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Veranstaltungsberichte

Politische Systeme und die Bedeutung von Parlamenten in den aufkommenden arabischen Demokratien

Mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings begannen die Gesellschaften des Nahen Ostens ihre Rechte und ihren Willen nach effektiver Demokratie einzufordern. In Anbetracht dieser Entwicklungen organisierte die KAS Amman gemeinsam mit dem Al-Quds Center for Political Studies vom 1.-2. Oktober 2011 einen Workshop mit regionalen sowie internationalen Experten und Akademikern, um die Rolle politischer Systeme, insbesondere der Parlamente, in den aufkommenden arabischen Demokratien zu diskutieren.

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Veranstaltung: Regionale Konferenz

Datum/Veranstaltungsort: 01.-02. Oktober 2011

Kempinski Hotel Amman

Jordanien

Organisation: Al-Quds Center for Political Studies, KAS Amman Office

Veranstaltungsübersicht:

Samstag, 01. Oktober 2011

Eröffnungssitzung:

Herr Oraib Al Rantawi

Kolumnist und Generaldirektor des

Al-Quds Center for Political Studies

Jordanien

Dr. Martin Beck

Landesbeauftragter der

Konrad Adenauer Stiftung, Amman

Jordan

Zweite Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments und der friedliche Machttransfer / Beispiele aus Ägypten

Vorsitzender: Parlamentsabgeordneter Jamal Gammoh

Dr. Hasan Naf’ah

Professor der Politikwissenschaft an der Universität Kairo, Ägypten

Dritte Sitzung: Reformen und die Rolle des Parlaments in monarchischen Systemen/ Beispiele aus Jordanien und Morokko

Vorsitzender: Parlamentsabgeordneter Salah Maharmeh

Dr. Mohammad Boulif Najib

Parlamentsmitglied der Justice and Development Party Morocco

Herr Oraib Al Rantawi

Kolumnist und Generaldirektor des

Al-Quds Center for Political Studies

Jordanien

Vierte Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments/ Der gewaltsame Machttransfer/ Beispiele aus Libyen, Jemen und dem Irak

Vorsitzender: Parlamentsabgeordneter Bassam Haddadin

Prof. Dr. Fuad Al-Salahi

Professor der Politikwissenschaft an der San’aa University

Yemen

Dr. Haidar Saeed

Direktor des Iraqi Research Center

Iraq

Herr Senussi Bsaikri

Forscher und politischer Analyst

Libyen

Fünfte Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments, Allgemeine Grund-sätze – Internationale Erfahrungen und Praxis

Vorsitzender: Prof. Ahmad Said Nufal

Dr. Jan van Laarhoven

Generaldirektor der Benelux-Union; Eduardo Frei Stichting; Christen

Demokratisch Appel (CDA) Niederlande/ Belgien

Dr. Amjad Al-Shraideh

Richter am Gerichts am Gerichtshof Nord Amman

Jordan

Sonntag 02. Oktober 2011

Sechste Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments und die Erfahrungen aus der Demokratiebewegung in Syrien

Vorsitzender: Herr Abdel Jalil Khalil

Dr. Yaseen Ghadben

Mitglied der Muslimbruderschaft;

Akademiker

Syrien

Herr Hakam Albaba

Autor; Politischer Aktivist

Syrien

Siebte Sitzung: Politische Reformen und die Rolle des Parlaments – Erfahrungen aus der Golfregion

Vositzender: Parlamentsabgeordnter Wafa Bani Mustafa

Herr Abdel Jalil Khalil

Parlamentsabgeordneter der

Al Wefaq National Islamic Society

Bahrain

Herr Najeb Al-Khonaizi

Kolumnist des Civil Human Rights Committee

Saudi Arabien

Achte Sitzung: Schlussbemerkungen

Vorwort

Mit dem Ausbruch des Arabischen Frühlings begannen die Gesellschaften des Nahen Ostens ihre Rechte und ihren Willen nach effektiver Demokratie einzufordern. Die Etablierung einer Demokratie erfordert jedoch politische Organe, insbesondere Parlamente, die sowohl in der Lage als auch willens sind, die Interessen und Forderungen der Bevölkerung zu vertreten.

Die gegenwärtigen Autokratien im Nahen Osten haben hingegen bisher die Rolle ihrer politischen Systeme durch Korruption, Unterdrückung und einer antipluralistischen Haltung massiv unterminiert. Der Arabische Frühling gewährt, neben seinen Herausforderungen, auch bedeutende politische Chancen für diese im Übergang begriffenen Systeme.

In Anbetracht dieser Entwicklungen veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung Amman (KAS Amman) in Kooperation mit dem Al-Quds Center for Political Studies vom 01.-02. Oktober 2011 eine internationale Konferenz mit dem Ziel, die Rolle der politischen Institutionen in diesen Ländern zu erörtern sowie deren Bedeutung für die Erlangung einer Demokratie und zur Vermeidung eines Rückfalls in die Autokratie zu diskutieren. Mehr als fünfzig Experten, Aka-demiker und Politiker aus zehn verschiedenen Staaten nahmen an der Veranstaltung teil.

Eröffnungsrede

Herr Oraib Al Rantawi, Leiter des Al-Quds Center for Political Studies, eröffnete die Konferenz, indem er kurz die entscheidenden Ereignisse der Proteste der vergangenen Monate in der Arabischen Welt erörterte. Er legte dar, wie die Revolution in Tunis ihren Anfang nahm und sich anschließend zu einer „Welle der Demokratisierung“ entwickelte – ein Begriff, der entscheidend durch Samuel P. Huntington geprägt wurde.

Herr Al Rantawi verwies darauf, dass der gegenwärtige Zeitpunkt die Möglichkeit biete, die Chancen und Herausforderungen zu diskutieren, denen man in diesem Transitionsprozess gegenübersteht. Er dankte allen Referenten und Teilnehmern für deren Beitrag und würdigte die KAS Amman für ihre Arbeit sowie für neun Jahre ergebnisreicher Kooperation mit dem Al Quds Center.

Dr. Martin Beck, Landesvertreter der KAS Amman, dankte allen Teilnehmern für deren Teilnahme an der Konferenz und hob das beeindruckende Engagement hervor, welches manche Referenten mit ihrer langen Reise zur Teilnahme an dieser Konferenz erbrachten. Dr. Beck betonte, dass es bisher nicht möglich ist vorherzusehen, zu welchen Ergebnissen die Proteste führen werden. Dennoch haben die Aufstände gezeigt, dass das arabische Volk den Willen und die Fähigkeit besitzt, für ihre Rechte zu kämpfen. Folglich haben sich die Vorurteile als falsch erwiesen, wonach Gesellschaften im Nahen Osten angeblich nicht in der Lage sind, demokratische Systeme einzufordern. Europa sollte in diesem Zusammenhang seine Erfahrungen im Umgang mit der Demokratie nutzen, um den Arabischen Frühling zu unterstützen. Dr. Beck ging darüber hinaus darauf ein, dass vor allem politische Merkmale von „soft power“ statt „hard power“ die Ereignisse entscheidend beeinflussen. Daher ist die Frage, welche Rolle politische Institutionen in diesem Prozess spielen können, von entscheidender Bedeutung.

Zweite Sitzung: Reformen, die Rolle von Parlamenten und der friedliche Machttransfer - Beispiele aus Ägypten

Nach der Eröffnung der zweiten Sitzung durch den Parlamentsabgeordneten Jamal Gammouh betonte Dr. Hasan Naf’ah, Professor der Politikwissenschaft an der Universität von Kairo, dass es wichtig ist, die Revolution als ein regionales Phänomen zu begreifen. Demzufolge könnten die Ereignisse in der arabischen Welt zum Teil auf die Rückkehr einer Art „Arabismus“ hindeuten. Daher sei anzunehmen, dass die Revo-lution entweder über die gesamte Region hinweg Erfolg haben wird oder sie in der Mehrzahl der Staaten fehlschlage.

In diesem Zusammenhang führte Dr. Naf’ah des Weiteren an, dass Revolutionen und der Kampf der Diktatoren um ihren Machterhalt zu einem Übergangsprozess gehören, der solange nicht abgeschlossen ist, bis eine effektive Demokratie erreicht ist. Ägypten und Tunesien haben demnach erfolgreich ihre vorherigen Herrscher zu Fall gebracht, befinden sich jedoch weiterhin in dem Prozess, ein vollwertiges demokratisches System aufzubauen. Daher ist es wichtig, die unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Umstände in den arabischen Staaten in Betracht zu ziehen, die Einfluss auf den Übergangsprozess ausüben können.

Mit Blick auf Ägypten betonte Dr. Naf’ah, dass die Entwicklungen in jeder Hinsicht eine einzigartige Revolution darstellen. Obwohl sie als Aufstand ihren Anfang nahm, der von der ägyptischen Jugend durch die Nutzung von Facebook organisiert wurde, vertrat sie die gesamte Gesellschaft; zeitweise nahmen mehr als 15 Millionen Menschen an den Demonstrationen teil. Demzufolge ist es kein Protest der Armen gegen die Wohlhabenden, geschweige denn eine islamische Bewegung, sondern eine Revolution, die den Willen der Mehrheit des ägyptischen Volkes vertritt. Jedoch stellt sich, Dr. Naf’ah zufolge, dem Aufstand das Problem einer fehlenden spezifischen Ideologie, was die Bildung einer repräsentativen Regierung erschwere. Die Abwesenheit einer politischen Führung verringere in entscheidendem Maß die Stärke der Revolution und die Fähigkeit, auf lange Sicht Erfolg zu verzeichnen. Dieses politische Vakuum führe wahrscheinlich zu Wahlen in einer instabilen Atmosphäre, was deren Ergebnis abschwäche. Darüber hinaus hindern Eigenschaften des gegenwärtigen politischen Systems, wie z.B. die Verfassung, den Übergangsprozess. Die im März 2011 verabschiedete vorläufige Verfassung der arabischen Republik Ägypten, welche die Verfassung von 1971 ablöst, müsse durch eine festgelegte Satzung ersetzt werden, da eine effektive Verfassung die Grundlage für eine nachhaltige Demokratie bildet. Insbesondere Parlamente sind auf solche verfassungsmäßigen Rahmenbedingungen angewiesen. Jedoch bestimmen manche dieser Verfassungsänderungen, dass Grundsatzartikel, die sich auf den Kern des politischen Systems Ägyptens beziehen, nicht geändert werden dürfen. Dies führe z.B. zu dem Dilemma, dass das neue Parlament dieselbe Struktur wie in der Vergangenheit aufrechterhalten muss. Als Folge daraus kann auch das Gesetz zur Wahl der Parlamentsabgeordneten nicht geändert werden. Dies bedeute, dass ein Drittel der Parlamentssitze weiterhin Einzelpersonen zugesprochen wird, was möglicherweise zur Rückkehr von früheren Mitgliedern des repressiven Regimes führen kann. Diese Faktoren stellen den Prozess der Demokratisierung vor große Herausforderungen. Trotzdem betonte Dr. Naf’ah, dass er davon überzeugt ist, dass Ägypten seinen Weg in die Demokratie findet – wenngleich es auch ein langer Prozess werden wird.

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich in erster Linie auf die Rolle der islamistischen Parteien während der Revolution. Während sich die islamistischen Bewegungen Ägyptens zu Beginn der Aufstände noch zurückhielten, begannen sie im weiteren Verlauf, die Demonstranten zu unterstützen und trugen sichtbar zum Erfolg der Proteste bei, insbesondere die Muslimbruderschaft. Darüber hinaus vollzog sich innerhalb der Muslimbruderschaft ein Wandel: so veränderte sie sich von einer Bewegung aus Be-fürwortern der Islamischen Idee zu einer Organisation von islamistischen Parteien, die aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen sind. Dennoch ist laut Dr. Naf´ah die Vorherrschaft einer islamistischen Partei oder gar die Einrichtung eines islamischen Staats in Ägypten sehr unwahrscheinlich. Folglich bleibt abzuwarten, ob sich die Muslimbruderschaft ausreichend weiterentwickelt, um in einem künftigen politischen System eine Rolle zu spielen. Ein Pluralismus von Ideen und Parteien sollte jedoch als im Interesse eines demokratischen Systems wahrgenommen werden.

Die Teilnehmer merkten an, dass Jordanien von den Erfahrungen in Ägypten profitieren kann, vor allem durch den Geist der Revolution, der sich positiv auf den von vielen Jordaniern erhofften demokratischen Wan-del auswirken kann. Sollte die Revolution daher in Ägypten Erfolg haben, so könnte sie ein positives Beispiel eines demokrati-schen Übergangsprozesses darstellen.

Dritte Sitzung: Reformen und die Rolle des Parlaments in monarchischen Systemen – Beispiele aus Jordanien und Marokko

Der Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Sitzung, Salah Maharmeh, dankte den Organisatoren der Konferenz und hieß die Referenten herzlich willkommen. In dem darauf folgenden Vortrag schilderte Dr. Mohammad Boulif Najib, Abgeordneter des marokkanischen Parlaments und Mitglied der Partei „Justice and Development“, die marokkanischen Erlebnisse während des Arabischen Frühlings seit Februar 2011. Im Unterschied zu anderen Ländern der Region galt Marokko in den vergangenen Jahrzehnten als relativ stabiler Staat. Ungeachtet der Tatsache, dass die Monarchie eine demokratische Verfassung besitzt, weise das Land jedoch in der praktischen Umsetzung schwerwiegende demokratische Defizite auf. So tendiert die Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive, während die Legislative und die Judikative nahezu über keinerlei Autorität verfügen.

Weiterer Hauptaspekt, der sich negativ auf den Prozess der Demokratisierung auswirkt, ist, Dr. Najib zufolge, der Mangel an politischem Pluralismus. Zwar besitze Marokko seit der Unabhängigkeit 1956 ein Mehrparteiensystem mit gegenwärtig 43 Parteien, doch gilt dieses System weder als aussagekräftig noch als effektiv. Dr. Najib erklärte, dass die Parteien nicht als unabhängig angesehen werden können, da sie dazu angehalten sind, diejenigen politischen Programme zu vertreten, die von Seiten des Königs und des Premierministers vorgegeben würden; letzterer wird zudem direkt durch den König ernannt.

Parlamentsabgeordneten, die den Versuch unternähmen, diese politischen Richtlinien herauszufordern, werde von der Regierung vorgeworfen, nach vom Ausland vorgegebenen Richt-linien zu handeln und die marokkanische Verfassung in Frage zu stellen.

Trotz dieser Defizite innerhalb des politi-schen Systems richtete sich lediglich eine Minderheit der marokkanischen Bevölkerung – ungefähr zwei Prozent – öffentlich gegen das Regime und versuchte es zu Fall zu bringen. Im Unterschied dazu unterstütze nach wie vor, aufgrund der religiösen und weltlichen Autorität des Königs, die Mehrheit der Marokkaner die Monarchie. Dennoch fordert auch diese Mehrheit ehrliche politi-sche Reformen, wie zum Beispiel verbesserte Lebensbedingungen, die Bekämpfung von Korruption, die Aufhebung verschiedener repressiver Strukturen sowie ein legitimes parlamentarisches System. Dr. Najib erklärte, dass ohne eine Umsetzung dieser Reformen die politische Zukunftsfähigkeit des Staates in Frage stehe.

Herr Oraib Al Rantawi, Vorsitzender des Al-Quds Center for Political Studies, beschrieb in seinem Vortrag Jordanien als ein Land, das von Staaten umgeben ist, die sich in Aufständen und Instabilität befinden. Das Haschemitische Königreich Jordanien verkörpert eine Monarchie, die ihre Legitimität zu einem großen Teil ihrem traditionellen und religiösen Erbe verdanke. Ähnlich wie im Fall von Marokko leidet auch Jordanien an einer unausgeglichenen Machtverteilung zugunsten der Seite der Monarchie. Diese Situation sei zum Nachteil der Verfassungsorgane, Regierungsministerien, politischen Parteien und der Zivilgesellschaft. Herr Al Rantawi betonte, dass die systematische Schwächung der jordanischen Verfassung in den vergangenen Jahren zugenommen habe und zu einer unausgeglichenen Situation führe, in der sowohl die Politik als auch der Demokratisierungsprozess durch die Eliten des Landes gesteuert werde. Dadurch sei der politische Pluralismus negativ beeinflusst. Während die jordanische Bevölkerung in den 1950er Jahren die Möglichkeit besaß, auf Basis von effektiven Parteien und folglich auf der Grundlage eines pluralistischen Systems zu wählen, seien Parteien heutzu-tage nahezu vollständig von der politischen Bühne verschwunden. Diesen Ausgleich wiederherzustellen bedarf sowohl Zeit als auch erheblicher politischer Reformen.

Zu Beginn des Arabischen Frühlings, als die Revolutionen von einem Staat auf den nächsten übergriffen, erhöhte sich auch in Jordanien ein einheimischer Politaktivismus. Allerdings sei dieser Aktivismus im Vergleich zu anderen Staaten der Region aufgrund der Abneigung der Mehrheit der Jordanier sich an der Politik zu beteiligen, marginal. Obwohl die jordanische Bevölkerung vor dem Arabischen Frühling kaum Kritik an der Regierung und der Monarchie geübt habe, haben die vergangenen Monate deutlichen Mut der Jordanier gezeigt. Die politische Elite des Landes befürchtete daher, dass die jordanische Bevölkerung möglicherweise die Erfahrungen aus Tunesien und Ägypten nachahme und somit den Status Quo herausfordern könnte. Als Folge daraus reagierten die staatlichen Stellen nachgiebiger auf politische Kritik, um einem Kontrollverlust vorzubeugen, was zu weiteren Protesten gegen das politische System führte.

Ferner reagierte das Regime auf die Entwicklungen mit der Einführung eines Komitees zur Verfassungsänderung sowie einem Komitee zur Förderung des nationalen Dialogs. Jedoch sollten diese Initiativen eher als die Fortsetzung eines Spiels auf Zeit angesehen werden und nicht als ernsthafte Bemühung um Wandel oder politische Reformen.

Die anschließende Diskussion zeigte ähnliche Probleme in beiden Staaten auf: Die Reformen und Gesetzesänderungen, die durch die politischen Behörden als Reaktion auf den Aktivismus implementiert wurden, würden nicht auf die eigentlichen Probleme zielen, sondern eher als ein Werkzeug der politischen Akteure dienen, um die eigentlichen Forderungen der Bevölkerung zu umgehen. Demzufolge hätten in beiden Staaten die Reformen nicht dazu geführt, den Kernbereich politischer Macht der Monarchie zu begrenzen.

Die Konferenzteilnehmer hoben ferner hervor und stimmten darüber ein, dass wahrhafte Demokratie im Grunde nicht allein durch Reformen herbeigeführt werden könnte. Das Beispiel Jordanien zeige, dass eine demokratische Verfassung allein nicht ausreiche, um Demokratie zu erlangen, vielmehr sei es notwendig, Gesetze auch in der Praxis zu implementieren. In diesem Zusammenhang ist des Weiteren erwähnt worden, dass das Wesen der Demokratie nicht nur aus einem politischen System bestehe, sondern auch aus einer Kultur, die sich entwickeln müsse. Daher sei für die Erreichung dieses Ziels eine Gesellschaft, die in den Grundsätzen der Demokratie und im Verständnis politischer Institutionen unterrichtet wurde, von entscheidender Bedeutung.

Vierte Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments und der gewaltsame Machttransfer – Beispiele aus Libyen, Jemen und dem Irak

Nachdem der Parlamentsabgeordnete Bassam Haddadin die Referenten vorgestellt hatte, erläuterte Prof. Dr. Fuad Al-Salahi, Professor für Soziologie an der Universität San’aa, die Erfahrungen des Jemen hinsichlich seines Demokratisierungsprozesses. Prof. Dr. Al-Salahi hob hervor, dass das jemenitische Volk mit den Protesten, die im Januar 2011 ihren Anfang nahmen, ihrem Wunsch nach einer Demokratisierung des politischen Systems Ausdruck verleihe. Die Forderungen seien insbesondere effektiver politischer Pluralismus, wahre Verfassungsänderungen und soziale Gerechtigkeit. Laut Prof. Dr. Al-Salahi müsse man daher verstehen, dass Demokratie eine kulturelle Ideologie darstelle, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln müsse. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte das Konzept von Demokratie Eingang in die Lehrpläne von Schulen und Universitäten finden.

Hinsichtlich des politischen Systems an sich stehe der Jemen dem Problem eines ineffizienten Parlaments gegenüber. Obwohl der Jemen über politische Parteien verfüge, werden die Wahlen auf Basis von Einzelpersonen abgehalten, nicht auf Basis von Parteilisten. Infolgedessen gibt es Prof. Dr. Al-Salahi zufolge keinen wirklichen Wettbewerb, der die Opposition in die Position einer regierenden Partei versetzen könnte. Es kommt hinzu, dass die politische Kommunikation zwischen dem Parlament und der Zivilgesellschaft optimiert werden müsse, um eine bessere Vertretung des Volkswillens zu gewährleisten. Daher müsse die jemenitische Revolution die Herausforderung einer Gesellschaft bewältigen, die auf der einen Seite effektiven politischen Pluralismus sucht und zugleich mit einem repressiven und dogmatischen Regime zusammenstößt, das sich auf tribalen Stammesstrukturen gründet. Um Erfolg zu haben, sei es daher erforderlich, dass die politischen Parteien, die Intellektuellen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um die Regierung in Richtung eines Wandels zu treiben.

Im Anschluss an den ersten Vortrag präsentierte Dr. Haider Saeed die Erfahrungen des Irak mit besonderem Augenmerk auf der Rolle politischer Systeme innerhalb fragmentierter Staaten. Dr. Saeed fügte an, dass diejenigen Länder, die am Arabischen Frühling beteiligt sind, die Möglichkeit haben, am Beispiel des Iraks zu lernen, da dieser eine achtjährige Erfahrung im Aufbau von Demokratie vorweise. Nach der Invasion des Iraks 2003 und der anschließenden Besetzung hätten die ausländischen Mächte den Irak hin zu einem politischen System unter Einbeziehung einer zentralen Position des Parlamentes gedrängt. Dieses Parla-ment sollte die wichtigsten Eigenschaften eines politischen Pluralismus umfassen, indem es die verschiedenen ethnischen und religiösen Identitäten abdeckt und deren gleichberechtigte politische Partizipation gewährleistet. Demnach sollte eine Konsens-Demokratie oder auch Konkordanzdemokratie aufgebaut werden, die die Fragmentierung des Landes repräsentiert. Dr. Saeed zufolge sei dieses Prinzip im Allgemeinen die beste Wahl für fragmentierte Staaten wie dem Irak. Allerdings habe die irakische Verfassung von 2005 wichtige Merkmale dieser Konsens-Grundordnung untergraben. Anstelle der Schaffung eines Mehrheitssystems brachte es erneut die Führung einer politischen Elite hervor, was zur Unterrepräsentation verschiedener Gruppen führte. Dies sei jedoch eine Konsequenz der politischen Isolation des Iraks gegenüber effektiven politischen Entwick-lungen gewesen, da das System nur auf der Grundlage der politischen Elite gebildet werden konnte, die bereits vor der Invasion existierte.

Der libysche Politikanalyst Herr Senussi Bsaikri widmete sich als abschließender Referent dieser Sitzung dem Fall von Libyen. Die Revolution in Libyen unterscheide sich gegenüber den Erfahrungen in Ägypten und Tunesien in drei Hauptpunkten:

Erstens, die Revolution begann als ein friedlicher Protest und entwickelte sich rasch zu einem bewaffneten Konflikt. Zweitens, es gab ein unmittelbares internationales Eingreifen durch die NATO zugunsten der Revolutionäre. Drittens, das Regime von Muammar Gaddafi dankte zwar nicht ab, doch brachen dessen staatlichen Institutionen nahezu vollständig zusammen, was zur Bildung des Nationalen Übergangsrates führte – einer Interimsregierung, die von Gaddafi-Gegnern gegründet wurde. Inzwischen würde der Erfolg durch den Sturz Gaddafis von den Herausforderungen überschattet, denen die libysche Bevölkerung angesichts des Wiederaufbaus gegenüberstehe. Das vorherrschende Problem sei das andauernde Sicherheitsvakuum. Hinzu kommt, dass Libyen über keine starken und erfahrenen zivilgesellschaftlichen Organisationen verfüge. In den 42 Jahren des Gaddafi-Regimes wurden lediglich 20 staatlich anerkannte zivilgesellschaftliche Organisationen gegründet, die alle eng mit dem Regime verbunden waren. Mit dem Machtantritt von Gaddafi 1972 wurden fortan politische Parteien verboten. Dadurch, so Herr Bsaikri, sei es für die Entwicklung eines funktionsfähigen demokratischen Systems erforderlich, dass sich die künftige Regierung gegenüber dem Dialog mit allen politischen Kräften im Land öffne. Dies sei eine notwendige Maßnahme, um sich mit Sicherheitsangelegenheiten, Fragen der politischen Repräsentation und Stammesproblemen zu beschäftigen, die durch das Gaddafi-Regime über Jahrzehnte manipuliert worden waren. Herr Bsaikri unterstrich, dass es von entscheidender Bedeutung sei, dass das libysche Volk erkenne, dass ein Ende der Revolution nicht das Ende des Übergangsprozesses bedeute. Es seien umfassende politische, soziale und wirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen, um den Demokratisierungsprozess erfolgreich zu vollenden. Nach Aussage von Herrn Bsaikri habe die Führungsriege der Revolution das entscheidende Potenzial, eine kompetente Demokratie in Libyen zu errichten.

Die anschließende Diskussion hob hervor, dass es nur einen geringen Einfluss der islamistischen Bewegung in Libyen, einschließlich der Muslimbruderschaft, gebe. In der Tat existieren extremistische Bewegun-gen im Land, insbesondere im Osten Libyens, deren Beteiligung zum Erfolg der Revolution beigetragen hat. Dennoch ist ihr Zuspruch in der Bevölkerung eher als gering einzustufen.

Hinsichtlich des Iraks stimmten die Teilnehmer mit Dr. Saeed darin überein, dass das irakische Politiksystem hochgradig mit Mängeln behaftet sei. Dennoch betonte Dr. Saeed noch einmal, dass die politischen Alternativen, so beispielweise Wahlen auf Basis unterschiedlicher Bezirke, oder einem gemischten System, möglicherweise mehr Schwierigkeiten bereiten würden, als das gegenwärtige System.

In Bezug auf den Jemen betonten die Diskussionsteilnehmer, dass es die vordringliche Aufgabe des Staates sein sollte, die unterschiedlichen politischen Parteien zu vereinigen beziehungsweise sie im Namen einer gegenseitig förderlichen Kommunikation zusammenzubringen.

Fünfte Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments und allgemeine Grundsätze – Internationale Erfahrungen und Anwendungen

Im Anschluss an die einführenden Worte durch den Vorsitzenden der Sitzung, Parlamentsabgeordneter Prof. Ahmad Said Nufal, präsentierte Dr. Jan van Laarhoven, Generalsekretär der Benelux-Union, die allgemeine Bedeutung von Parlamenten in Demokratien. Zunächst stellte er dafür die Hauptmerkmale eines Parlaments heraus: Direkt gewählte Abgeordnete, die Vertretung von deren Wählerschaft und die Existenz von politischen Parteien. Des Weiteren sollten Demokratien über eine funktionsfähige Gewaltenteilung verfügen mit einer Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative. Die Macht der drei Gewalten sollte jeweils identisches Gewicht haben. In Bezug auf Wahlen unterstrich Dr. van Laarhoven die hohe Bedeutung von freier politischer Partizipation, gleichem Wahlrecht für alle Bürger, politischen Parteien und Kandidaten, die von staatlicher Seite respektiert werden, und dem ungehinderten Zugang zu Medien und anderen Informationsquellen. Darüber hinaus kann ein Staat oder ein Parlament über verschiedenartige Parteiensysteme verfügen: Ein Ein-Parteien-System, wie z.B. das der ehemaligen Sowjetunion oder Syrien, in dem die Regierung durch lediglich eine Partei gebildet wird und es keiner weiteren Partei erlaubt ist, zur Wahl anzutreten. Das Zwei-Parteien-System, in welchem sich das Parlament aus zwei großen Parteien zusammensetzt, wobei eine Partei die Mehrheit hält. Zu den Staaten, die dieses System anwenden, gehören zum Beispiel die Vereinigten Staaten, Großbritannien oder Spanien. Das Drei-Parteien-System kommt in Frankreich und den Niederlanden zum Einsatz, während das System in Deutschland zwei bis zehn Parteien umfassen kann, was die Bildung von Koalitionen erfordert. Alle Parlamente, ungeachtet ihres Parteiensystems, sollten in zwei Kammern unterteilt sein und damit die Verantwortlichkeiten und Entscheidungsfindungen voneinander trennen.

Im Anschluss an diese Präsentation verdeutlichte Dr. Amjad Al Shraideh, Richter am Gericht von Nord-Amman, anhand des Beispiels von Jordanien die Verbindung zwischen den Parlamenten und der Demokratie. Dr. Al Shraideh hob dabei hervor, dass unter keinerlei Umständen das demokratische Leben von einem parlamentarischen System abgegrenzt sein dürfte. Er führte aus, dass Parlamente eine entscheidende Rolle in modernen Politiksystemen spielen, indem sie eine Grundlage für Demokratie schaffen und eine Notwendigkeit für politische Reformen darstellen. Die wichtigsten Aufgaben eines Parlaments sind wie folgt:

1.Die Funktion als eine gesetzgebende Institution.

2.Die Gewährleistung der Aufsicht und der Kontrolle über die Regierungsaktivitäten.

3.Management und Kontrolle der Staatsausgaben.

4.Die Bereitstellung von Dienstleistungen der Parlamentsabgeordneten an die Wählerschaft.

5.Die Verleihung politischer Legitimität an die Entscheidungen und Beschlüsse, die durch die ausführende Gewalt bestimmt wurden.

Zusätzlich bemerkte Dr. Al Shraideh, dass es eine starke Verbindung zwischen der Rolle des Parlaments und dem Kampf gegen Korruption gibt, da Parlamente ihre Funktion als Kontrollorgan als machtvolles Werkzeug einsetzen können. Jedoch sei in Jordanien die Effektivität des Parlamentes aufgrund erheblicher interner wie externer Einschränkungen begrenzt. Die internen Begrenzungen seien in erster Linie auf einen Mangel an institutioneller Arbeit zurückzuführen, folglich einem Mangel an Machteinschränkungen der Exekutive. Zweitens existiere eine Vielzahl von Interessenskonflikten und Konkurrenzkämpfen unter den Parlamentsabgeordneten. Hinzu kommt, dass Jordanien an einer schwachen Repräsentation politischer Parteien leide. Hierzu fügte Dr. Al Shraideh an, dass die Parteien selbst, die Bevölkerung und auch zum Teil die Kultur der Araber selbst in gewissem Maße dafür verantwortlich gemacht werden könnten. Die ex-ternen Beschränkungen des jordanischen Parlaments sind auf einen Mangel an finanziellen Mitteln der Parlamentsabgeordneten zurückzuführen, um ihre Funktionen wahrzunehmen, sowie auf eine Ungleichvertei-lung der Satzungen und der Pflichten eines Abgeordneten. Darüber hinaus behindere die Kontrolle oder die Dominanz der ausführenden Gewalt die parlamentarische Effektivität. Stattdessen, sollte das Parlament die Freiheit besitzen, eine eigene Agenda voranzutreiben, losgelöst von der der Exekutive. In diesem Zusammenhang unterstrich Dr. Al Shraideh den Mangel an Vertrauen, das dem Parlament von Seiten der Öffentlichkeit entgegengebracht würde, was einen negativen Einfluss auf dessen Arbeit und dessen Ruf zur Folge habe. Dieses Misstrauen sei gewiss das Ergebnis von Eigeninteressen und dem Mangel an Berechenbarkeit einiger Abgeordneter sowie einem Mangel an Transparenz, was wiederum viele Menschen von einer politischen Beteiligung abhalte. In dieser Hinsicht verdeutlichte er, dass die jordanischen Verfassungsänderungen von September 2011 ein Zeichen darstelle für das Ziel der Monarchie, ein aktives Parlament zu errichten, das in der Lage ist, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen und folglich seiner Kontrollfunktion nachzukommen, was einen positiven Effekt auf das Land haben würde. Er fügte an, dass die jordanische Verfassung einen Pluralismus hinsichtlich politischer Parteien klar anerkenne, ebenso wie das Recht der freien Meinungsäußerung. Ferner sei es, so Dr. Al Shrai deh, wichtig, dass ein derartiger Pluralismus niemals mit dem Ausschluss von bestimmten politischen Parteien in Verbindung stehen dürfe.

Im Verlauf der anschließenden Diskussion stellten die Teilnehmer klar, dass die westlichen Staaten einen Vorteil besäßen, da deren Stärke in ihren staatlichen Institutionen und deren Zivilgesellschaften liege. Im Gegensatz dazu seien die Staaten der arabischen Welt politisch schwach, weil Institutionen sich nicht vollständig ausgebildet hätten und es der Zivilgesellschaft aufgrund der Eingriffe des Staates an Stärke fehle. Obwohl solche Entwicklungen Zeit benötigen, die der Westen bereits hatte, sei es wichtig zu erkennen, dass sich die arabische Welt inzwischen in einer neuen Situation befinde: Durch den Arabischen Frühling erlangten Staaten des Nahen Ostens die Möglichkeit, sich in Richtung Demokratie zu entwickeln. Gewiss werde sich nicht direkt eine ideale Demokratie entwickeln, doch sei es für die arabischen Staaten von entscheidender Bedeutung, den Prozess der Demokratisierung voranzutreiben, um auf lange Sicht Erfolge zu verzeichnen.

Mit Blick auf Jordanien und dessen politischen System äußerten die Teilnehmer, dass das gegenwärtige Wahlrecht maßgeblicher Reformen bedarf, da es die Bildung von effektiven Parteien behindere und es nur unzureichend den Willen des Volkes wiedergebe. Darüber hinaus sollte es eine klare Trennung zwischen der Macht der Monarchie und der ausführenden Gewalt geben, was Letzterer eine höhere Haftbarkeit für ihre Handlungen gebe. Die Teilnehmer erkannten an, dass es in der Tat positive Aspekte hinsichtlich der jordanischen Verfassungsänderung gäbe, diese bislang jedoch dem An-schein nach nur geringfügige Auswirkungen erbrachten.

Sechste Sitzung: Reformen, die Rolle des Parlaments und die Erfahrungen aus der Demokratiebewegung in Syrien

Zu Beginn des zweiten Tages der Konferenz hieß Herr Abdel Jalil Khalil alle Konferenzteilnehmer herzlich willkommen. Im Anschluss erörterte Dr. Yaseen Ghadben, Wissenschaftler und Mitglied der Muslimbruderschaft, den Willen der Syrer um Freiheit. Syrien erlangte 1946 seine Unabhängigkeit und galt zu diesem Zeitpunkt als die erste bedeutungsvolle Demokratie der arabischen Welt – jedoch bestand diese lediglich über drei Jahre von 1946 bis 1949. Anschließend litt der Staat unter repressiven Regimen, insbesondere nach 1963 unter der Herrschaft der Ba’ath-Partei. Das Regime unterdrückte systematisch das politische System, wobei insbesondere die Muslimbruderschaft schwerster Repression ausgesetzt war; die Partei wurde nicht nur verboten, sondern im Jahre 1982 auch gewaltsam unterdrückt. Diese Repression wurde durch das Gesetz Nummer 49 legitimiert – dem „Gesetz der Schande“ – welches praktisch alle Mitglieder der Muslimbruderschaft zum Tode verurteilte. Dr. Ghadban erklärte, dass mit dem Beginn der Proteste am 15. März 2011 die gerufenen Slogans „Gott, Syrien und Freiheit“ lauteten, was den grundsätzlichen Forderungen des syrischen Volkes entspräche. Als sich die Reformversuche der Regierung lediglich als leere Versprechungen herausstellten, gingen die Demonstrationen weiter. Die Regierung wie auch das Militär schlugen in brutaler Weise den Protest nieder und verfolgten die OppositionellenDer zweite Referent dieser Sitzung war der syrische Autor und Politaktivist Herr Hakam Albaba. Herr Albaba erklärte, dass das syrische Volk mit dem Gang auf die Straßen im März 2011 der repressiven Herrschaft des Assad-Regimes ein Ende bereiten wollte, das seit annähernd 50 Jahren die Macht in der Hand hält. Seit Beginn der Proteste wurden über 3000 Menschen getötet und tausende sind inhaftiert oder verwundet worden. Ein Aspekt, welcher die Stärke der Opposition herabsetzte, sei deren Aufsplittung in eine inländische und eine ausländische Opposition. Während die inländische Opposition annähme, dass die ausländische Opposition von externen Nachrichtendiensten gesteuert würde, gehen Letztere davon aus, dass die inländische Gruppierung durch einheimische Kräfte beeinflusst werde.

Des Weiteren ging er auf die „Istanbuler Versammlung“ ein, die von syrischen Oppositionellen zum Zeitpunkt dieser Konferenz abgehalten wird. Nach Aussage von Herrn Albaba besitze dieser Rat einige positive Eigenschaften, insbesondere da er darauf abziele, die Opposition zu vereinigen. Jedoch zweifelte er die wahren Beweggründe dieser Versammlung an, der er vorwarf, lediglich eine Maske ausländischer Einmischung zu repräsentieren. Zudem betonte er, dass er angesichts der Zukunft unsicher sei, ob die Revolution fähig ist, Assad zu stürzen. Dieser Zweifel komme daher, dass es nicht den Anschein mache, als gäbe es eine geeignete Macht oder Partei, die in der Lage ist, die Ziele des Volkes effektiv zu verteidigen und zu vertreten. Herr Albaba fuhr fort, die Rolle der Islamisten in der syrischen Revolution darzulegen. Er wies darauf hin, dass der Aufstieg der islamistischen Bewegungen und Parteien, wie der Muslimbruderschaft in Syrien, genauso wie in Tunesien und Ägypten mit Vorsicht geprüft werden müsse. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden sich die Demonstranten nicht mit einer spezifischen religiösen Bewegung identifizieren und Herr Albaba machte klar, dass er hoffe, dass dieser Zustand weiter anhalten werde und dass die Revolution nicht unter den Einfluss des Islamismus gerate. Die Problematik, die er in diesem Kontext sehe, ist, dass derzeit niemand garantieren kann, dass die Kräfte, Gruppierungen oder Parteien nach Ende der Proteste – sollten sie an die Macht gelangen – ihre Versprechen auch tatsächlich einhalten würden. Als abschließenden Punkt sprach er die Sorge von Minderheiten an, wonach sie, sollte eine sunnitische Regierung an die Macht kommen, massiven Repressionen ausgesetzt sein könnten, als Vergeltung für ihre Abwesenheit von den Aufständen. Jedoch glaubt Herr Albaba, dass diese Sorge unbegründet ist und die Angst vielmehr als eine Manipulation durch das Assad-Regime zu betrachten sei.

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich hauptsächlich auf die allgemeine Rolle der Muslimbruderschaft im Rahmen des Arabischen Frühlings. Einige Teilnehmer deuteten an, dass Bedenken bezüglich der Vorhaben der Muslimbruderschaft nicht angemessen seien. Demnach beabsichtige die Muslimbruderschaft weder eine Selbstherrschaft noch einen theokratischen Staat oder gar ein System auf Grundlage einer islamistischen Idee wie in Saudi-Arabien. Vielmehr sei man an einer pragmatischen politischen Herrschaft interessiert. Daher sei die Kritik nicht gerechtfertigt und die Angst vor islamistischen Parteien übertrieben. Im Gegenteil, sollten Staaten wirklich das Ziel verfolgen, demokratische Systeme einzuführen, müssten sie auch im Namen der Demokratie und damit einhergehend im Namen gleicher Rechte und Meinungsfreiheit auch nichtsäkulare Parteien zulassen. Folglich müsse es auch akzeptiert werden, wenn eine islamistische Partei den Willen des Volkes vertrete. Jedoch bemerkten einige Teilnehmer, dass es unklar sei, ob die Muslimbruderschaft wirklich einen zivilgesellschaftlichen Staat fördern würde, der auf der Basis des wirtschaftlichen und politischen Fortschritts agiere. Daher betonten die Teilnehmer, dass islamistische Bewegungen generell deutlich klarstellen sollten, ob sie eher ein säkulares oder ein theokratisches System anstreben.

Siebte Sitzung: Politische Reformen und die Rolle des Parlaments – Erfahrungen aus der Golfregion

Der Parlamentsabgeordnete Wafa Bani-Mustafa eröffnete die letzte Sitzung und stellte Herrn Abdel Jalil Khalil als Referenten vor. Herr Abdel Jalil Khalil ist Mitglied des bahrainischen Parlaments und Abgeord-neter der Al Wefaq National Islamic Society (auch bekannt unter dem Namen Islamic National Accord Association), einer der größten Parteien in Bahrain. Die Proteste der Opposition nahmen am 14. Februar ihren Anfang, wodurch Bahrain zum vierten Staat innerhalb der arabischen Welt wurde, der sein eigenes Regierungssystem in Frage stellte. An diesen Protesten beteiligten sich schätzungsweise mindestens 60 Prozent der Bevölkerung. Diese Bewegung wurde durch die sogenannte „Jugend des 14. Februar“ und der „Allianz der zweiten Gesellschaft“ angeführt. Demnach begann der Aufstand in Form einer Koalition zwischen liberalen wie auch islamistischen Elementen der Gesellschaft. Es beteiligten sich sowohl Sunniten als auch Schiiten. Die Hauptforderungen der Revolutionäre waren:

1.Die Einrichtung einer konstitutionellen Monarchie, in welcher der König als Symbol des Staates erhalten bleibt, jedoch nicht mehr dessen exekutive Macht innehat.

2.Die Bildung eines effektiven Parlaments.

3.Eine gewählte Regierung, die durch das Parlament bestätigt wird.

4.Die gleichmäßige Verteilung der Wahlbezirke, da gegenwärtige Bezirksgrenzen den Einzug von regierungstreuen Kräften in die Regierung fördern und die Oppositionskräfte unterminieren.

Die Monarchie Bahrains begann die Proteste mit Gewalt niederzuschlagen und all diejenigen zu inhaftieren oder gar hinzurichten, die unter dem Verdacht standen, der Opposition anzugehören. Sie stimmte ferner mit dem GCC, dem „Golfkooperationsrat“, darüber ein, eine militärische Lösung anzuwenden und Soldaten der „Peninsula Shield Force“ – dem Militär des Golfkooperationsrats – nach Bahrain zu entsenden. Während sich Kuwait „lediglich“ mit der Entsendung von Kriegsschiffen an die Küste von Bahrain beteiligte, schickte Saudi-Arabien annähernd 1000 gepanzerte Einheiten. Die bahrainischen Regierungsbehörden brandmarkten die Rebellen als Schiiten, die als Stellvertreter des Irans versuchen würden, einen islamischen Staat zu errichten. Laut Aussage von Herrn Khali entspreche dies jedoch nicht der Realität, da die Opposition demokratische Reformen einfordere und nicht die Aneignung des iranischen Modells verfolge.

Des Weiteren kritisierte Herr Khalil in seiner Präsentation, dass die unterschiedlichen arabischen Medienagenturen die Proteste wissentlich ignoriert hätten. Sie hätten darin versagt, die Menschenrechtsverletzungen zu erkennen und die Demonstrationen nicht als einen Ausdruck des nationalen Willens dargestellt. Dies verdeutliche das Misstrauen vieler arabischer Staaten gegenüber der schiitischen Bevölkerung Bahrains. Zwar hat die Monarchie als Reaktion auf die Proteste Neuwahlen Ende September angeordnet, jedoch seien diese eher ein kosmetischer Versuch der Regierung, sich mit den Forderungen der Bevölkerung zu befassen. Als Konsequenz nahmen nur 17 Prozent der Bevölkerung an den Wahlen teil, während alle sieben Oppositionsgruppen die Wahlen boykottierten.

Herr Najeb Al Khonaizi, Kolumnist und Mitglied des saudiarabischen Menschenrechtskomitees, begann seinen Vortrag mit einem Kurzüberblick über die saudische Geschichte and beschrieb daraufhin die Lage der radikalislamistischen Kräfte in Saudi-Arabien. Während in den Fünfziger- und Sechziger Jahren keinerlei radikal-extremistische Kräfte im Land gewesen seien, hätten die Siebziger Jahre diese Situation drastisch verändert.

In diesem Zeitraum entwickelte sich Saudi-Arabien, nach den Aussagen von Herrn Al Khonaizi, zu einem Zufluchtsort für islamisch-fundamentalistische Bewegung aus unterschiedlichen arabischen Staaten, die einen islamistischen Extremismus vorantrieben. In Folge dieser Entwicklung sei ein politisches Vakuum entstanden, das von unterschiedlichen extremistischen Gruppen dazu benutzt wurde, Teile der Gesellschaft zu kontrollieren. Der Arabische Frühling habe Saudi-Arabien, wie auch auf andere Staaten der Golfregion, vor allem spirituell beeinflusst. Die Bevölkerung in Saudi-Arabien wolle nicht die Regierung zu Fall bringen, allerdings sehen sie ihren Staat in einer politischen Krise und verlangten demzufolge politische Reformen. Ihre Hauptforderungen lauten wie folgt: Eine Verringerung der Arbeitslosenquote (gegenwärtig 10-15 Prozent), eine verbesserte öffentliche Verwaltung, einen Abbau der Korruption, wirkungsvolle zivilgesellschaftliche Organisationen und Parteien, eine klare Machtaufteilung, einen gewählten Schura-Rat sowie erweiterte öffentliche Freiheiten, wie z.B. der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Erfahrungen aus den anderen arabischen Staaten habe die Bevölkerung dazu ermutigt, Reformen einzufordern. Daher habe die herrschende Regierung, nach Aussage von Herrn Khonaizi, zwei Handlungsmöglichkeiten: Erstens, die Einführung echter umfassender wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Reformen oder zweitens, nicht auf die Forderungen des Volkes einzugehen. Die zweite Handlungsmöglichkeit könnte jedoch die Bevölkerung dazu veranlassen dem Beispiel von Tunesien und Ägypten zu folgen.

In der anschließenden Diskussionsrunde äußerten einige der Teilnehmer ihre Bedenken gegenüber der Entwicklung in Bahrain. Sie unterstrichen, dass es den Anschein erwecke, als ob die bahrainische Regierung die politischen Entwicklungen im Land ausnutze, um die religiösen Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten zu verstärken. Obwohl beide islamische Konfessionen zwar dieselben Forderungen nach politischen Reformen in Bahrain äußern, könnte die Revolution dennoch die konfessionelle Spaltung durch eine mögliche Manipulation der Regierung vergrößern. In diesem Zusammenhang stellten die Teilnehmer weiter fest, dass sie die saudische Intervention in Bahrain anhand von zwei Gesichtspunkte als höchst kritisch erachteten: Erstens, weil sie die Forderungen der bahrainischen Bevölkerung untergrabe, da sie ebenfalls den Vor-wand anführe, dass der Aufstand von Schiiten geleitet wird, die von Iran unterstützt werden. Zweitens sei dieses Eingreifen kontraproduktiv für den gesamten Arabischen Frühling, da es der arabischen Bevölkerung, ganz gleich in welchem Land, die Rechtmäßigkeit ihres Willens nach Freiheit und Demokratie abspräche. Demzufolge hätte sich Saudi-Arabien in gewisser Weise allen Revo-lutionen des Arabischen Frühlings konfronta-tiv entgegengestellt.

Fazit

Die zweitägige Konferenz bot eine Vielzahl aufschlussreicher Vorträge und ermöglichte im Namen der Demokratie einen intensiven und beeindruckenden Meinungsaustausch zwischen Wissenschaftlern, Politikern und Aktivisten. Die Veranstaltung verdeutlichte, dass Gedanken über Demokratie nicht ausschließlich eine westliche Idee, sondern vielmehr ein globales Konzept darstellen. Die arabische Welt ist in identischem Maße in ihren Forderungen nach Rechten stimmberechtigt, wie jeder andere Ort in der Welt. Daher sei es zwingend erforderlich, dass Staaten ihre Aufmerksamkeit gegenüber Freiheit und Demokratie, sprich den Werten, die sie gemeinsam teilen, erhöhen. Die Veranstaltung führte erfolgreich Experten aus zehn verschiedenen Ländern zusammen, um ein Thema zu diskutieren, das sie alle sowohl nach innen, wie international betrifft. Die meisten von ihnen hatten bisher nicht die Gelegenheit, ihre Gedanken und Ideen auszutauschen. Es wurde deutlich, dass politische Institutionen, insbesondere parlamentarische Systeme, die Grundlage für Demokratie in jedem Land darstellen und dass es von entscheidender Bedeutung ist, diese Systeme in Zeiten des Übergangs zu fördern und zu unterstützen. In diesem Sinne kann zusammenfassend gesagt wer-den, dass die Veranstaltung allen Teilnehmern, die unterschiedliche Staaten der arabischen Welt vertraten, in einer Zeit, welche von bemerkenswerter Bedeutung für deren zukünftige Entwicklung ist, wichtige Denkanstöße gab.

Die arabischen Revolutionen entfalten sich derweil weiter und die beteiligten Staaten befinden sich nach wie vor in einem Prozess der Demokratisierung. Aus diesem Grund haben es sich die KAS Amman und das Al Quds Center for Political Studies zur Aufga-be gemacht, die Entwicklungen weiter zu beobachten und all denjenigen Staaten die erforderliche Unterstützung zuteil kommen zu lassen, die den Willen besitzen, ihr politi-sches System zu demokratisieren.

Aufgrund der Bedeutung des Themas, des Fachwissens und der Vielzahl an Teilnehmern war die Berichterstattung der Medien beachtlich. Bitte klicken sie auf die unten anhängigen Link, um zu den Artikeln zu gelangen, die in der Zeit der Konferenz veröffentlicht wurden:

http://www.addustour.com/ViewTopic.aspx?ac=%5CLocalAndGover%5C2011%5C10%5CLoca-lAndGover_issue1448_day02_id359355.htm

http://www.addustour.com/ViewTopic.aspx?ac=%5CLocalAndGover%5C2011%5C10%5CLoca-lAndGover_issue1449_day03_id359620.htm

http://alarabalyawm.net/pages.php?news_id=329673

http://alsiasi.com/index.php/2010-03-07-12-00-59/40576-2011-10-03-11-07-18

http://postjordan.com/news/pages.php?id=138165

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