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Veranstaltungsberichte

"Etikettenschwindel" Nachhaltigkeit im Bundesstaat Mexiko?

von Daniela Diegelmann

INDISPEM-Forum Klimawandel: Auswirkungen für Wirtschaft und Arbeit

Zu einem Forum über die Auswirkungen des Klimawandels für Wirtschaft und Arbeitswelt hat jetzt mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung das gewerkschaftliche Bildungsinstitut INDISPEM nach Toluca geladen. Vor Gewerkschaftsvertetern vornehmlich aus dem Öffentlichen Dienst referierten renommierte Wissenschaftler der Freien Universität des Bundesstaates Mexikos (UAEMEX) sowie ein Vertreter des langjährigen KAS-Partners CENPROS.

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Die interessierte Zuhörerschaft folgte zu Beginn einem sehr informativen Vortrag des Biologen Wilfrido Contreras Domínguez, Professor für Umweltwissenschaften an der Fakultät für Stadt- und Regionalplanung an der UAEMEX. Vor dem Hintergrund seiner mehr als dreißigjährigen Erfahrung in Forschung und Lehre im Umweltbereich gab er zunächst einen Überblick über Ursachen und Folgen des Klimawandels in Mexiko sowie weltweit, sodann zeichnete er anschaulich die internationale Entwicklung seit der Stockholmer UN-Umweltkonferenz 1972 bis zur letzten COP 16 in Cancún nach. In diesem Zusammenhang beschrieb er des Weiteren auch die jeweiligen Fortschritte in Mexiko. Zwar hätten sich in den 1970ern bereits einige Gruppen gegründet, die man einer Umweltbewegung zurechnen könne, doch hätten diese ihre Ziele meist sehr einseitig und von parteipolitischem Interesse geprägt verfolgt. Generell habe das Land in diesem Aspekt (wie in so vielen anderen) internationale Trends zu spät erkannt und erst zeitversetzt entsprechend reagiert.

"Etikettenschwindel" Nachhaltigkeit?

In den letzten Jahren widme man sich dem Thema Umwelt auch in Mexiko verstärkt, es sei geradezu in Mode gekommen, alles sei plötzlich „Öko“ und „nachhaltig“. Dabei würden der VW-Käfer oder der Bus des ÖPNV nicht plötzlich umweltgerechter, nur weil man diese grün anstreiche. Auch die entsprechenden „Umweltgesetze“ würden häufig zu kurz greifen und viele bekannte Probleme lediglich oberflächlich angehen. Ein Blick in den Estado de México wäre da sehr exemplarisch: Man lobe sich ob der besonders nachhaltigen Politik, doch seien in den letzten Jahren Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur hauptsächlich in den Ausbau von Fern- und Schnellstraßen geflossen, der öffentliche Nahverkehr im bevölkerungsreichsten Bundesstaat des Landes mit zahlreichen Pendlern hingegen wurde sträflichst vernachlässigt. Ebenso lasse der verschwenderische Umgang mit Energieressourcen auf alles andere als eine nachhaltige Strategie schließen.

Dass der Begriff der Nachhaltigkeit zu oft nur ein Etikett bleibe, lasse sich leider auch auf nationaler Ebene feststellen. Viele Bundesprogramme, gerade im Bereich der Stadt- und Regionalplanung, wären z.T. seit den 1990ern nicht weiterentwickelt worden und würden sich ebenfalls meist auf den Ausbau des Straßennetzes beschränken, so Herr Contreras Domínguez. Dabei müssten diese kontinuierlich an die jeweils aktuellen Bedürfnisse angepasst werden. Es sei ebenfalls wichtig, dass konkrete Maßnahmen und Ziele kurz-, mittel- und langfristig festgelegt und diese dann beständig durch Monitoring kontrolliert würden. Nur ein solches Vorgehen könne zu Erfolgen führen, wie der Referent durch frühere Kontakte zu Umweltministerien in Deutschland und Frankreich aus erster Hand habe erfahren können. Wie so oft bremst gerade auf lokaler Ebene die Nichtwiederwahl von Mandatsträgern die Umsetzung langfristiger Projekte aus. Diese Problematik zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Regierungsebenen Mexikos. Das Interesse an kurzfristigen Erfolgen ist groß. Doch auch etwa eine Kooperation zwischen zwei Gemeinden mit Regierungen unterschiedlicher Couleur zur langfristigen Lösung von akuten Problemen scheint ein Ding der Unmöglichkeit, wie Herr Contreras Domínguez am Beispiel des Tals von Toluca veranschaulichte.

Es fehlt an Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung

Ein generelles Manko in Mexiko seien die geringen Investitionen in Bildung sowie Forschung und Entwicklung. Das Land biete vorzügliche Bedingungen zur Gewinnung erneuerbarer Energien, doch statt die Entwicklung der erforderlichen Technologien in landeseigenen Forschungszentren zu fördern, werde die nötige Ausrüstung meist im Ausland eingekauft, so etwa auch in Deutschland. Dabei könnten Investitionen in diesem Bereich gerade hier auch für Staat und heimische Wirtschaft lohnend sein, allein fünfzig Prozent des mexikanischen Territoriums verfügten über 365 Tage Sonneneinstrahlung im Jahr, ein Traum für Solarstrom-Unternehmen.

Abschließend rief der Referent die Gewerkschafter dazu auf, als bedeutender Teil der organisierten Zivilgesellschaft mit einer gemeinsamen Stimme politische Maßnahmen zur Eindämmung von Umweltschäden und den Folgen des Klimawandels von ihrer Regierung zu fordern. Letztere sei überdies gefordert, strategische Entscheidungen zu treffen und ihren Bürgern eine Richtung für deren Engagement vorzugeben. Ein Flickenteppich aus Maßnahmen von Einzelpersonen oder NGOs sei oftmals eher kontraproduktiv.

Auswirkungen für Mexiko fordern Übernahme kollektiver und individueller Verantwortung

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ging der Redner Dr. Eduardo Campos Medino (Freie Universität des Bundesstaates Mexiko – UAEMEX) insbesondere auf die Auswirkungen und langfristigen Folgen der Erderwärmung auf verschiedene Lebensräume ein. Mexiko als eines der Länder mit der größten Biodiversität weltweit werde hiervon stark betroffen. Doch nicht nur Artensterben in großem Ausmaß sei zu erwarten, zahlreiche Landstriche hätten verstärkt mit Naturkatastrophen und Dürreperioden zu rechnen. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen seien umgehend zu treffen.

Der dritte und letzte Vortrag des Forums thematisierte die Rolle der Arbeiterbewegung angesichts des nicht von der Hand zu weisenden Klimawandels. Herr Santos Martínez Cruz, Vertreter des gewerkschaftlichen Bildungsinstitutes CENPROS, sprach hierbei neben der kollektiven Verantwortung der Arbeitnehmerschaft und ihren Organisationen auch die individuelle Verantwortung eines jeden Arbeiters an. Die Gewerkschaften sollten ihre Mitglieder zu umweltschonendem Verhalten im Betrieb und im Privatleben aufrufen. Durch diese Vorbildfunktion könne man einem dringend notwendigen Umdenken auf breiter Ebene in der Gesellschaft Stück für Stück näher kommen.

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Kontakt

Daniel Colmenero López

Representante Adjunto

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