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FORUM: BILDUNG, ARBEIT UND KULTURPOLITIK: DIE JUGEND MEXIKOS UND IHRE ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

Gedankenaustausch über die Situation der mexikanischen Jugendlichen in Wirtschaft, Kultur und Bildung

Am 18. August 2011 führte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem gewerkschaftlichen Bildungsinstitut CENPROS ein Forum zum gemeinsamen Dialog über die Bedeutung von Bildung und Kultur für die wirtschaftliche Entwicklung Mexikos und die Berufsperspektiven junger Menschen durch. Dabei tauschten sich die Teilnehmer, darunter hauptsächlich Mitglieder mexikanischer Gewerkschaften, mit Experten und Akademikern aus Wirtschaft und Politik aus und diskutierten ihre Standpunkte.

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Frank Priess, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko, begrüßte die Teilnehmer des Forums mit dem Hinweis, dass die aktuellen Entwicklungstendenzen auf den Arbeitsmärkten der Welt auch die jungen Heranwachsenden in Mexiko beträfen. Dabei nahm er vor allem auf die derzeitigen Studentenbewegungen in Spanien, Israel und Chile Bezug. Er verdeutlichte, dass es von außerordentlicher Wichtigkeit sei, auf die Probleme, Ängste und Forderungen der Studenten einzugehen. Zudem appellierte er im konkreten Fall Mexikos, den demographischen Bonus, den das Land aufgrund seines hohen Anteils an junger Bevölkerung aufweise, nicht ungenutzt zu lassen. Insbesondere, da das Risiko groß erscheine, dass aus der neu heranwachsenden Generation eine „gescheiterte Generation“ entstehen könne. Seiner Meinung nach resultiere diese Gefahr aus der ineffizienten Struktur des mexikanischen Arbeitsmarktes, die sich unter anderem in dem Ausschluss heranwachsender junger Arbeitskräfte bemerkbar mache. Im Vergleich zu Deutschland fehle es in Mexiko an einer frühzeitigen soliden Einbindung der zukünftigen Beschäftigten in den Arbeitsmarkt, da besonders die Konzepte der „Dualen Ausbildung“ und des „Dualen Studiums“ in dieser Form nicht existent seien. In der Folge erlitten insbesondere die technischen und handwerklichen Berufe einen starken Prestigeverlust innerhalb der mexikanischen Gesellschaft und des Arbeitsmarktes. Deshalb sei es besonders erfreulich, dass CENPROS und die zum Dialog geladenen Experten Interesse an der Erarbeitung neuer Alternativen und Lösungen für diese Problematiken zeigten.

Dr. Josefina Morales, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der UNAM, begann ihren Diskurs mit einer kurzen Reflexion über vergangene sowie die gegenwärtig andauernde Wirtschaftskrise. Dabei stellte sie eine Verbindung zur derzeit problematischen Arbeitssituation von Jugendlichen und Arbeitern her. Sie betonte, dass die globalen Wirtschaftskrisen der letzten vierzig Jahre sich nicht allein auf den –Finanz- und Wirtschaftssektor auswirkten, sondern zugleich Einfluss auf das Wohlergehen der Gesellschaften auf allen Ebenen habe. Dadurch besäßen diese Krisen einen multiplen, diversen und komplexen Charakter. Aus diesem Grund sei es auch notwendig, so Morales, sich über die Reichweite und die neuen Herausforderungen, die solche Krisen mit sich brächten, bewusst zu sein. Eine der Aufgaben finde sich im Bereich der Jugendlichen und jungen Arbeitnehmer. Diese seien besonders von den Effekten und Resultaten der Krisen, insbesondere vom neoliberalen Konsummodell, betroffen. Ihrer Ansicht nach verfügten die jungen Menschen in Mexiko nicht einmal mehr über die minimale Basis an staatlicher Unterstützung und den notwendigen akademischen Voraussetzungen, die gebraucht würden, um den hohen Anforderungen gerecht werden, welche der Neoliberalismus mit sich bringe. Nach Morales zeiche sich dieser unter anderem durch ein stark konkurrenzgeprägtes Arbeitsumfeld, hohe Arbeitslosigkeit und die hohe Bedeutung des Konsums aus. Dadurch, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht einmal eine mittlere Schulausbildung genossen habe und die familiären Strukturen aufgrund der Vollarbeitszeit beider Elternteile instabiler geworden seien, machte dies der soziale Aufstieg schwieriger. Zu diesen Aspekten geselle sich das unzureichende Angebot an Universitäten und technischen Hochschulen. Diesbezüglich unterstrich sie, dass auch die Wenigen, die einen erfolgreichen akademischen Abschluss erreichten, oft wegen fehlender praktischer Erfahrung oder Überqualifizierung auf der Suche nach einer Arbeit scheiterten. Insbesondere aber schaffe das Fehlen von sozialen Leistungen für die arbeitende Bevölkerung, ein System, indem die ältere arbeitende Generation erst im hohen Alter aus ihrem Arbeitsverhältnis treten könne. Dies erschwere wiederum den Einstieg ins Arbeitsmarkt der nachrückenden Generation. In der Folge werde die aktuelle Arbeitslosenzahl der Jugendlichen aller Welt im Alter von 15 bis 29 Jahren auf 81 Millionen beziffert. Diese gravierende Summe veranlasste die Professorin der UNAM in ihren Schlussworten dazu, nochmals darauf hinzuweisen, wie wichtig die Schaffung von gemeinsamen Dialogen und kollektiver Zusammenarbeit sei. Damit solle für die Jugend von heute aber auch von morgen mehr Gehör und Mitwirkungspotential geschaffen werden, um so die momentane soziale, wirtschaftliche und politische Krise überwinden zu können. Frau Dr. Morales zufolge sei das Problem der Jugend ein soziales und gesellschaftliches Problem, welches dementsprechend auch von der gesamten Gesellschaft getragen und gelöst werden müsse.

Die mehrfach prämierte Journalistin María de Lourdes González, betonte in ihrem Vortrag, dass insbesondere die Massenmedien einen überaus großen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung und das Alltagsleben junger Erwachsener hätten. So erwähnte sie, basierend auf den Angaben des mexikanischen Bundesinstituts für Statistik (INEGI), dass von 30 Millionen mexikanischer Jugendlicher zwischen 12 und 29 Jahren, die im Zeitfenster einer sozialen Krise aufwachsen und leben, 90 Prozent Zugang zu Radio und Fernsehen besäßen. Insbesondere sei unter anderem das Fernsehen im Bereich der Massenkommunikation neben der Familie zu einer der Hauptquellen ihrer Inspiration und zum maßgeblichen Entwicklungsfaktor geworden. Des Weiteren machte sie darauf aufmerksam, dass die Mehrheit der jugendlichen Bevölkerung es bevorzuge, sich durch Seifenopern, Sportsendungen und Komödien unterhalten zu lassen, anstatt politische Sendungen und Nachrichten zu verfolgen. Dies verhindere eine allgemeine Interessensentwicklung hin zu politische Themen, Geschichte und den Auseinandersetzungen mit gesellschaftlichen Problematiken. Vor allem innerhalb der Bevölkerungsgruppen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen Mexikos sei dies der Fall. So kam sie zu dem Schluss, dass aufgrund einer starken Hinwendung zu den Telemedien seitens der Jugendlichen die Entwicklung einer breit angelegten politischen Kultur gehemmt werde und dass darüber hinaus die Einflusskraft der vertrauenswürdigsten und zuverlässigsten Institutionen, Familie und Schule, immer weiter sinke. Dabei legte sie besonderes Augenmerk auf die Tatsache, dass die Jugend im Bereich des Fernsehens im Grunde nur durch zwei große Fernsehsender, nämlich Televisa und TV Azteca beeinflusst würden, die dieses Medium, so Lourdes González, „als Waffe für die gezielte Desinformation und der Machtkontrolle über Gesellschaft und Staat benutzten“. Dies zeige sich beispielsweise in dem Phänomen, dass dem Zuschauer im mexikanischen Fernsehen weder Informationen über Kundgebungen noch Demonstrationen der Zivilgesellschaft oder den Gewerkschaften übermittelt würden. Somit charakterisierte sie die mexikanischen Medien als „propagandistisch, exklusiv und als großer Einflussfaktor“ in der hiesigen Politik. Neben diesen eher politisch motivierten Schwierigkeiten, die ein solcher Medienduopol hervorrufen kann, wies die Journalistin auch noch auf den problematischen Einfluss der sogenannten „Telenovelas“ und der „Reality Shows“ auf das soziale bzw. zwischenmenschliche Verhalten der Jugendlichen hin.

Aber trotz allem, so kommentierte sie abschließend, habe sie die Hoffnung, dass die Jugend trotz der moralisch fragwürdigen Einflüsse, die ihnen das Fernsehen übermittle, ihren „sozialen Instinkt“ beibehalte und sich weiterhin positive entwickle. Auch sehe Sie das neue Massenmedium Internet als wichtiges politisches Instrument. Die politische Orientierung der Jugendlichen könne durch die Verbreitung von Informationen und der Ausweitung von sozialen Netzwerken gefördet werden.

Im letzten Teil des Forums sprach Israel Ballesteros Ramírez über die Rolle und Verantwortung der sozialen Organisationen im Hinblick auf die Jugend. In Bezug auf Dr. Morales beschrieb er die drei problematischsten Aspekte des neoliberalen Systems: die Privatisierung von Dienstleistungen, die Arbeitslosigkeit und die Deregulierung der Arbeit. Seiner Ansicht nach sei die mexikanische Jugend von diesem Modell schwer betroffen. Sie sehe sich von sozialen Dienstleistungen, Arbeitsrechten und Arbeitsmöglichkeiten, Bildung und öffentlichen Diskursen ausgeschlossen. Daraus folge, dass sich die Jugendlichen, insbesondere die Anwärter auf Hochschulbildung, vom System abgelehnt und benachteiligt fühlten. Er betonte darüber hinaus die Bedeutung von kulturellen Räumen zur menschlichen Entwicklung. Damit solle verhindert werden, dass die Jugendlichen zu einer „sozialen Randgruppe verkämen“. Zudem erwähnte er die negativen Veränderungen hinsichtlich der Beziehungen der Jugendlichen untereinader, die aufgrund des durch den Neoliberalismus von verstärktem Konkurrenzverhaltens, verursacht würden. Er beendete sein Vortrag, indem er drei mögliche Ansatzpunkte für soziale Organisationen vorstellte: die Wiederaufnahme und das Vorantreiben von Entwicklungsansätzen der Jugendlichen, die Förderung von Räumen zur Einbeziehung der Jugend in Freizeitaktivitäten und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, sowie die Transformation der Konkurrenzdynamik ihrer sozialen Beziehungen.

Text: Janina Grimm-Huber

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