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Veranstaltungsberichte

Frauenförderung durch Forschung

Die KAS Amman, die Women Empowerment Organization und das Institut für Frauenforschung in der arabischen Welt der Lebanese American University organisierten gemeinsam einen Round Table vom 17.-18. November 2011 in Beirut unter dem Titel “Frauenförderung durch Forschung”. Der Round Table war das dritte Treffen in einer Reihe von Veranstaltungen. Ziel war es, das Netzwerk von Wissenschaftlern und Aktivsten der Zivilgesellschaft aus dem Bereich Frauen- und Genderforschung zu intensivieren.

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Veranstaltung: Round Table

Datum/Ort: 17. – 18. November 2011

Lebanese American University

Beirut, Libanon

Organisation: Women Empowerment Organization (WEO), Institute for Women’s Studies in the Arab World (IWSAW), KAS Amman

Konzept: Dr. Martin Beck, Frau Suzan Aref

Teilnehmerliste

Dr. Nadje Al-Ali

Professorin und Leiterin der Fakultät für Gender Studien

School for Oriental and African Studies (SOAS)

University of London

London – Großbritannien

Frau Rasha Al Rashed

Projektmanagerin

Konrad-Adenauer-Stiftung Amman (KAS)

Amman – Jordanien

Frau Lina Alameddine

Direktorin

Partnership Center for Development and Democracy

Beirut – Libanon

Dr. Inaas Al-Enezy

Dozentin und Wissenschaftlerin

Politikwissenschaftliche Fakultät

University of Baghdad

Baghdad - Irak

Dr. Irada Zaydan Al-Jabbouri

Dozentin

College of Mass Communication

University of Baghdad

Baghdad – Irak

Dr. Nahla Al-Nadawi

Dozentin

College of Education for Women

University of Baghdad

Baghdad – Irak

Dr. Maha Al-Sakban

Pädiatrische Beraterin

Direktorin des Health Quality Control Office

Diwaniya Health Directorate

Alqadssiya – Irak

Frau Ghida Anani

Direktorin

ABAAD-Resource Center for Gender Equality

Beirut – Libanon

Dr Nada Ansari

Dekanin des College of Girls

University of Baghdad

Baghdad – Irak

Frau Suzan ArefDirektorin

Women Empowerment Organization

Erbil - Irak

Dr. Azza Charara Baydoun

Professorin für Sozialpsychologie

Lebanese University

Beirut – Libanon

Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter

Konrad-Adenauer-Stiftung Amman(KAS)

Amman – Jordanien

Dr. Dima Dabbous-Sensenig

Direktorin

Institute for Women’s Studies in the Arab World

Lebanese American University

Beirut – Libanon

Dr. Lahay A. Hussain Dami

Associate Professor

Fakultät für Soziologie und Akademie der Künste

University of Baghdad

Baghdad – Irak

Dr. Hanna Edward

Direktorin

Iraqi al Amal Organization

Baghdad – Irak

Dr. Leqaa Mousa Fenjan

Dozentin

College of Education for Women

University of Baghdad

Baghdad – Irak

Frau Ilham Makki HamadiAnthropologin und Gender Trainerin

Al-Amal Association

Baghdad – Irak

Dr. Sabah Sobhi Haydar

Vorsitzende der politikwissenschaftlichen Fakultät

Human Rights Center of Law and Politics - Salahadin University

Erbil – Irak

Frau Liza Nissan Hido

Direktorin

Baghdad Women Association

Baghdad – Irak

Frau Jessica Hjarrand

Projektkoordinatorin

Bereich Bildung

UNESCO Irak

Amman – Jordanien

Frau Afaf Jabiri

Aktivistin für Frauenrechte

Jordanian Women’s Union

Amman – Jordanien

Frau Boriana Jonsson

Programmdirektion

European Feminist Initiative IFE-EFI

Amman – Jordanien

Frau Carol Khater

Junior Programmkoordinatorin

The Institute for Women’s Studies in the Arab World – Lebanese American University

Beirut – Libanon

Frau Anita Nassar

Stellvertretende Direktorin

The Institute for Women’s Studies in the Arab World – Lebanese American University

Beirut – Libanon

Herr Jonatan Pfeifenberger

Praktikant

Konrad-Adenauer-Stiftung Amman (KAS)

Amman – Jordanien

Frau Ida Poschman

Programmleiterin

Women Empowerment Organization

Erbil - Irak

Frau Huda Sabir Rafiq

Projektleiterin

American Society for Kurds (ASK)

Erbil – Irak

Frau Kate Robertson

Stellvertretende Geschäftsführerin

Irak Programmleitung

Council for Assisting Refugee Academics

London – Großbritannien

Dr. Rafif Sidawi

Kulturreferentin

Arab Thought Foundation

Beirut – Libanon

Frau Caroline Slaibi

Vize-Präsidentin

The Lebanese Women Democratic Gathering

Beirut – Libanon

Einleitung

Während der Eröffnungsrunde

Anlässlich eines regionalen Rountables kamen am 17. und 18. November 2011 in Beirut annähernd 30 Vertreter/innen aus vornehmlich irakischen zivilgesellschaftlichen Organisationen (ZGO) und der irakischen Wissenschaft zusammen. Die Konferenz basierte auf zwei vorangegangenen Veranstaltungen, die im Herbst 2010 und im Sommer 2011 in Amman stattgefunden hatten. Der erste Roundtable (Dezember 2010) wurde durch den „Council for Assisting Refugee Academics“ (CARA), in Zusammenarbeit mit Professor Nadje Al-Ali (SOAS) organisiert. Ziel dieses Treffens war es, Forscher/innen und Aktivisten/innen zusammenzuführen, um den regionalen Dialog von „Women and Gender Studies“ zu fördern. Die zweite Konferenz fand am 17. und 18. Juni 2011 statt und wurde durch die KAS Amman, der irakischen „Women Empowerment Organization“ und Professor Nadje Al-Ali organisiert. Die Konferenz vernetzte Wissenschaftler/innen und ZGOs und bot so die Möglichkeit eines Erfahrungs- und Wissensaustauschs innerhalb der Region. Der aktuelle dritte Roundtable konzentrierte sich auf die Stärkung des Netzwerks und des Dialogs zwischen der Wissenschaft und den ZGOs mit dem Ziel, die Kooperation zu stärken.

Der Workshop fand an der „Lebanese American University in Beirut“ statt, in Zusammenarbeit mit dem „Institute for Women’s Studies in the Arab World“, der „Women’s Empowerment Organization“ sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung Amman/KAS Amman. Den Vorsitz der Konferenz hatte Dr. Nadje Al-Ali inne, Professorin für Gender-Studien an der „School for Oriental and African Studies“ (SOAS) der Universität London.

Weitere bedeutende Organisatoren der Veranstaltung waren Dr. Dima Dabbous-Sensenig, Direktorin des „Institute for Women´s Studies in the Arab World“ von der Lebanese American University, Frau Suzan Aref, Direktorin der „Women Empowerment Organization“ und Dr. Martin Beck, Landesbeauftragter der KAS Amman.

Dieser Bericht fasst die wichtigsten Themen, Ergebnisse und Präsentationen zusammen und zeigt abschließend die geplanten nächsten Schritte auf, ohne dabei Teilnehmer/innen direkt zu zitieren.

Hintergrund

Das Thema der Konferenz lautete „Women´s Empowerment“, die „Stärkung der Frau“, verbunden mit der Fragestellung, inwiefern die Stärkung der Frau durch wissenschaftliche Forschung und durch den Aktivismus von ZGOs erreicht werden kann. Der Audruck „Women´s Empowerment“ steht dabei für eine erhöhte soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Dies setzt eine Gesellschaft voraus, in der allen Mitgliedern in sämtlichen Lebensbereichen dieselben Möglichkeiten, Erfolge, Rechte wie auch Pflichten gewährt werden. Eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau existiert dann, wenn Männer wie Frauen in gleichem Maße Anteil an Machtvergabe und Einfluss haben, gleichberechtigten Zugang zu Bildung genießen, die Möglichkeit besitzen, ihren persönlichen Ambitionen nachzugehen und in identischem Maße durch das Gesetz geschützt sind. Die Emanzipation der Frau ist in der sozialen wie kulturellen Welt verwurzelt und ist ein entscheidender Faktor für eine zukunftsfähige Entwicklung sowie für die Verwirklichung von Menschenrechten zugunsten der gesamten Gesellschaft.

Es gibt zwei Bereiche in denen Emanzipation wirksam wird – im individuellen und im gemeinschaftlichen Bereich. Was den individuellen Bereich anbelangt, ist das Ziel, Frauen größere Unabhängigkeit zu ermöglichen und ihnen ein höheres Maß an gleichberechtigter Mitwirkung am öffentlichen Leben einzuräumen. Die gemeinschaftliche Dimension bezieht sich darauf, die Möglichkeiten einer Gruppe auszubauen, um den sozialen Wandel zu beeinflussen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen jedoch viele Hindernisse überwunden werden. Ein Hindernis ist die Art, wie die Emanzipation der Frau häufig gemessen wird. Demnach ist ein Problem der regulären Gender-Forschung die Verwendung von statistischen Messgrößen, insbesondere durch offizielle Organisationen wie der UNO, der WTO etc. Obwohl diese Statistiken von erheblicher Bedeutung sind, können sie bestimmte soziale sowie kulturelle Faktoren und Problematiken nicht abbilden. Die Mitwirkung an Gender-Studien und an der wissenschaftlichen Erforschung von Frauenrechten sollte Hintergrund- und Kontextwissen einbeziehen und nicht ausschließlich quantitative Daten und Statistiken verwenden.

Qualitative Forschung spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Da es kein singuläres oder lineares Erklärungsmodell gibt, können monokausale Erklärungen in dieser sensiblen Thematik keine zufriedenstellenden Antworten geben. Vielmehr ist ein mehrschichtiger Ansatz erforderlich, der sowohl praktische wie auch theoretische Forschung in sich vereint. Dies verlangt notwendigerweise nach einer engen Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, insbesondere Frauenorganisationen.

Die Herausforderung besteht darin, die verschiedenen Interessensgruppen zusammenzubringen. Dazu zählen Akademiker/innen, Aktivisten/innen, Nicht-Regierungsorganisationen, finanzielle Förderorganisationen, Regierungen als auch internationale Organisationen. Jede Interessensgruppe hat üblicherweise ihre eigenen Zielsetzungen, denen sie nachkommen muss, was für sich allein betrachtet bereits einen erschwerenden Faktor ausmacht. Dennoch ist nur durch die Zusammenarbeit dieser unterschiedlichen Interessensgruppen eine nachhaltige Förderung weiblicher Emanzipation möglich. Die Konferenzteilnehmer/innen stimmten darin überein, dass Männer eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen und folglich mit einbezogen werden müssen.

Die meisten Teilnehmer/innen hatten Arbeitspapiere und Präsentationen vorbereitet, um die Probleme und Defizite besser zu veranschaulichen, denen die Forscher/innen und Aktivisten/innen gegenüberstehen. Die Präsentationen konzentrierten sich mehrheitlich auf den irakischen Kontext, in welchem Frauen- und Gender-Studien bislang noch nicht als wissenschaftliche Disziplinen angesehen und oftmals mit Misstrauen betrachtet werden.

Daneben gab es drei Präsentationen von libanesischen Teilnehmerinnen, die ihre Erfahrungen bezüglich ihrer übergreifenden Forschung in Wissenschaft und Zivilgesellschaft darlegten. Diese Erfahrungen hatten sie in einem Arbeitsumfeld gemacht, in welchem Gender-Studien bereits institutionalisiert sind.

Tag 1: Die Erfahrungen von ZGOs, Aktivisten/innen und Akademikern/innen im Irak

Eine/r der Referenten legte dar, dass in der Zeit der Monarchie sowie in den ersten Jahren der Republik 1958 die irakische Zivilgesellschaft ein hohes Maß an Entwicklung und Fortschritt aufwies. Jedoch gab es eine erhebliche Rückentwicklung während des Baath-Regimes, unter dem keine unabhängigen Organisationen zugelassen waren. Ungeachtet der Schwierigkeiten sind im Irak seit der Invasion 2003 zahlreiche ZGOs und Frauenorganisationen entstanden, welche seitdem führend im Umgang mit der humanitären Krise und dem Mangel an Sozialstaatlichkeit im Irak sind. Des Weiteren setzen sie sich politisch ein und machen sich für die Rechte der Frauen stark.

Ein/e Referent/in betonte, dass die Jahre seit der Invasion 2003 das Land hochgradig destabilisiert hätten. Insbesondere Frauen seien durch die instabilen Verhältnisse schwer betroffen. Einige der drängendsten Probleme sind Armut (insbesondere bei Haushalten, die von Frauen geführt werden), Unsicherheit, geschlechtsspezifische, Gewalt, rechtliche Einschränkungen und Formen von Diskriminierung, Mangel an angemessener Gesundheitsversorgung sowie beschränkter Zugang zu Bildung und zu Erwerbsbeteiligung. Darüber hinaus erwähnten die Teilnehmer/innen eine allgemeine Tendenz hin zu einem sozialen Konservatismus, der sich negativ auf die Mobilität und Lebensqualität der Frau auswirke.

Obwohl Einzelberichte und konkrete Beweise über die verschiedenen Probleme vorliegen, vor denen Frauen stehen, gibt es keine ausreichenden Untersuchungen, um die Reichweite, die Erscheinungsformen und die Komplexität dieser unterschiedlichen Fälle angemessen beurteilen zu können.

Ein Mangel an politischem Willen in Verbindung mit der Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft behindert maßgeblich den Fortschritt in diesen Problematiken. Verbesserte quantitative wie qualitative Untersuchungsmethoden, speziell im Bereich Feldstudien, sowie ein besseres Organisationsnetzwerk wären hinsichtlich einer Verbesserung der Forschung äußerst hilfreich. Der Bedarf an hochwertiger Forschung stellt einen wichtigen Grund dar, um allgemein die Forschungskapazitäten und speziell die Gender- und Frauenstudien im höheren Bildungssystem zu fördern. Bislang ist die beschränkte Koordination sowie Kommunikation zwischen der akademischen Gemeinschaft und den ZGOs ein zusätzliches Hindernis.

Eine verbesserte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet wäre für beide Parteien nützlich, da es hilfreich für die ZGOs wäre, wenn sie sich bei ihrer Lobbyarbeit auf gute Forschungsarbeit stützen könnten. Gleichzeitig würden im Gegenzug die Forschung vom Zugang und den Einsichten der ZGO Aktivisten/innen profitieren. Die ZGOs wären außerdem imstande, Trainings anzubieten, um die Aufmerksamkeit für Frauenrechtsprobleme zu erhöhen.

Die Präsentationen der Teilnehmer/innen zeigten Möglichkeiten auf, um die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und ZGOs zu verbessern, indem man ein offenes Netzwerk zwischen Universitäten, der Zivilgesellschaft und der wissenschaftlichen Gemeinschaft aufbaut. Den Universitäten kommt dabei die Aufgabe zu, umfangreiche Bildungsarbeit über Themen wie Frauenproblematiken und -rechten, soziale Gerechtigkeit oder Demokratie zu leisten. Demnach sollen z.B. Trainingsprogramme angeboten werden, um Frauen auf eine wettbewerbsorientierte Arbeitswelt vorzubereiten.

Zusätzlich stellt die Etablierung eines Lehrplans, welcher Bildungsinhalte zu diesem Thema vorgibt, eine nützliche Methode dar, um die Gleichberechtigung zu fördern. Medienkampagnen können von Universitäten in Zusammenarbeit mit den ZGOs ins Leben gerufen werden, um die Emanzipation von Frauen weiter voranzutreiben und so die Verbindung zwischen Bildung und Öffentlichkeit zu verstärken.

Einige Referenten/innen nannten positive Beispiele von bereits bestehenden Kooperationen zwischen Akademikern/innen und Aktivisten/innen der Zivilgesellschaft und drückten ihre Motivation aus, diese Maßnahmen zu stärken und weiter auszubauen.

Fallbeispiele der Zusammenarbeit im Libanon

Am Ende des ersten Tages schilderten zwei libanesische Teilnehmerinnen aus wissenschaftlicher Sicht ihre Erfahrungen über die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und den ZGOs. In einer selbstkritischen Präsentation erläuterte der erste Beitrag ein weniger erfolgreiches Fallbeispiel b ezüglich der Kooperation zwischen Wissenschaft und ZGOs. Eine Teilschuld für diesen mangelnden Erfolg wurde der geringen Arbeitseffizienz der ZGOs zugeschrieben. Gleichzeitig wurde betont, dass es den Wissenschaftlern/innen an eindeutigen Zielvorstellungen mangele. Die Referentin führte dazu ein Beispiel über ein Projekt zur Dokumentation häuslicher Gewalt im Libanon an.

Um dieses Thema zu erforschen bedürfe es einer engen Zusammenarbeit zwischen Aktivisten/innen und Wissenschaftlern/innen. Als jedoch der zuständige Programm-Direktor die Studie ersetzen wollte, kam es zu Komplikationen. Dementsprechend waren die abschließenden Ergebnisse der Studie minimal, woraufhin die Anzahl der NGOs, die mit der Organisation zusammenarbeiten wollten, zunehmend sank. Da es nur geringe inhaltliche Kooperation zwischen den Organisationen gab, kam es zu einer Fülle an Unstimmigkeiten über die Aussagekraft der Projektergebnisse. Des Weiteren verlor der Projektrahmen an Genauigkeit, wodurch die Zielvorstellungen nicht so ermittelt werden konnten, wie sie ursprünglich geplant waren.

Die Referentin wies darauf hin, dass man trotz ausbleibenden Erfolgs bei diesem Projekt einige wichtige Erkenntnisse daraus gewinnen konnte: Zunächst sei das Teilen von Informationen wichtig, um eine klare Vorstellung über die Forschungsarbeit zu gewinnen. Zusätzlich müssen Forscher/innen ihre eigene Arbeit kritisch prüfen und in der Lage sein zu erkennen, wann sie Gefahr laufen, ihre Aufgabe aus dem Blick zu verlieren. Die Schlussfolgerung daraus war, dass Wissenschaftler/innen sich den Denkweisen der Aktivisten/innen annähern sollten und vice versa, sodass beide Gruppen die Perspektive des Anderen verstehen können.

Darüber hinaus wurde zur Kenntnis genommen, dass Forscherinnen und Aktivistinnen, trotz qualitativ gleicher Arbeit, oftmals weniger ernst genommen werden, als ihre männlichen Kollegen.

Frage & Antwort Runde

Die zweite Referentin behandelte das Thema, ob Wissenschaftler/innen Einfluss auf die Arbeit der Aktivisten/innen ausüben bzw. konstruktiv auf diese einwirken können. Sie erklärte, dass nach ihrer Erfahrung, die Qualität der NGOs und der ZGOs im Libanon nur sehr gering ist.

Obwohl deren Arbeit in den vergangenen 20 Jahren an Wichtigkeit gewonnen habe, seien die angebotenen Leistungen nach wie vor begrenzt. Der Mangel an Kommunikation zwischen der Wissenschaft und den Organisationen stellt eines der dafür ursächlichen Probleme dar. Sie erklärte, dass die Ansicht verbreitet ist, dass die Wissenschaft nicht in der Lage sei, konkrete und hilfreiche Antworten auf die Fragen zu liefern, welche von den Aktivisten/innen aufgeworfen werden.

Des Weiteren besteht der Bedarf nach Wissensaustausch, da Wissenschaftler/innen oftmals andere Arbeitsinstrumente als die Aktivisten/innen benutzen und möglicherweise eine bessere Vorstellung über die übergreifenden Themen dieses Arbeitsfeldes besitzen. Wissenschaftler/innen müssen damit zurechtkommen, dass es einen Mangel an Studenten im Bereich der Gender-Studien gibt und die Verteilung an Forschungsmitteln nur sehr gering bemessen ist. Ihre Vorstellungen sind jedoch in der Tat nicht immer vollkommen ausgereift und die Forscher/innen weisen zum Teil, im Vergleich zu den Aktivisten/innen, einen Mangel an angemessener Ausbildung auf.

Die Teilnehmer/innen stimmten überein, dass Wissenschaftler/innen ein umfangreiches Training absolvieren sollten, bevor sie zu Feldstudien entsandt werden.

Tag 2

Der zweite Konferenztag startete mit einer kurzen Zusammenfassung des vergangenen Tages durch Prof. Nadje Al-Ali. Obwohl es einige Kontroversen gab, als Probleme zwischen der Wissenschaft und den ZGOs angesprochen wurden, war es ein ertragreicher Tag mit produktivem Dialog.

Prof. Al-Ali räumte ein, dass es einige Vorurteile zwischen den beiden Lagern gibt, so zum Beispiel, dass Wissenschaftler/innen ausschließlich mit Theorien arbeiten, auf eine solide finanzielle Unterstützung zurückgreifen können und oftmals einen Anflug von Überheblichkeit mit sich bringen. Von Aktivisten/innen werde hingegen häufig angenommen, dass sie ihre Zeit lediglich auf Konferenzen verbringen würden, allein mit den finanziellen Mitteln arbeiten können, die ihnen zur Verfügung stehen und sich teilweise ebenfalls überheblich geben, insbesondere wenn ihre Organisation international bekannt ist.

Obwohl sich Wissenschaftler/innen wie Aktivisten/innen hinsichtlich ihrer Perspektiven und ihrer Zielvorstellungen unterscheiden, stehen sie beide vor ähnlichen Problemen: hierarchischen Strukturen, bestehender Korruption und im Falle des Irak einer schwierigen und schwer einschätzbaren Arbeitsumgebung. Beide sind sowohl in sozialen wie politischen Strukturen verwundbar und müssen daher lernen zu kooperieren und zusammen zu wachsen.

Empirische Fallstudien

Die erste Präsentation basierte auf einer geplanten Untersuchung über die Hussein-Rituale im Irak (hierbei handelt es sich um religiöse Rituale, die von den Schiiten während des Monats Muharram abgehalten werden, um an die Tötung von Iman Hussein zu erinnern). Ziel ist es, herauszufinden, inwiefern die Teilnahme irakischer Frauen an diesem Ritual möglicherweise emanzipatorisch wirken könnte. Durch empirische Arbeit versucht die Studie folgende Fragen zu beantworten: Wie wirkt sich die Teilnahme an den Ritualen auf Frauen aus? Wie beteiligen sich Frauen an diesem Ritual und wie regelmäßig nehmen sie daran teil? Hat dies eine soziale Bedeutung? Auf diese Fragen sollen in den nächsten Monaten, durch fortlaufende Forschung, Antworten gefunden werden. Die Teilnahme an diesem Ritual gibt Frauen die Möglichkeit, für einige Zeit gemeinsam zu leben, ohne durch ihre Ehemänner oder männlichen Verwandten beaufsichtigt zu werden. In manchen Regionen und einigen Familien ist es Frauen nicht gestattet, ohne die Begleitung eines männlichen Verwandten zu verreisen. Zudem stellt es eine Chance für Frauen dar, untereinander Verbindungen und ein Gefühl der Gemeinschaft aufzubauen.

Obwohl es einzelne Anzeichen dafür gibt, dass die Teilnahme an diesem Ritual emanzipatorisch für Frauen wirken kann, muss dies erst durch empirische Beweise konkret nachgewiesen und durch entsprechende, bereits bestehende Theorien unterstützt werden.

Eine weitere Studie widmete sich den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen für Akademikerinnen im Irak. Diese Untersuchung verfolgte einen mehrdimensionalen Ansatz, in welchem sowohl das Geschlecht als auch andere wichtige Variablen wie die Generation, die Gesellschaftsschicht, die akademische Fachausrichtung, die ethnische und religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Orientierung in Betracht gezogen wurden.

Die Untersuchung basierte auf über 90 detaillierten Interviews mit Akademikerinnen im Irak und im Ausland. Die zentralen Untersuchungsergebnisse wiesen auf eine systematische Marginalisierung von weiblichen Akademikern in den Punkten Promotion, Zugang zu Stipendien und Praktika/Trainings sowie der Teilnahme an Konferenzen und Workshops hin. Die Studie stellte des Weiteren die Schwierigkeiten der Frauen hinsichtlich ihrer doppelten Verantwortung gegenüber Familie und Beruf heraus sowie die Probleme, die durch die öffentliche Haltung gegenüber arbeitenden Frauen aufkommen.

Die Untersuchung zielte darauf ab, die Probleme der weiblichen Forscherinnen innerhalb der Universität und allgemein in der Gesellschaft zu belegen und versuchte zeitgleich, praktische Ratschläge zu erarbeiten, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Ein weiteres wichtiges Projektziel war es, qualitative Untersuchungsmethoden einzuführen, die in der Wissenschaftskultur des Irak bisher keine wichtige Rolle gespielt haben.

Forschungsarbeit und Aktivismus:

Der Workshop wurde dadurch fortgesetzt, dass weitere konkrete Beispiele genannt wurden, wie Wissenschaft und Aktivismus miteinander interagieren sollten. Kompetente wissenschaftliche Forschung könnte Aktivisten/innen dabei helfen, einfacher Erfolge zu verzeichnen, indem sie Zielvorgaben setzt oder zugrunde liegende Probleme innerhalb einer Gemeinschaft ermittelt, was für politische Entscheidungsträger/innen wichtige Hilfsmittel darstellen könnte. Sorgfältige wissenschaftliche Forschung im Bereich der Gender- und Frauen-Studien gründet sich dabei auf empirische Gegebenheiten und auf Herausforderungen, denen Frauen in einem bestimmten Zusammenhang ausgesetzt sind.

Eine angemessene Bereitstellung an Geldmitteln für die Projekte wurde als ein weiterer relevanter Punkt hinsichtlich zweckdienlicher und effizienter Forschung angesprochen. Allzu häufig würden sich die Projekte mehr um die Interessen der finanzierenden Interessensvertreter/innen drehen als um den eigentlichen Forschungsgegenstand.

Die Sitzung wurde dadurch abgeschlossen, dass die Konferenzteilnehmer/innen in vier Gruppen aufgeteilt wurden. Die Aufgabe der Gruppen war es, Themen zu erörtern, die die Stärkung von Gender-Studien betreffen sowie die Herausforderungen für die Wissenschaft und die Aktivisten/innen behandeln. Die zentralen Ergebnisse dieser Gruppenarbeit lauten wie folgt:

1. Das Bewusstsein der Jugend für die Wichtigkeit von Themen der Gender-Studien sollte erhöht werden.

2. Eine Initiative gegen geschlechtsbezogene Gewalt sollte ergriffen werden.

3. Das Bewusstsein dafür, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft und die ZGOs zunächst fast immer in ihren Prioritäten voneinander abweichen, aber letztendlich eine gemeinsame Arbeitsgrundlage finden, müsse gestärkt werden.

4. Es besteht die Notwendigkeit, Vertrauen für eine nachhaltige Zusammenarbeit aufzubauen.

5. Die Medien müssten verstärkt eingebunden werden, um die Anzahl von positiven Berichten über dieses Thema zu erhöhen.

Die Teilnehmer äußerten in Bezug auf die Präsentationen unterschiedliche Vorschläge und stellten Ideen vor, inwiefern man die Emanzipation von Frauen durch Forschung voranbringen könnte:

1. Es sollte Druck auf die Regierung ausgeübt werden, um genderbasierte Themen weiter voranzubringen.

2. Tiefgreifende Forschung und Feldforschung erlaubt es den Wissenschaftlern/innen, über Indikatoren und Zahlen hinaus zu blicken.

3. Die Ausbildung und das Training von Personen, die im Forschungsbereich der Frauen- und Gender-Studien arbeiten, ist entscheidend, um die Forschung und den Aktivismus weiter zu verbessern.

4. Die Wissenschaft sowie die ZGOs müssen sich ihrer eigenen Stärken und ihrer internen Herausforderungen bewusst werden sowie ihre Kommunikation untereinander optimieren.

5. Eine selbstkritische Auseinandersetzung trägt dazu bei, die Arbeit eines jeden zu verbessern.

6. Frauen müssten für den Fall politischer und wirtschaftlicher Krisen ausgebildet werden, damit sie ihr Potential voll ausschöpfen können. Dies gilt insbesondere für Frauen in Führungspositionen.

7. Alle Wissenschaftler/innen und Aktivisten/innen sollten zumindest ein grundlegendes Verständnis über Konzepte der Gender- und Frauenrechte besitzen.

In der abschließenden Arbeitssitzung diskutierten die Teilnehmen die Idee, ein Zentrum für Frauen-Studien im Irak einzurichten. Dieses Zentrum würde sich darauf konzentrieren, Wissenschaftler/innen und Aktivisten/innen zusammenzuführen, die sich leidenschaftlich für Frauenrechte engagieren, und ihnen einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem sie ihren entsprechenden Themenschwerpunkten nachkommen könnten. Dieses Zentrum sollte alle unabhängigen sowie (staatlich-) organisierten Einrichtungen umfassen, wie z.B. Universitäten, Regierungsministerien, NGOs als auch Personen, die das Thema unterstützen.

Jedoch gab es eine Debatte über die Frage, ob das Zentrum möglicherweise durch politische Kräfte instrumentalisiert werden könnte und ob ausreichend Kapazitäten existieren, um ein existenzfähiges und erfolgreiches Zentrum zu etablieren.

Ziele für die Zukunft:

Der zweitägige Roundtable verdeutlichte zum einen die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit und stellte zum anderen die noch bestehenden Kooperationsdefizite zwischen ZGOs und der wissenschaftlichen Gemeinschaft heraus. Es wurden einige positive Vorschläge gemacht, um den Zusammenhalt und den offenen Dialog zu erhöhen. Da die Stärkung von Frauen das gemeinsame Ziel beider Gruppen darstellt, sollte es für beide Seiten möglich sein, zusammenzuarbeiten. Auf diese Weise würde man mehr erfolgreiche Resultate erzielen, als wenn beide Gruppen unabhängig voneinander agieren.

Den Teilnehmern/innen wurde ein Diskussionsforum bereitgestellt, in welchem sie ihre Erfahrungen und ihre kritischen Beurteilungen ungehindert miteinander teilen konnten und so zu einem äußerst konstruktiven Ergebnis der Veranstaltung beitrugen. Ausgehend davon waren die Denkanstöße durch die Konferenz höchst aufschlussreich und brachten beiden Seiten nützliche

Vorschläge und Anregungen.

Eine allgemeine Übereinstimmung herrschte darüber, dass es Bedarf gebe, die wissenschaftlichen Kapazitäten im Irak zu erhöhen. Dies betreffe besonders Untersuchungsmethoden sowie den Zugang zu relevanter Literatur. Der Bedarf an einer Erhöhung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht sowohl unter Akademikern/innen als auch Aktivisten/innen der ZGOs.

Unter den Teilnehmern/innen herrschte Einigkeit darüber, dass eine gründliche Erfassung der Hauptprobleme, vor denen Frauen und Frauenorganisationen innerhalb der Gesellschaft stehen, notwendig ist. Dies sei der erste Schritt, um sozialen Wandel und Veränderung herbeizuführen. Die Konferenzteilnehmer/innen drückten ihren Willen aus, auf Grundlage der bereits geleisteten Arbeit und als Teil des entstehenden Netzwerks irakischer und lokaler Verfechter von Frauenemanzipation und Frauen- und Gender-Studien weiterzuarbeiten.

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Group photo for all the participants KAS Amman

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