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Veranstaltungsberichte

Zwischen Angst und Aufklärung

Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Südosteuropa

Am 24. April 2018 veranstaltete das Rechtsstaatsprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zagreb gemeinsam mit der Kroatischen Katholischen Universität eine regionale Konferenz zur Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit in Südosteuropa, mit anschließender Podiumsdiskussion speziell zur aktuellen Debatte über Vergangenheitsaufarbeitung in Kroatien.

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Das Rechtsstaatsprogramm Südosteuropa (RSP SOE) der Konrad-Adenauer-Stiftung zielte durch die Durchführung dieser Veranstaltung darauf, Experten in der Vergangenheitsaufarbeitung aus verschiedenen Staaten des ehemaligen kommunistischen Blocks im Rahmen einer Fachkonferenz zusammenzubringen, um über die Erfahrungen ihrer Länder zu berichten und sich über Erfolge und Misserfolge institutioneller Initiativen austauschen zu können. Dabei wurden auch die Beschlüsse des durch die kroatische Regierung im März 2017 eingesetzten Rates für die Auseinandersetzung mit den Folgen nichtdemokratischer Regime vorgestellt, um auf diesem Weg einen Beitrag zur aktuellen Debatte in Kroatien zu leisten.

Die Veranstalter der Konferenz, Herr Prof. Dr. Željko Tanjić, Rektor der Kroatischen Katholischen Universität und Mitglied des kroatischen Rates für die Auseinandersetzung mit den Folgen nichtdemokratischer Regime, und Herr Hartmut Rank, Leiter des Rechtsstaatsprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest, verwiesen in ihren Einleitungs- und Begrüßungsworte auf die Wichtigkeit der kritischen Beschäftigung auch mit der jüngeren Geschichte. Herr Prof. Dr. Željko Tanjić forderte die Teilnehmer auf, die Konferenz als eine Gelegenheit für die kroatischen Entscheidungsträger sowie die breite Gesellschaft zur Schaffung institutioneller Rahmenbedingungen der Auseinandersetzung mit der kroatischen Geschichte in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wahrzunehmen. Die auf der Konferenz präsentierten Beispiele für institutionelle sowie gesetzliche Initiativen in Ländern mit ähnlichen Erfahrungen während der nichtdemokratischen Zeit mögen den Antrieb dafür schaffen.

Der Leiter des Rechtsstaatsprogramms SOE der Adenauer-Stiftung begrüßte die Initiative der kroatischen Regierung, einen Rat für die Auseinandersetzung mit der Erfahrung nichtdemokratischen Regimes einzusetzen. Die dadurch eingeleitete akademische Debatte habe der Gesellschaft und Politik des Landes einen Denkanstoß über institutionelle Ansätze der Vergangenheitsaufarbeitung gegeben.

Auch Herr Botschafter Thomas E. Schultze, Leiter der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Kroatien, unterstrich die Bedeutung der Konferenz in dem gegebenen Impuls für Dialog und Aufklärung der künftigen Generationen über die gesamte Geschichte. „Never again“ dürfe kein inhaltloser Slogan werden, sondern müsse Bürgerpflicht sein, hob Botschafter Schultze hervor. Das Vergessen stelle keine Option dar, hingegen seien Lehren aus der Vergangenheit mit Blick auf die Zukunft zu ziehen. Zwar sei kein Staat allein in der Fragestellung „Wie?“, dennoch müsse jedes Land seinen eigenen Weg finden. Er wünschte damit abschließend den Teilnehmern einen guten, offenen und mutigen Erfahrungsaustausch, denn Mut - und keine Angst - sei notwendig für jede Versöhnung.

Prof. Dr. Zvonko Kusić, Präsident der Kroatischen Akademie für Wissenschaften und Künste und zugleich Präsident des kroatischen Rates für die Auseinandersetzung mit den Folgen nichtdemokratischer Regime, stellte die Arbeitsergebnisse des Rates kurz vor, indem er darauf hinwies, dass dieser Rat die erste Institution sei, welche sich in dieser Form mit der Vergangenheitsaufarbeitung in Kroatien auseinandergesetzt habe. So wie der Name des Abschlussdokuments zeige, stellte die Arbeit im Rahmen des Rates einen Dialog zwischen akademischen Gruppen sowohl über normative Fragestellungen als auch über rechtliche Festsetzungen dar. Alle Ratsmitglieder hätten sich auf allgemeine Empfehlungen des Dokuments bezüglich Bildung und Kultur einigen können, während es über die rechtlichen Empfehlungen an staatliche Institutionen sehr unterschiedliche Standpunkte gegeben habe. Trotz dieser abweichenden Meinungen bewertete Herr Kusić die Arbeit des Rates als erfolgreich, was daran zu sehen sei, dass dieser Teil der Empfehlungen von beiden Seiten des ideologischen Spektrums angefochten wird.

Frau Dr. Jonila Godole, Leiterin des Instituts für Demokratie, Medien und Kultur in Tirana berichtete in ihrem Vortrag mit dem Titel „Unbewältigte Vergangenheit in Albanien: Zwischen Verdrängung und Aufarbeitung“ über die ersten Versuche der albanischen Behörden bei der rechtlichen Aufarbeitung des Kommunismus bis hin zur Verabschiedung eines Gesetzes im Jahr 2015 zur Aktenöffnung der ehemaligen Geheimpolizei „Sigurimi“. Das Gesetz ermöglichte 2016 die Einrichtung einer für den Zugang zu den „Sigurimi“-Akten zuständigen Behörde. Zwar erkenne Frau Godole die Wichtigkeit dieses Schrittes für die Aufklärung über die Grausamkeiten der Enver Hoxha-Herrschaft, betonte aber mehrmals, dass neben der rechtlichen Aufarbeitung insbesondere die Information der Jugend darüber und das gezielte Betreiben der Erinnerungskultur unabdingbar seien.

Im Verlaufe des Vortrages mit dem Titel „Vergessen? Verzeihen? Die Wahrheit suchen?“ von Frau Dr. Andreja Valič Zver, Leiterin des Studienzentrums für nationale Aussöhnung in Ljubljana erfuhren die Gäste über die Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit in Slowenien. Frau Valič Zver sieht die Reflexion der Vergangenheit als eine Notwendigkeit für die Entwicklung einer demokratischen europäischen Zukunft.

Nach einer kurzen Einleitung über die Einführung und letztendlich den Sturz des kommunistische Regime in Rumänien gab Herr Cătălin Constantinescu, Rechtsberater am Institut für die Untersuchung der kommunistischen Verbrechen und Erinnerung an das rumänische Exil und Doktorand an der Universität Bukarest zunächst einen kritischen Einblick in die rumänische Übergangsjustiz. Er erklärte, dass auch in Rumänien die Lustration fehlgeschlagen sei und die Vergangenheitsaufarbeitung nur moderate Ergebnisse gehabt habe, trotz zahlreicher eingesetzter Mechanismen.

Die zum teils persönliche Schilderung von Herrn Dr. Karsten Dümmel, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bosnien und Herzegowina, welcher in seiner Jugend von der SED-Diktatur als Staatsfeind angesehen wurde, über die gesellschaftlichen Erlebnisse in der damaligen DDR erregte die starke Aufmerksamkeit der Teilnehmer. In seinem Vortrag bezog sich Herr Dr. Dümmel auch auf das durch die Öffnung der Akten verschiedener DDR-Institutionen nun gegebene Licht in der Dunkelheit. Anhand der Diskussionsbeiträge anderer Referenten wurde klar, dass es eine vergleichbar weitreichende Öffnung nirgends gegeben habe, da häufig die Klarnamen-Listen bzw. -karten und weitere nicht mehr erhalten sind.

Die anschließende Podiumsdiskussion über die Erfahrung Kroatiens in der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit wurde von Herrn Dr. Tado Jurić, Dozent an Kroatische Katholische Universität, moderiert. Neben den bereits erwähnten Experten beteiligten sich an dem Gespräch auch Frau Višnja Starešina, Journalistin und Schriftstellerin aus Zagreb, Herr Prof. dr. sc. Aleksandar Jakir von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Split sowie Dr. Damjan Hančič, unabhängiger Forscher am Studienzentrum für nationale Aussöhnung in Ljubljana. Die Redner sprachen über die Herausforderungen, welche ihre Länder in der rechtlichen Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit erfuhren, nämlich u.a. das Scheitern der Lustration zum Teil aufgrund eines mangelnden Willens der politischen Elite, da viele der Entscheidungsträger selbst Parteimitglieder oder Funktionäre in den ehemaligen kommunistischen Regimes waren. Die Diskussionsteilnehmer teilten die Meinung, dass die alten Mentalitäten des kommunistischen Regimes noch heute vielfach präsent seien. Die Tatsache, dass die kommunistische Elite nach dem politischen Wechsel in mehreren Staaten Teil des Systems geblieben sei, gibt einen Ansatz der Erklärung für die gescheiterten Versuche der Lustration. Im Vergleich wurde noch einmal das deutsche Beispiel diskutiert, wo ehemaligen Mitarbeitern des MfS die Möglichkeit der Arbeit in staatlichen Funktionen versagt blieb. Herr Dr. Dümmel gab in der Diskussion zu bedenken, die Besonderheit der Situation der DDR habe im Bestehen der „großen Schwester“ - der Bundesrepublik Deutschland gelegen. Die kroatischen und weiteren südosteuropäischen Diskussionsteilnehmer äußerten ihre Überzeugung, dass ihre Länder mehr Kraft und Mühe in die Aufklärung und Bildung der künftigen Generation investieren und sich zu einer aktiveren Erinnerungspolitik verpflichten sollten.

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