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Veranstaltungsberichte

Freiheit nicht nur wollen, sondern auch gestalten!

von Julia Rieger

Neusser Stadtgespräch mit Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.

Vor 30 Jahren gipfelte die friedliche Revolution in der DDR im Fall der Mauer und ermöglichte die Wiedervereinigung. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck erlebte die Zeit der Wende in der DDR und prägte diese und die Zeit danach besonders. Beim Neusser Stadtgespräch sprach er über seine Erlebnisse in der DDR und über die Zukunft.

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Zu Beginn begrüßte der Landesbeauftragte für NRW der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Ludger Gruber, das Publikum: „30 Jahre Mauerfall – Jubiläen sind eine Standortbestimmung, aber auch Aufrufe zu Zukunftsdebatten.“ Auch der Schirmherr der Veranstaltung, Hermann Gröhe MdB,  richtete das Wort an die Gäste: „Der Mauerfall war ein Wendepunkt – am Ende siegte die Freiheit.“

Wenn du von Freiheit träumst…
… „ist alles vollkommen und perfekt – wer ankommt, merkt aber, dass viel zu tun ist und man selbst Verantwortung übernehmen muss.“ So startet der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck in seinen Vortrag. Das Gefühl, Verantwortung zu tragen, verbindet er mit dem Erwachsenwerden: „Je erwachsener wir werden, desto mehr wird die Freiheit von etwas zur Freiheit zu etwas.“ Die Verantwortung sei die Freiheit der Erwachsenen. Die Gäste erleben an diesem Abend einen sehr persönlichen Gauck: Anhand seiner Geschichte bringt er den Besuchern das Leben in der DDR näher – und was es bedeutete, sich nicht anzupassen. Viele Menschen wollten sich das nicht antun und lebten nach der Devise: „Fürchte dich rechtzeitig, pass dich an, dann wird es dir gut gehen.“

Freiheit nicht nur für sich selbst
Gaucks Familie fügte sich nicht: Als evangelischer Pfarrer arbeitete Joachim Gauck viel mit Jugendlichen, um demokratischere Umstände zu erreichen: Das Ziel war zunächst ein Dialog mit dem Regime, um den Jugendlichen mehr Möglichkeiten zu geben. Doch dann gingen immer mehr Menschen auf die Straße: „Wenn die ersten Schritte in die Freiheit gemacht sind, ist der Rausch des Glückes groß.“ Und dann entstand eine Dynamik, die dazu führte, dass Joachim Gauck nach der ersten demokratischen Wahl nach dem Fall der Mauer das Wahllokal verließ – mit einer Träne auf der Wange. Er appelliert an die Menschen: „Ich werde nie eine Wahl verpassen. Ich habe 50 Jahre darauf gewartet, mit meiner Stimme jemanden wählen zu können.“

„Wir sind alle diktaturfähig“
Gauck geht auch auf das Thema Ungleichheit zwischen West- und Ostdeutschland ein. Es leben Generationen, die von 1933 bis 1989 „nie einen Klassensprecher gewählt haben, nie eine freie Presse gelesen haben und nie an freien Wahlen teilnehmen durften und dann auf einmal ist das möglich – dass das nicht funktioniert, ist klar“. Wir alle seien diktaturfähig, der Westen hatte nur „Glück, dass die, die über ihn kamen, Demokratie wollten.“ So gab es unterschiedliche Trainingsfelder für Demokratie – doch diese Unterschiede würden immer kleiner. „Wir sehen, dass immer mehr Menschen die Freiheit nicht nur wollen, sondern sie auch gestalten.

Werte und Rechtsstaatlichkeit ernst nehmen
Nach seinem Vortrag wird Gauck mit langem Applaus und Standing Ovations der über 500 Gäste geehrt. In der anschließenden Diskussion geht es um die Verschiebung des Diskurses nach rechts: „Wir brauchen eine tolerante Streitkultur, wo wir andere überzeugen wollen – aber der Andere ist kein Feind, sondern ein Teil der offenen Gesellschaft.“ Der Zuwachs, den rechte Parteien gerade hätten, würde „aufgrund von mangelnder Relevanz in Zukunftsfragen mit der Zeit aufhören.“ Eine Zuschauerin fragt, wo der Mut herkomme. Gauck betont, dass hier die Menschen untereinander wichtig sei und Orte an, denen sie außerhalb des Regimes zusammenkommen: „Jede Generation braucht eine Gruppe, die länger Hoffnung hat als die anderen.“

„Wir werden nie vergessen“
Angeregt von Gaucks Rede fragt ein Schüler, ob es möglich sei, dass es in Deutschland nochmal eine Diktatur gebe. Gauck schließt den Abend mit einem zuversichtlichen Blick in die Zukunft: „Wir können widerstehen, denn wir sind doppelt geimpft. Wir werden nie vergessen, und wir werden Wege finden, eine Diktatur zu verhindern.“
 

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