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Mexiko in der globalisierten Welt

von Daniela Diegelmann

Studie der Universität CIDE zur öffentlichen Wahrnehmung der Außenpolitik

Die Universität und Forschungseinrichtung CIDE hat jetzt gemeinsam mit dem Mexikanischen Rat für Auswärtige Beziehungen COMEXI die Ergebnisse der Umfrage „México, las Américas y el Mundo 2010“ veröffentlicht. Die mittlerweile vierte Studie dieser Art wurde abermals von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt und vergleicht die öffentliche Meinung der Mexikaner zu außenpolitischen Themen mit der Einschätzung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und akademischen Eliten.

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Während der gut besuchten Vorstellung des Berichtes 2010 im Außenministerium betonte die Staatssekretärin María de Lourdes Aranda die Bedeutung der Studie, da diese den Puls der Bevölkerung zu außenpolitischen Fragestellungen messen könne. Das Ministerium nutze die Studie gezielt als Instrument zur Ausrichtung der eigenen Politik. Seit Veröffentlichung der ersten Studie im Jahr 2004 lasse sich zwar ein positiver Trend erkennen, insbesondere in der Wahrnehmung des Außenhandels als wichtigem Wirtschaftsfaktor. Doch bestehe nach wie vor die Herausforderung, mehr Bürger für Außenpolitisches zu interessieren. Zu oft liege der Fokus zu stark auf nationalen Problemen.

Ergebnisse der Studie

Nach Grußworten des CIDE-Generalsekretärs Sergio López Ayllón stellten die an der Studie beteiligten Wissenschaftler Guadalupe González González (federführend) und David Crow konkrete Ergebnisse der Umfrage vor, in deren Rahmen 2.400 Mexikaner zur Ermittlung des nationalen Durchschnitts sowie fast 500 gesellschaftliche Meinungsführer interviewt wurden.

Nationalismus und Identität

Das nationale Zugehörigkeitsgefühl (62%) ist stärker ausgeprägt als jenes zum eigenen Bundesstaat. Gut ein Drittel der Mexikaner dagegen identifizieren sich stärker mit ihrer Stadt/Gemeinde als mit der Nation. Nach wie vor sehen sich mehr als die Hälfte der Mexikaner als „Lateinamerikaner“, wenn auch mit sinkender Tendenz. Etwa ein Viertel sieht sich als „Weltbürger“.

Im Jahr des Bicentenarios bleibt der Nationalstolz weitverbreitet: 8 von 10 Mexikanern hatten sich dementsprechend geäußert. Nach zweihundert Jahren Unabhängigkeit zeigt sich eine generelle Zufriedenheit in den Aspekten Soziale Ausgewogenheit (57%), wirtschaftlicher Entwicklung (54%) und Autonomie (65%). Die Eliten hingegen erwiesen sich als ausgesprochen unzufrieden hinsichtlich Sozialer Ausgewogenheit (79%), Frieden und innerer Sicherheit (71%) sowie wirtschaftlicher Entwicklung (68%).

Bedrohungen, Vertrauen und Sicherheit

Weiterhin allgemein verbreiteter Pessimismus, während Eliten relativ optimistisch erscheinen. Nahezu sieben von zehn Mexikanern sehen eine Verschlechterung im Laufe der letzten Dekade, die Hälfte sieht der Zukunft besorgt entgegen. Nur jeder zweite Meinungsführer hingegen beurteilt die Veränderungen seit 2000 negativ, 57% sind von einer positiven künftigen Entwicklung überzeugt.

Die Mexikaner erweisen sich als pragmatisch: Weltweite Bedrohungen wird nur dann Bedeutung beigemessen, wenn diese Auswirkungen auf das alltägliche Leben mit sich bringen. Hierzu gehören Drogenhandel und Organisierte Kriminalität (82%), Globale Erwärmung (80%), Naturkatastrophen (78%) sowie weltweite Armut (76%) gleichauf mit Waffenhandel (76%).

Eine allgemein gestiegene Wahrnehmung von Bedrohungen ist zu verzeichnen, insbesondere die Angst vor Guerrilla-Einheiten sowie vor Grenzkonflikten nahm jeweils um 13% zu.

Rolle Mexikos und Außenpolitik

Fast jeder dritte Mexikaner befürwortet ein stärkeres internationales Engagement der Regierung, nur gut 20% äußerten Vorbehalte. Die Elite unterstützt zu 96% ein aktives außenpolitisches Auftreten. Es herrscht eine klare Priorität von Themen, die einen konkreten Bezug zum Leben der Mexikaner zeigen: Kampf gegen Drogenhandel und Organisierte Kriminalität (75%), Umweltschutz und Kulturarbeit (beide 74%), Interessenvertretung der Mexikaner im Ausland, Förderung des Außenhandels sowie des Tourismus (jeweils 73%).

Allgemein wird ein „sanftes“ Vorgehen zur Steigerung des mexikanischen Einfluss im Ausland bevorzugt, etwa über Kultur (54%), Handel (53%) und Diplomatie (36%). Nur jeder fünfte befürwortet militärische Auslandseinsätze. Bei den Eliten zeigt sich eine noch deutlichere Bresche: Fast 90% setzen auf Kultur- und Geschäftsbeziehungen, nur 6% billigen ein militärisches Vorgehen außerhalb der Landesgrenzen.

Generell wird der Regierung eine bessere Performance in der Außen- als in der Innenpolitik zugeschrieben. Ausnahme: Im Schnitt wurde die Bildungspolitik als besonders erfolgreich empfunden (64%), während gerade diese unter den Eliten stark kritisiert und auf dem letzten Platz (24%) hinter Außenpolitik (56%), Handel (53%), Schutz von Mexikanern im Ausland (53%), Wirtschaftspolitik (42%), Öffentlicher Sicherheit (32%) und Armutsbekämpfung (30%) rangiert.

Freihandel und Globalisierung

Der Globalisierung wird von 43% ein positiver Einfluss auf die mexikanische Wirtschaft zugeschrieben. In den Augen der Mexikaner nutzt der Freihandel an erster Stelle den Industrieländern (75%), nur 63% sehen Vorteile für die einheimische Wirtschaft. Lediglich 59% führt eine Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse auf diesen zurück. Ausländische Direktinvestitionen begrüßen vier von fünf Mexikanern, wobei 62% sich gegen solche Investitionen im Ölsektor aussprechen.

Nordamerika

Der Obama-Effekt führt zu einem gestiegenen Ansehen des nördlichen Nachbarn, gleichwohl überwiegt nach wie vor das Misstrauen gegenüber den Vereinigten Staaten. Nordamerika zeichnet sich als bedeutendste Region für die mexikanische Bevölkerung ab, in der letzten Studie zeigte sich Lateinamerika noch als vorrangige Region. Bilateralen Verhandlungen, insbesondere mit den USA (51%), wird der Vorzug vor multilateralem Agieren gegeben. Nach wie vor gut die Hälfte der Mexikaner akzeptiert US-Hilfe im Kampf gegen die Drogenkriminalität.

Lateinamerika

Obschon den USA mehr Bedeutung als den lateinamerikanischen Ländern beigemessen wird, wird die Beziehung zu den südlichen Nachbarn optimistischer betrachtet. Nur noch ein gutes Drittel der Bevölkerung sieht Mexiko in der Pflicht, eine regionale Führungsrolle zu übernehmen. Erstmals seit 2008 wird diese Rolle Brasilien vor Mexiko zugeschrieben. Nach dem Vorbild der nordamerikanischen Integration befürworten mehr als zwei Drittel der Mexikaner ähnliche Initiativen im lateinamerikanischen Raum.

Beziehungen zu anderen Ländern und Regionen

Industrieländer in Nordamerika und Europa erhalten bessere Bewertungen als Lateinamerika im Allgemeinen und Zentralamerika im Besonderen. 200 Jahre nach der Unabhängigkeit ist das Verhältnis zu Spanien entspannt. Drei von fünf Mexikanern zeigen sich dem iberischen Staat gegenüber vertrauensvoll, mehr als die Hälfte bewundert das Land gar und sieht die bilateralen Beziehungen in einem positiven Licht.

Der asiatische Kontinent rangiert in der öffentlichen Wahrnehmung hinter Nordamerika und Europa, jedoch noch vor Lateinamerika und dem Mittleren Orient. Dennoch wird dieser bisher noch nicht als prioritär für außenpolitische Bemühungen erachtet.

Migration

Ein Rückgang der Migration zeichnet sich ab: 2004 gaben noch 61% Prozent der befragten Haushalte Familienmitglieder im Ausland an. In der aktuellen Studie gilt dies nur noch für 52%. Ein Drittel ist finanziell abhängig von Rücküberweisungen aus dem Ausland. Während die Migration im Allgemeinen als positiver Faktor für das Empfängerland (57%), die eigene Gemeinde (47%), Familie (45%) und das Land (44%) empfunden wird, bewerten die Eliten diese in allen Bereichen mehrheitlich negativ.

Fast alle Befragten forderten mehr Rechte für ihre Landsleute im Ausland: Zugang zu Gesundheitsversorgung (99%), Gleichbehandlung am Arbeitsplatz (97%), Zugang zu öffentlicher Bildung (96%) und Familienzusammenführung (83%). Migranten im eigenen Land hingegen werden diese Rechte in geringerem Maß zugesprochen.

Von den Vereinigten Staaten fordert man zur Lösung der Migrationsproblematik eine Legalisierung mexikanischer Migranten ohne Papiere (33%). Die mexikanische Regierung sieht man in der Pflicht, mehr Arbeitsplätze in der Heimat zu schaffen (26%), ein Zeitarbeiter-Programm mit den USA auszuhandeln (23%) sowie generell in den USA ansässige Mexikaner effektiver zu schützen.

Spiegelbild der mexikanischen Seele

Der anerkannte Journalist Leonardo Curzio spitzte in seinem abschließenden Kommentar einige der Ergebnisse zu. Die Studie sei ein Spiegelbild der mexikanischen Seele: Eine stolze Nation, in der Veränderungen nur langsam möglich seien. Lange Zeit galt der Freihandel als Sündenbock für unerwünschte soziale Entwicklungen. Mittlerweile setze sich jedoch dessen Akzeptanz durch.

Es fehle nach wie vor an einem gemeinsamen „Projekt“, einer Vision für das Land. In anderen Ländern, etwa Osteuropa, sei die Demokratisierung und Sehnsucht nach interner Transformation mit der Globalisierung und dem Bemühen um regionale Integration einher gegangen. Dies gelte leider nicht für Mexiko. Die nordamerikanische Integration habe sich nur auf einige ausgewählte Märkte beschränkt und lasse aktuell Kontinuität vermissen. Entsprechende Diskussionen etwa im mexikanischen Senat zeichneten sich vor allem durch ihren dramatischen Ton aus, weniger durch konstruktive Vorschläge.

Widersprüchlich sei des Weiteren die öffentliche Meinung zum Klimawandel. Dieser werde zwar als bedrohlich wahrgenommen, doch sei bisher die heilige Kuh der Benzinsubventionen unantastbar und eine mögliche Kürzung dieser Mittel indiskutabel. Ein weiterer bedauernswerter Umstand seien die Querelen der großen Telekommunikations- und TV-Unternehmen auf dem internen Markt, welche ihre Aufmerksamkeit eher auch auf ausländische Märkte richten sollten. Auch sollten nach dem Vorbild der Cervantes- oder Goethe-Institute mexikanische Kultureinrichtungen im Ausland wirken. Das Land habe mehr als die weithin bekannte Kindersendung „El Chavo del Ocho“ zu bieten. Ein weiteres Manko sei das Verwehren politischer Rechte von Einwandern in Mexiko. Lediglich erfolgreichen Fussballspielern erleichtere man die Einbürgerung, um die Nationalmannschaft aufzustocken. Curzio stellte seinem eigenen Land eine „provinzielle Arroganz“ aus, die es zu überwinden gelte.

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Kontakt

Daniel Colmenero López

Representante Adjunto

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