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Veranstaltungsberichte

Failed States in the Arab World? Lebanon, Iraq, Morocco and Yemen

von Lea Johanna Collet, PD Dr. Martin Beck

On the Path towards State Building in Lebanon

Veranstaltungsform: Rundgespräch Datum/Ort: 17. und 18. Februar 2010, Crown Plaza Hotel Beirut - LibanonKonzept: Herr Oussama Safa, Dr. Martin Beck Organisation: KAS Amman, Lebanese Center for Policy Studies

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1. Programm

Mittwoch 17. Februar 2010

Begrüßung

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’’Oussama Safa’’

Direktor des Lebanese Center for Policy

Studies, Libanon

‘’Dr. Martin Beck’’

Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung, Amman - Jordanien

Sitzung I: Die instabile Sicherheitslage im Irak

‘’Dr. Yasar Qatarneh’’

Dirketor des Third Way Institute, Jordanien

Jordanien

‘’Oussama Safa’’

Direktor des Lebanese Center for Policy Studies, Libanon

‘’Dr. Abderrahim El-Manar Esslimi’’

Professor der Mohammed V Universität,

Marokko

Sitzung II: Die weitverbreitete Korruption im Jemen

Dr. Adel Mugahed Al-Sharagabi

Außerordentlicher Professor, Sana’a

Universität, Jemen

‘’Dr. Khalil Gebara’’

Wirtschaftswissenschaftler, Libanon

‘’Dr. Yasar Qatarneh ‘’

Dirketor des Third Way Institute, Jordanien

Donnerstag, 18. Februar 2010

Sitzung III: Autoritarismus in Marokko

‘’Dr. Abderrahim El-Manar Esslimi’’

Professor der Mohammed V Universität,

Marokko

‘’Dr. Yehya Hakim’’

Kassenwart der Lebanese Transparency

Association, Libanon

‘’Dr. Shawket Echtay’’

Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Libanesischen

Universität, Libanon

Sitzung IV: Staatsaufbau im Libanon

‘’Dr. Shawket Echtay’’

Professor am Institut für

Sozialwissenschaften der Libanesischen

Universität, Libanon, Libanon

‘’Dr. Yehya Hakim’’

Schatzmeister der Lebanese Transparency

Association, Libanon

‘’Dr. Yasar Qatarneh’’

Dirketor des Third Way Institute, Jordanien

‘’Dr. Adel Mugahed Al-Sharagabi’’

Außerordentlicher Professor, Sana’a

Universität, Jemen

Nachbereitungsphase: Staatszerfall als eine Herausforderung für die nationale und internationale Sicherheit

‘’Dr. Carlo Masala’’

Professor für Internationale Politik an der

politikwissenschaftlichen Fakultät der

Bundeswehruniversität München

Abschließende Diskussion

‘’Zeina El-Helou’’

Stellvertretende Direktorin des Lebanese

Center for Policy Studies, Libanon

‘’Dr. Martin Beck’’

Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung, Amman – Jordanien

2. Zielsetzung

Seit der Entstehung des Konzepts der „Failed

States“ zu Beginn der 1990er gewinnt

die Thematik des Zerfalls von Staaten immer

größerer Bedeutung. Immer mehr

Länder, insbesondere im postkolonialen Afrika

und in Lateinamerika, verlieren die

Merkmale souveräner Staatlichkeit oder

weisen deutliche Defizite in Bereichen der

Sicherheit und der Wohlfahrt auf. „Failed

States“ haben das Stadium der Unfähigkeit,

nationalstaatliche Aufgaben wie Grenzschutz,

effektive Gewaltausübung und Sicherheit

der individuellen Freiheit und des

Eigentums wahrzunehmen, bereits erreicht.

Das Modell der „Failed States“ greift auch in

der Arabischen Welt und findet beispielsweise

in der zerfallenden staatlichen Ordnung

des Jemen Anwendung, um zu erklären, wie

Staaten zugrunde gehen können und welche

Auswirkungen dies hat.

Während des Rundgesprächs vom 17. und

18. Februar 2010 diskutierten hochrangige

Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und

Politik über die Erfahrungen Libanons und

anderer arabischer Staaten mit Staatszerfall

und Staatsaufbau. In den Gesprächsbeiträgen

wurden am Beispiel von vier Fallstudien

zu Libanon, Irak, Marokko und Jemen

Gründe für „state failure“, mögliche Auswirkungen

und Maßnahmen zum Staatsaufbau

erörtert. Besprochen wurden außerdem die

verschiedenen Definitionen von schwachen

(weak), zerfallenen(failed) oder kollabierenden

(collapsed) Staaten, um ein möglichst

umfassendes Bild zu den unterschiedlichen Aspekten des Konzepts der „Failed States“

zu vermitteln. Ob ein Staat nur schwach

oder bereits zerfallen ist, hängt oftmals von

geographischen, physikalischen, historischen

oder politischen Umständen ab. Während

in einem kollabierten Staat jede Form

öffentlicher und politischer Ordnung zusammengebrochen

ist, herrscht die Exekutive

in einem zerfallenden Staat weiter und

sorgt – in eingeschränktem Maße – für die

Gewährleistung der Sicherheit und zentraler

sozialer Dienste.

An dem Rundgespräch nahmen hochrangige

Experten aus Jordanien, Marokko, Jemen

und dem Libanon teil, die Arbeitspapiere zu

Staatsbildung oder „State Failure“ in den

jeweiligen Ländern präsentierten. Dr. Carlo

Masala sprach ergänzend über die Staatszerfalltheorie

aus der Perspektive der internationalen

Politik.

Herr Oussama Safa, Direktor des Lebanese

Center for Policy Studies, und Dr. Martin

Beck, Landesbeauftragter der Konrad-

Adenauer-Stiftung, eröffneten die erste von

insgesamt fünf Sitzungen der zweitägigen

Gesprächsrunde. Dr. Beck hob in seiner

einleitenden Rede zwei wichtige Merklmale

hervor, die „State Failure“ kennzeichneten.

Ein „Failed State“ verliere die legitime Ausübung

der Zwangsgewalt über das Staatsterritorium

und sei unfähig, essentielle soziale

und öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen.

Vergleichende Fallstudien seien

auf dem Gebiet des Konzepts von den „Failed

States“ besonders sinnvoll, um die Unterschiede

in Ursachen, Verläufen und Folgen

des Zerfalls der staatlichen Ordnungsmacht

und –gewalt herauszuarbeiten.

1. Sitzung

Dr. Qatarneh sprach über die Situation der

Gemeinden im Irak. Er hob dabei die Notwendigkeit

hervor, die Sicherheit und Stabilität

des Landes zur Verbesserung der Lebensbedingungen

der Iraker und der

Migranten zu fördern und betonte, dass ein

faireres Allokationssystem der Ölressourcen

im Land nötig sei. Der Irak sei bisher im

Staatsbildungsprozess gescheitert, da es

keine wirklichen nachhaltigen Strategien

gebe, um mit dem durch ethnisch-politische

Konflikte und dem durch Einfluss der Nachbarstaaten

bedingte Sicherheitsrisiken besser

umzugehen. Obschon die neue Regierung

im Irak den Bürgerinnen und Bürgern

mehr Freiheiten zugestehe, könnten diese

Freiheiten aufgrund der prekären Sicherheitsstrukturen

nicht gelebt werde. Zudem

sei das stark fragmentierte Militär nicht in

der Lage, der Gefahr einer Destabilisierung

durch transnationale terroristische Organisationen

entgegenzuwirken. Dr. Qatarneh

folgerte, dass der Kapazitätsausbau des Militärs

maßgeblich zur Stabilisierung des

Landes beitragen und interne und externe

Gefahren reduzieren könnte. Eine weitere

Möglichkeit sah er in einer friedensstiftenden

Initiative zwischen den verschiedenen

widerstreitenden ethnischen und sektiererischen

Gruppierungen, die ein gerechteres

Machtteilungssystem schaffen müsste.

Im Folgenden diskutierte Dr. Manar Esslimi

das Arbeitspapier von Herrn Dr. Qatarneh

mit den Teilnehmern der Gesprächsrunde

und kam zu dem Schluss, dass der

Irak neben den Problemen der religiösen,

ethnischen und sektiererischen Konfrontationen

innerhalb der Bevölkerung und der

Einmischung von Außen auch positive Veränderungen

wie die Verbesserung der Sicherheitssituation

aufweise. Dr. Esslimi

betonte, dass seiner Ansicht nach ein gelungene

Staatenbildung im Irak unter der

jetzigen Besatzungssituation unmöglich erscheine.

2. Sitzung

Dr. Adel Al Sharagaby stellte das Fallbeispiel

Jemen vor und wies auf die vorhandenen

Korruptionsstrukturen im Land hin.

Aus seiner Sicht handele es im Falle des

Jemen um einen „Failed State“, da die tribalen

Strukturen das Land und seine politische

Ordnung destabilisierten.

Dr. Adel Al-Sharagaby forderte die jemenitische

Regierung auf, ein besseres öffentliches

Schulsystem mit qualifizierteren

Lehrkräften zu schaffen. Dr. Khalil Gebara

hob die Bedeutung des Rentierstaatskonzepts

im Zusammenhang mit der „state failure“

Theorie hervor. Man könne über den

Zerfall der staatlichen Ordnungsmacht und

–gewalt nicht sprechen, ohne Korruptionsstrukturen

in die Diskussion mit einzubeziehen.

Korruption würde den Staat schwächen

und eine Polarisierung der Gesellschaft bedingen.

Daher könne man Korruption als

primitive Version des Rent-Seeking verstehen.

Hierbei beschränke der Staat die

Marktaktivitäten derart, dass verschiedene

Renten entstünden, um die die unterschiedlichen

ökonomischen Akteure konkurrierten.

Dieser Konkurrenzkampf könne legal durch

Lobbying oder illegal durch Schmiergeldzahlungen

ausgetragen werden.

3. Sitzung

Dr. Esslimi stellte sein Arbeitspapier zu Autoritarismus

in Marokko vor. In den letzten

zehn Jahren habe Marokko einen starken

Systemwandel durchlebt und würde in einigen

Bereichen die konservativen, überholten

Strukturen wie im Familienrecht oder in

der Meinungsfreiheit beseitigen. Dennoch

sei das eigentliche Ziel der vielen Reformmaßnahmen

der Regierung noch unklar.

Obschon sich die politische und gesellschaftliche

Situation in Marokko deutlich verbessert

habe, bestünden dennoch erhebliche

Hindernisse im „state building“. So würden

beispielsweise strukturelle Probleme die Allokation

von Ressourcen erschweren.

Dr. Hakim nahm anschließend Stellung zu

den Thesen von Dr. Esslimi, die dieser in

seinem Arbeitspapier zuvor dargelegt hatte.

Er besprach einige Fragen zu den Möglichkeiten

der Korruptionsbekämpfung, zur Parteifinanzierung,

Unabhängigkeit und Transparenz

der Judikative und zur Rolle der Zivilgesellschaft

in der nachhaltigen Entwicklung

und des Militärs in Marokko. Er ging

dann auf die Fragen der Teilnehmer nach

einer möglichen Demokratisierung der marokkanischen

Gesellschaft und des politischen

Systems ein.

4. Sitzung

Dr. Shawkat Eshtay stellte in der vierten

Sitzung der Gesprächsrunde sein Arbeitspapier

zu Staatsbildung im Libanon vor. Der

Libanon sei ein „Failed State“ angesichts der

weit verbreiteten Korruptionsstrukturen, des

instabilen Sicherheitssektors und der strukturellen

politischen Probleme. Zu Beginn

gab er einen kurzen Überblick über die geschichtliche

Entwicklung des Landes, seine

Unabhängigkeit und den Bürgerkrieg. Ein

besonders schwerwiegendes Problem, das

seit der Unabhängigkeit des Landes bestünde,

sei die konfessionell fragmentierte Gesellschaft

und Politik. Obschon die verschiedenen

widerstreitenden konfessionellen

Gruppen ein und demselben Volk angehörten,

sei der interreligiöse Dialog im Land

schwierig. Der Libanon sei ein demokratischer

Staat, dessen politisches System auf

einem religiösen Proporzsystem gründe.

Auch externe Einflüsse würden auf die Stabilität

des Landes negativ einwirken.

Dr. Hakim und Dr. Qatarneh diskutierte

im Folgenden die vorgestellten Thesen von

Dr. Eshtay. Aus dem Vortrag von Dr. Eshtay

gehe hervor, dass die Libanesen zukunftsorientierter

handeln müssten und sich

weniger von der Vergangenheit beeinflussen

lassen sollten. Dr. Qatarneh verdeutlichte,

dass die arabischen Länder zu erfolgreichem

„state building“ die Ursachen für Bedrohungen

ergründen und beheben sollten.

5. Sitzung

Dr. Carlo Masala sprach in der letzten Sitzung

des Rundgesprächs über „State Failure“

als eine Herausforderung für die nationale

und internationale Sicherheit. Angesichts

der Anschläge des 11. Septembers

2001 habe das Failed-State-Konzept an Bedeutung

gewonnen. Da „Failed States“ einen

reichen und sicheren Nährboden für

extremistische Gruppen darstellten, müsste sich die Wissenschaft intensiver mit den

Fragen nach den Ursachen, Verläufen und

Folgen des Staatszerfalls beschäftigen und

ergründen, wie solch ein Zerfallsprozess abzuwenden

sei. Anschließend ging Dr. Masala

auf die verschiedenen Möglichkeiten ein,

um Indikatoren des „State Failure“ zu messen.

Dem Failed State Index (FSI) zufolge

könnten 132 von insgesamt 194 untersuchten

Staaten als zerfallen und 96 Staaten als

auf dem Wege des Zerfalls klassifiziert werden.

Nach Ansicht Dr. Masalas seien jedoch

die Kriterien zur Erhebung des Verfallsgrades

zu weit gefasst. Denn „failed

state“ seinen dem Index zufolge sowohl solche,

die keinerlei Machtmonopol mehr besäßen,

als auch Staaten, deren Haushaltsetat

zu klein sei, um die Infrastruktur des

Landes zu bedienen. Eine derart weitgefasste

Definition des „state failure“ sei für die

Forschung problematisch. Er würde stattdessen

die Verwendung der klassischen völkerrechtlichen

Merkmale eines Staates -

Bevölkerung, Staatsgebiet und Staatgewalt

- vorschlagen. Wenn der Staat nicht mehr in

der Lage sei, Herrschaft über das Volk innerhalb

des Staatsgebiets auszuüben, so

befinde sich dieser Staat im Zerfallsprozess.

4. Fazit

Der Gesprächsrunde wohnten über 40 hochrangige

Experten, Führungskräfte aus dem

privaten und öffentlichen Sektor, Wissenschaftler

und religiöse Führer bei, die das

hohe Niveau der Veranstaltung zu schätzen

wussten und aktiv an dem Wissens- und

Meinungsaustausch teilnahmen. Während

der Sitzungen wurde ein großer Gesprächsbedarf

seitens der Experten und anderer

Teilnehmer zum Thema „Failed States“ in

der Arabische Welt deutlich.

Die Teilnehmer trugen maßgeblich zu dem

interaktiven Dialog über „State Failure“ und

Staatsbildung bei und bekundeten ihr reges

Interesse an einer Folgeveranstaltung der

KAS und LCPS. Die vielen qualifizierten Beiträge

sorgten für ein besseres Verständnis

der Staatszerfalltheorie unter den Teilnehmern.

Dank des komparativen Ansatzes

konnten die Unterschiede in Ursachen, Verläufen

und Folgen des Zerfalls der staatlichen

Ordnungsmacht und –gewalt gut herausgearbeitet

werden. Die Gegenüberstellung

der unterschiedlichen Erfahrungen mit

„State Failure“ und Staatsbildung zeigte

deutlich die verschiedenen Entwicklungen

innerhalb der einzelnen arabischen Länder

auf. Die Veranstaltung bot den Teilnehmern

eine Politikberatung auf hohem Niveau und

kann als Erfolg angesichts des regen Austausches

über verschiedene Sichtweisen der

aktuellen Entwicklungen des „State Failure“

oder Staatsaufbauprozesses im Libanon,

Jemen, Marokko und Irak gewertet werden.

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