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Veranstaltungsberichte

Persönliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit Mexikos im internationalen Vergleich

Forum zur Arbeitsmarktpolitik

Am 26. August führte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarktpolitik (IPL) das Forum „Persönliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit- Eine Utopie für Mexiko?“ durch. Vor rund 140 Teilnehmern äußerten sich Experten für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklung und Arbeit zum aktuellen Stand sowie zukünftige Perspektiven für Arbeitsmarktreformen im Land.

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Raúl Vazquez Osorio, Präsident des IPL, eröffnete das Forum mit einer kurzen Einführung in die Geschichte und Entwicklung der Arbeitskultur in Mexiko. Jene werde im allgemeinen Diskurs schon seit längerem berücksichtigt. Daher sei es auch wichtig, den Dialog zwischen dem ökonomischen, politischen und akademischen Sektor der Gesellschaft zu vertiefen, damit Mexiko zu einem wettbewerbsfähigeren und besser entwickelten Land heranreifen könne.

Martin Friedek, Projektkoordinator der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko, unterstrich die Bedeutung der Sozialen Marktwirtschaft für eine ausgeglichene Entwicklung gesamtgesellschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit. Einerseits trete diese für die Garantie der individuellen Freiheitsrechte, der Eigentumsrechte und einer umfassenden Rechtsstaatlichkeit ein. Im Gegensatz zum Gesellschaftsbild des klassischen Liberalismus sehe das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft jedoch darüber hinausgehend auch die aktive Förderung von benachteiligten Individuen und Bevölkerungsgruppen vor. So solle eine möglichst große Anzahl an Bürgern zur freien Entfaltung im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kontext befähigt werden. Der so entstehende demokratische Wettbewerb unter Mitwirkung möglichst vieler, freier Teilnehmer wirke als stabilisierendes und ausgleichendes soziales Moment. Dieses könne jedoch nur zu einer langfristigen Balance der Gesellschaftsinteressen beitragen, wenn dessen Spielregeln auf den Werten der Menschenwürde, des politischen Humanismus und eines grundlegenden Verfassungskonsenses aufbauten.

Cristina Rodríguez, Koordinatorin des "Human Development Index" des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen in Mexiko (UNDP), stellte in ihrem Vortrag die Basisindikatoren des "Index für soziale Wettbewerbsfähigkeit" vor. Sie merkte an, dass jene wichtig seien, um Informationen über die Qualität und das Niveau der Wettbewerbsfähigkeit eines jeden Landes und seiner Gesellschaft zu erhalten. Die Kompetitivität wird anhand der Parameter Zugangsmöglichkeiten zum Gesundheitswesen für alle Bürger, Grad von Kinderarbeit, Höhe und Qualität der Entlohnung von Arbeitskraft und –leistung, Ausprägung und Größe des Sektors der informellen Beschäftigung sowie der generellen Wohlstandverteilung in der Bevölkerung ermittelt. Des Weiteren zeigte sie auf, dass die Indikatoren in Mexiko eine insgesamt negative Entwicklung ihrer Wettbewerbsfähigkeit seit 2009 aufdecken. Diese Tatsache begründete sie mit den nachteiligen Auswirkungen, die die weltweite Wirtschaftskrise auf Mexikos Wirtschaft und Arbeitsmarkt ausübte. Zudem wies sie auf starke Gefälle in den Messergebnissen zwischen den einzelnen Städten und auch Bundesstaaten hin. So zeige der Index, dass Chihuahua seit 2006 die größten Fortschritte erzielte, während sich die Gesamtsituation in Coahuila am stärksten verschlechtert habe. Der Bundesstaat Oaxaca nehme dem Index zufolge bei allen Indikatoren den niedrigsten Rang ein. Die großen Metropolen und Landeshauptstädte wiederum stünden generell höher in der Bewertung als die ländlichen und südlichen Gebiete des Landes. Trotz dieses in der Gesamtschau eher rezessiven Verlaufs der mexikanischen Wettbewerbsfähigkeit, gab Cristina Rodríguez einen positiven Ausblick, indem sie abschließend erwähnte, dass die Ergebnisse der fünf Parameter im letzten Drittel des Jahres 2010 wieder eine leichte Verbesserung verzeichneten.

José Antonio Ardavín, Direktor der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)" in Mexiko, stellte zu Beginn fest, dass das Bruttoinlandsprodukt in der aktuellen Forschung nur noch einen der zahlreichen Faktoren zur Messung des Wohlstandes einer Nation darstelle. Hinsichtlich dessen zeige Mexiko ein relativ stabiles BIP auf, das jedoch im weltweiten Vergleich weit weniger stark gewachsen sei als beispielsweise in Korea oder China. Die Produktivität in den letztgenannten Ländern sei im Vergleichszeitraum von 1980 bis 2010 im Gegensatz zu Mexiko um das fünf- (Korea) und elffache (China) gewachsen. Gründe für den langsameren Anstieg seien, dass in Mexiko das Humankapital vernachlässigt werde. Durch eine mangelhafte Qualität der Lehre an Schulen und Universitäten verbleibe Mexikos Bildungswesen daher insgesamt auf einem niedrigen Niveau.

Die Konsequenzen zeigten sich in einem Anwachsen des informellen Sektors, niedrig qualifizierter Arbeit, höherer Arbeitslosigkeit und in einer niedrigen Produktivität, die die wirtschaftliche Stagnation erklärten. Um dieser Entwicklung zukünftig besser zu begegnen, solle die Politik die qualitative Erneuerung und den quantitativen Ausbau der Lehrangebote an Schulen und Universitäten schnellstens vorantreiben. Zudem müssten dringend neue Anreizstrukturen zur Stärkung des formalen Arbeitsmarktes geschaffen werden. Im Falle dessen, dass Mexiko das Bildungswesen im Land signifikant fördern und die notwendigen Arbeitsmarktreform rasch einleiten würde, könne das mexikanische Bruttoinlandsprodukt in den kommenden 80 Jahren um den Faktor 15 wachsen.

Abschließend ging er deshalb auf die konkreten Inhalte der notwendigen Reformen ein. Besonders wichtig sei die Flexibilisierung der formalen Arbeitsverhältnisse, um so vor allem den jugendlichen Arbeitskräften leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Starre, leistungsunabhängige Arbeitsverträge und hohes Missbrauchspotential bei Arbeitsrechtsprozessen verhinderten gegenwärtig deren Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt. Der demographische Bonus Mexikos dürfe jedoch nicht ungenutzt bleiben.

Fancisco J. Aguilar García, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung der Freien Universität Mexikos (UNAM), merkte im einleitenden Teil seines Vortrags an, dass die Modernisierung der Wirtschaftspolitik der letzten dreißig Jahre zwar bedeutende Vorteile mit sich gebracht habe, jedoch auch viele problematische Aspekte aufzeige. Aus diesem Grund betonte er die Notwendigkeit, den Menschen zukünftig stärker in den Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit zu stellen. Jener Forderung fügte er eine Bandbreite unterschiedlicher Definitionen zum Thema Wettbewerbsfähigkeit an.

Er hob hervor, dass eine höhere internationale Wettbewerbsfähigkeit allen Bürgern, die an diesem Wertschöpfungsprozess beteiligt werden, eine Verbesserung ihrer Lebenssituation bringe. Wohlstand lasse sich aber nicht nur auf den wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkt reduzieren. Eine hohe Lebensqualität sei ebenso von Belang. Trotz der Steigerung der Produktivität sollten die sozialen und externen Kosten möglichst gering ausfallen. Daher müsse das Augenmerk verstärkt auf die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Wachstums, nutzbringende Innovationen, ertragreiche Investitionen sowie auf die bessere Verteilung der Gewinne gelenkt werden. Mexiko, so schlussfolgerte er, sei in diesem Sinne noch nicht als international wettbewerbsfähig einzuordnen. Von rund 112 Millionen Mexikanern lebe knapp die Hälfte in armen Verhältnissen. Im letzten Jahr zählte die Einwanderungsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika 1,4 Millionen neue Migranten aus Mexiko. Der Arbeitsmarkt sei schwach und ein erfolgversprechendes Konzept für die Industrie Mexikos fehle. Aus diesem Grund solle die prekäre Arbeitsmarktsituation des Landes größere Beachtung in den Debatten und Maßnahmen der politischen Eliten finden.

Víctor Reyes Adams, Arbeitsminister in der Landesregierung von Morelos, stellte Konzepte und Perspektiven für eine positive Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Wettbewerbsfähigkeit Mexikos insgesamt und der Einzelstaaten vor.

Sein Diskurs baute auf dem Grundgedanken auf, dass im Zentrum der Wettbewerbsdebatte der Mensch stehen müsse, der auch an den Produktivitätsgewinnen beteiligt werden solle. Er schlug fünf mögliche Optionen vor, die eine bessere Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes fördern können. Erstens müsse der Zutritt in die Arbeitswelt erleichtert und mehr Arbeitsstellen geschaffen werden. Zweitens sei es notwendig, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Damit verbunden sei auch die Eindämmung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Drittens sei die standardisierte Anwendung und schnelle Durchführung von Arbeitsgerichtsprozessen zu gewährleisten. An vierter Stelle solle die Transparenz und demokratische Struktur der Gewerkschaften verbessert werden. Fünftens plädierte er für die Stärkung und Ausweitung der Befugnisse derjenigen Instanzen der öffentlichen Verwaltung sowie der Schlichtungsstellen, die mit der Überwachung und Kontrolle von arbeitsrechtlichen Vorschriften betraut sind.

Diese fünf Optionen seien der Schlüssel sowohl für eine bessere gesamtwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, als auch für bessere persönliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer. Würden diese Maßnahmen umgesetzt, zeige sich, dass es keine Utopie sei, Mexiko konkurrenzfähiger zu machen. Es fehle lediglich daran, diese Richtlinien in Form einer Arbeitsreform gesetzlich zu verankern.

Arturo Alcalde Justiniani, Gewerkschaftsberater und Anwalt, forderte als abschließender Referent, dass Gewerkschaften und andere staatlichen Organe, welche sich um die Belange von Arbeitnehmern und –gebern kümmern, verantwortungsbewusster mit ihren Ämtern umgehen sollten und besser mit den entsprechenden Fachkenntnissen über Wirtschaft, Arbeitsmarktabläufe und -strukturen ausgestattet sein sollten. Denn nur so könnten jene auf die derzeitigen Themen und Probleme, wie Arbeitslosigkeit, geringes Wachstum, Anstieg des informellen Sektors sowie Kinderarbeit, besser und effizienter reagieren. Anschließend benannte und erläuterte er die, seiner Ansicht nach, wichtigsten Tatsachen, welche in der heutigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdebatte Mexikos von Experten, Gewerkschaftlern und Politikern diskutiert werden sollten.

Ein effektives und zuwachsbringendes Wirtschaften und Produzieren müsse nachhaltig sein. Denn Wachstum an sich schaffe zwar kurzfristige Gewinne, führe aber nicht automatisch zu langfristigen Wohlstand aller Beteiligten. Damit sei auch die Verteilung des Erwirtschafteten besser zu organisieren. Auch solle die Regierung eine Reform der Steuerpolitik ins Auge fassen. Ihm zufolge bedeute die niedrige Rate an Steuerabgaben, die Mexiko aufweise, nicht zwangsläufig bessere Wettbewerbschancen. Die geringeren Einnahmen für den Staat haben zur Folge, dass auch weniger in Sozialleistungen investiert werden könne, was sich wiederum negativ auf die Konkurrenzfähigkeit der mexikanischen Bürger im internationalen Vergleich niederschlage. Des Weiteren appellierte er, das Thema der Lohnerhöhungen in Angriff zu nehmen. Mexiko habe ein sehr niedriges Lohnkostenniveau, was zu einer Minderung der Lebensqualität führe. Auch kritisierte er den „escalafón ciego“ bei der Beamtenlaufbahn in der öffentlichen Verwaltung, einem System, welches Beförderungen nicht infolge von Leistungen sondern aufgrund der Beschäftigungsdauer vergebe.

Er beendete seine Ausführungen mit der Forderung an die Regierung, sich von einer Politik des Scheins zu distanzieren, und sich mehr darauf zu konzentrieren, die politischen Gegebenheiten umfassend und tiefgreifend zu verändern und zu verbessern. Die Politik Mexikos solle einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der am Wettbewerb und an der Entwicklung des Menschen orientiert sei.

Text: Janina Grimm-Huber

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