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Veranstaltungsberichte

Drittes Treffen des deutsch-polnischen Quiritenkreises in Posen

Disskussionsforum für junge Multiplikatoren aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft

Am Treffen in Posen nahmen insgesamt 26 Quiriten, 8 aus Deutschland und 18 aus Polen sowie 3 Referenten und 3 Mitarbeiter der Adenauer-Stiftung teil.Das Treffen in Posen wandte sich Fragen nach der belasteten deutsch-polnischen Vergangenheit zu und hinterfragte die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Polen sowie den Blick Polens auf den Westen. Als Diskus-sionsvorlage wurde von zwei Teilnehmern eine gemeinsame Erklärung zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs verfasst.

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Am Treffen in Posen nahmen insgesamt 26 Quiriten, 8 aus Deutschland und 18 aus Polen sowie 3 Referenten und 3 Mitarbeiter der Adenauer-Stiftung teil.

Das Treffen in Posen wandte sich Fragen nach der belasteten deutsch-polnischen Vergangenheit zu und hinterfragte die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschen und Polen sowie den Blick Polens auf den Westen. Als Diskus-sionsvorlage wurde von zwei Teilnehmern eine gemeinsame Erklärung zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs verfasst. Am Freitagabend wurde die Begegnung mit einer informellen Gesprächsrunde nach dem A-bendessen zum Kennenlernen und aktuellen Informationsaustausch eröffnet.

Am Samstagmorgen diskutierten die Quiriten das Thema „Geschichte verstehen – Zukunft gestalten. Belastete Erinnerung – gemeinsame Grundwerte“ anhand eines Textes von Dr. Waldemar Czachur und Dr. Alexander Brakel. Der Text beschreibt einen möglichen Konsens in der Sicht auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen zwischen Deutschland und Polen. Dr. Kazimierz Wóycicki von der Warschauer Universität, der auch Spiritus rector von polnischer Seite im deutsch-polnischen Kopernikuskreis ist, betonte, dass die Verantwortung für die Zukunft immer mit der Kenntnis der Geschichte einhergehe und es un-möglich sei, die deutsch-polnische Aussöhnung voranzutreiben, ohne dabei eine offene und ehrliche Erforschung der Geschichte zu betreiben. Dabei müssten beide Länder versuchen, die Erinnerungskultur des anderen zu ver-stehen und Unterschiede zu akzeptieren.

Zu einer inhaltlichen Beratung und Verabschiedung des Textes als einer gemeinsamen Erklärung kam es nicht, da eine Mehrheit der Teilnehmer verschiedene Bedenken inhaltlicher und formeller Art und einen größeren Diskussionsbedarf hatte. Da die Vorlage einen eigentlich schon längst erreichten Konsens in der Geschichtsbetrachtung beschreibt, war die kritische Diskussion sehr erstaunlich. Dies mag ein Indiz dafür sein, dass ein gemeinsamer Konsens offenbar immer wieder von neuem zu erarbeiten ist, insbesondere nach Jahren eines verschärften Kampfes um „Geschichtspolitik“ zwischen Polen und Deutschland, der seine Spuren hinterlassen hat.

Der Text wurde Mitte September in leicht überarbeiteter Version unter der Schirmherrschaft von Außenminister a.D. Prof. Władysław Bartoszewski, Premier a.D. Tadeusz Mazowiecki, Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Bernhard Vogel und Staatspräsident a.D. Dr. Richard von Weizsäcker sowie unterschrieben von rund 40 führenden jungen Repräsentanten aus Politik und Gesellschaft in Deutschland und Polen der Öffentlichkeit vorgestellt und fand in Polen u.a. Eingang in die Tageszeitung Polska – The Times und in Deutsch-land in die Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Prof. Dr. Zbigniew Czachór von der Adam-Mickiewicz-Universität Posen referierte über die polnische Sicht auf den „Westen“. Dabei ging er auf die unterschiedlichen Definitionen und Selbstverständnisse Europas ein. Seine These, eine gemeinsame europäische Identität gebe es bislang nicht und werde vielleicht auch niemals entstehen, löste eine lebendige Diskussion aus.

Die Stadtführung durch Dr. Armin Mikos v. Rohrscheidt veranschaulichte anhand der wechselhaften Stadtgeschichte Posens die Verquickung der deut-schen und polnischen Geschichte. Mit der Gründung der Stadt nach dem Magdeburger Stadtrecht und der Einwanderung deutscher Siedler, den „Bamberzy“, Anfang des 18. Jahrhundert, der Eingliederung von Posen in den preußischen Staat durch die erste polnische Teilung, dem polnischen Aufstand nach dem Ersten Weltkrieg und den Vertreibungen der Polen durch die Nationalsozialisten zur Etablierung des deutschen Musterlandes „Wartegau“ sowie mit der Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg wurden wichtige Stationen der Geschichte deutlich.

Am Sonntagmorgen stellte die Leiterin des Europaprogramms im Institut für öffentliche Angelegenheiten Warschaus (ISP), Dr. Agnieszka Łada, ihre Studie zur gegenseitigen Wahrnehmung von Deutschen und Polen und zu deren Bildern von Europa vor. Die Studie belegt, eine gewisse Verschlechterung in den deutsch-polnischen Beziehungen in den letzten Jahren: Während 2000 88 % der Polen die Beziehungen als „sehr gut“ einschätzen, sind es 2009 nur noch 66 %. 21 % der Polen halten die Beziehungen zur Deutschland heute für „schlecht“. In Deutschland sehen sogar 35 % die Beziehungen zu Polen als „schlecht“ an. Die Zahl der Polen, die die Deutschen sympathisch finden, sank von 44 % auf 29 %; die Zahl der Deutschen, die Polen gegenüber freundlich gesinnt sind, stieg dagegen auf einem niedrigen Niveau leicht von 17 % auf 23 % an. Mittlerweile würden die Beziehungen mehr von einer gegenseitigen Gleichgültigkeit dominiert: 44 % der Polen und 57 % der Deutschen empfinden für den jeweiligen Nachbarn weder „Sympathie noch Abneigung“. In der Diskussion wurden mögliche Ursachen für die Verschlechterung der gegenseitigen Wahrnehmung zur Sprache gebracht und über Schritte hin zu einer erneuten Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses debattiert. Wenn der politische Streit der letzten Jahre sich negativ auf Sicht der Beziehungen ausgewirkt habe, so könne eine Verbesserung der politischen Beziehungen wiederum auch einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Beziehun-gen zwischen beiden Ländern haben.

Stephan Raabe

Leiter des Auslandsbüros Polen der Konrad-Adenauer-Stiftung

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