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Medienfreiheit in Südosteuropa auf dem Rückzug?

von Denica Zheleva
Bericht vom V. South East Europe Media Forum Belgrad, 2./3. November 2011

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In den Ländern Südosteuropas sind in den letzten Jahren wieder vermehrt Negativtendenzen bei der Gewährleistung freier und unabhängiger Berichterstattung festzustellen. Hinzu kommt, dass die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise auch die Medienbranche massiv unter Druck gesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund trafen sich in Belgrad über 200 Chefredakteure, Medieneigentümer, Verbands-vertreter, Repräsentanten internationaler Organisationen und Medienexperten aus insgesamt 20 Ländern. Anlass war das fünfte South East Europe Media Forum (SEEMF), das vom KAS-Medienprogramm Südosteuropa gemeinsam mit der Central European Initiative (CEI) und der South East Europe Media Organisation (SEEMO) veranstaltet wurde.

Zu Beginn des Forums nutzten Journalisten aus der Region die Gelegenheit, im öffentlichen Interview den serbischen Ministerpräsidenten Mirko Cvetkovic mit schmerzhaften Problemen der Branche zu konfrontieren. Warum sind zum Beispiel in Serbien die Eigentumsstrukturen im Medienbereich derart intransparent, sodass allein von 18 Medieneinheiten deren Eigentümer überhaupt nicht bekannt seien? Hinzu komme, dass Marketingagenturen mit der Regierung zusammenarbeiteten und die Medien beim Verteilen von Werbeaufträgen unter Druck setzten.

Der Ministerpräsident unterstrich die enorme Bedeutung der Medien für die Entwicklung eines demokratischen Staates und hob dabei auch das Transparenzgebot hervor, weil es Vertrauen in die Medien schaffe. Gleichwohl wies Cvetkovic darauf hin, dass sein Land noch nie einen derart hohen Grad an Medienfreiheit aufweisen konnte wie es jetzt der Fall sei. Entscheidend für die Zukunft wird nun sein, wie die kürzlich verabschiedete Medienstrategie in die Realität umgesetzt werden kann. Denn darin hat die Regierung nicht nur einen Gesetzesrahmen vorgeschlagen, sondern auch versprochen, dass der Staat sich als Medieneigentümer zurückziehen wird.

Der Kampf gegen die Krise – Anpassungsfähigkeit zum Überleben verlangt

„Ich habe einen Traum“, sagte der bulgarische Medienexperte Petar Pounchev zu Beginn des Panels, das sich mit wettbewerbsfähigen Geschäfts-modellen in Zeiten der Wirtschaftskrise beschäftigte. Und es ist der Traum aller Medienschaffenden, die um das Überleben in der Branche kämpfen, dass sich langfristig faire und transparente Strukturen im Medienbereich entwickeln. Diskussionsteilnehmer und Publikum waren sich aber auch einig: In Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskrise und ständiger neuer Herausforderungen können Medien nur überleben, wenn sie flexibel und anpassungsfähig sind. Wie in jeder anderen Branche soll man auch hier Businesspläne entwickeln und sich an dem veränderten Medienkonsum-verhalten ausrichten. Bei Online-Medien etabliert sich immer mehr die Einführung von kostenlosen und bezahlten Versionen mit sog. „pay walls“, die unterschiedliche Inhalte bieten. Wer anspruchsvolle Analysen und Kommentare lesen möchte, sollte bereit sein, dafür zu zahlen.

Im Fernsehbereich sollten unbedingt die „co-businesses“ gestärkt werden, d.h. Familien von Kanälen, die verschiedene Zielgruppen treffen sowie Plattformen aufgestellt werden, die dem Publikum erlauben die gewünschte Sendung zur gewünschten Zeit zu sehen. „Keiner kann auf dem Markt nur mit einem Sender überleben“, so Andreas Rudas, ein führender Vertreter der RTL-Group und ausgewiesener Kenner der Medienszenerie in Südosteuropa.

Thematisiert wurden auch die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen den privaten und den öffentlich- rechtlichen Sendern. Die Teilnehmer waren sich einig, dass öffentlich-rechtliche Sender endlich auch ihrem öffentlichen Informationsauftrag nach-kommen und nicht zunehmend das Programm im Privat-TV nachahmen. Ihre Finanzierung sollten sie durch Gebühren und vom Staatshaushalt beziehen und nicht durch Werbezeiten. In der Krise sollten alle Medien verstärkt auf ihren eigenen Charakter und speziellen Stil eingehen, um konkurrenzfähig zu bleiben und ihre Zielgruppe anzusprechen.

Medienfreiheit auf dem Rückzug – regionale und europäische Gegenstrategien

Überall in Südosteuropa beobachtet man die gleichen Probleme in der Medienbranche. Ob es sich um Kandidaten- oder Mitgliedstaaten der EU handelt, nirgendwo ist der Grad der Medienfreiheit zufriedenstellend. Die Wirtschaftskrise, der Einfluss alter Gewohnheiten aus der Zeit vor der Wende sowie die Bedienung wirtschaftlicher und politischer Interessen haben zu einer Verschlechterung von Pressefreiheit und Meinungspluralismus geführt.

Was können europäische und regionale Institutionen dagegen tun? „Die Europäische Union erwartet, dass die Mitgliedstaaten ihren Mediensektor selbst regulieren“ erklärte der Vertreter der Europäischen Kommission, Andris Kesteris. Die EU hat zwar eine Monitoring-Funktion vor dem Beitritt der Länder, aber dann wird erwartet, dass die Mitgliedstaaten die Pressefreiheit garantieren. Doch genau hier beginnt das Problem in der Praxis. Die Journalistin und derzeitige Beraterin des kroatischen Staatspräsidenten Zrinka Vrabec Mojzes beklagte in ihrem selbstkritischen Statement, dass in Kroatien vor zehn Jahren die Medien schon mal freier und unabhängiger waren. Jetzt, kurz vor dem EU-Beitritt, schaut keiner mehr von außen genauer hin. Es herrsche Korruption auch innerhalb der Medien, obwohl sie eigentlich Korruption enthüllen sollten. Die OSZE verfolgt daher den Ansatz, durch gezielte Interventionen auf die Regierungen in einzelnen Ländern einzuwirken. Letztendlich haben sich die OSZE-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Voraussetzungen für freie Medien herzustellen, so Roland Bless vom Büro der OSZE-Medienfreiheitsbeauftragten in Wien.

Eine Lösung wäre eine einheitliche regionale Strategie, da die Probleme in Südosteuropa ähnlich gelagert sind. Die Regionaldirektorin des Balkan Investigative Network (BIRN), Gordana Igric, schlug daher ein regionales Monitoringorgan aller südosteuropäischen Länder vor. Dieses Organ solle eine Kontrollfunktion haben, aber auch als ein Mittel zur Druckausübung vor den Institutionen der EU dienen.

Verschleierte Eigentümer – wer steckt hinter den meinungsbildenden Akteuren?

Wer hat das Sagen bei der sogenannten "vierten Gewalt", welche für die Meinungsbildung der Gesellschaft von enormer Bedeutung ist? Vor allem in einer Region, in der jahrzehntelang die persönliche Meinung und das bürgerschaftliche Engagement derart eingeschränkt waren, ist die Eigentümertransparenz im Medienbereich essentiell. Es ist traurig, dass rund 20 Jahre nach der Wende, nachdem die Menschen bitter um die Erreichung und Durchsetzung von Demokratie gekämpft haben, die Eigentümertransparenz und der Medienpluralismus in Südosteuropa noch sehr entwicklungsfähig sind.

Ein weiteres Problem ist es, dass Medieneigentümer oft nebenbei in dieses Geschäft gelangen und als Hauptbeschäftigung in einem ganz anderen Wirtschaftszweig tätig sind. Sie behandeln die Medien als rein profitorientierte Unternehmen und vernachlässigen die Qualität zugunsten von hohen Verkaufszahlen. Das führt zur „Tabloidisierung“ von Rundfunk- und Printmedien und ermöglicht, dass seriöse und qualifizierte Journalisten durch Freelancer und Laien ersetzt werden, welche weniger kosten und leichter zu beeinflussen sind. Durch die sinkende Qualität des Medienangebots, traut sich jeder zu, Medien zu besitzen. Die Zahl der einzelnen Medieneinheiten steigt somit gewaltig, während die Qualität immer weiter sinkt. Alleine in Serbien gibt es 1052 Medieneinheiten für 7 Millionen Einwohner.

Dialogplattform für Medienschaffende in Südosteuropa

Das South East Europe Media Forum (SEEMF) hat sich zur größten medienpolitischen Veranstaltung in Südosteuropa entwickelt. Das Medienforum wird seit 2007 jährlich veranstaltet und dient vor allem dem Austausch und der Netzwerkbildung von Medienschaffenden in der Region. Das V. South East Europe Media Forum in Belgrad wurde von mehr als 250 führenden Medienexperten, Journalisten, Chefredakteuren und Medieneigentümern besucht. Das Ziel der Konferenz, die angespannte Situation der Medien in der Region zu erörtern, Problemlösungen zu finden und Zukunftsperspektiven zu formulieren, ist erreicht worden. Das SEEMF entspricht dem zentralen Ziel des KAS Medienprogramms Südosteuropa: Durch einen breit angelegten Mediendialog die Rahmenbedingungen für eine unabhängige und vielfältige Medienlandschaft zu verbessern.

Die Medien in Südosteuropa befinden sich an einer Wegscheide und in einem nachhaltigen Veränderungsprozess. Sowohl globale als auch regionale und politisch-kulturelle Faktoren spielen hier eine Rolle. Das SEEMF wird auch in Zukunft die Entwicklung der südosteuropäischen Medienlandschaft begleiten und durch Dialog und Interaktion mit beeinfluss

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