliche Sozialleistungen und Arbeitsplätze vorweisen müssten, um Wähler anzuziehen.

Welche Rolle wird die internationale Gemeinschaft spielen? Welche Reaktion sollte sie gegenüber den arabischen Umbrüchen zeigen?

Für die letzte Frage grenzte Herr Sami Atallah die Fragestellung auf folgende Weise ein: „Wie nehmen die externen Mächte (insbesondere die USA) die Umbrüche wahr? Innerhalb dieser Frage traten zwei Hauptthemen hervor. Das erste Thema betraf Syrien und dessen strategische Bedeutung für Iran. Wenn Syrien demokratisch werden würde, würde Iran seinen Einfluss im Libanon und in Palästina verlieren. Solch ein Vorgang würde die Machtbalance in der Region verändern. Das zweite Thema, das in der Diskussion aufkam, war die Verantwortung der externen Mächte im Nahen Osten. Die Teilnehmer betonten, dass westliche Verbündete für ihre außenpolitischen Strategien und ihr Eingreifen in der arabischen Welt verantwortlich gemacht werden müssen.

Fazit

Die Diskussion über Europas Politik im Nahen Osten hat das Verständnis über die arabischen Erwartungen an die EU bereichert. Dies hat zu wichtigen Einblicken in die zukünftigen Aufgaben der EU im Nahen Osten geführt.

Während des Round Table über die arabischen Umbrüche sind die Teilnehmer eine Reihe von Aspekten angegangen, insbesondere was die Ursachen und möglichen Auswirkungen der arabischen Umbrüche angeht. Während dieser lebhaften Diskussion nutzten die Teilnehmer ihr Fachwissen und ihre praktischen Erfahrungen, um neue Erkenntnisse zu entwickeln und auszutauschen. Aufgrund der verschiedenen vielfältigen Hintergründe der Teilnehmer erbrachte die Diskussion für alle Anwesenden neue Einblicke.

Der gemeinsame Round Table der KAS Amman und des Lebanese Center for Policy Studies erhielt ein vielfältiges Medienecho und wurde von mehreren renommierten Tageszeitungen behandelt. Eine Übersicht zur medialen Berichterstattung findet sich unter: http://www.kas.de/jordanien/en/pages/6609

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Diskussion
19. Mai 2011
Beirut, Lebanon
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