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Veranstaltungsberichte

Demokratische Strukturen fördern

von Peter Sendrowicz, Dr. Gidon Windecker

Workshop zur Gestaltungskraft legislativer Kammern in Deutschland und Bahrain

Seit Gründung der Golfmonarchie spielt die Volksvertretung bei legislativen Prozessen in Bahrain eine bedeutende Rolle. Vor diesem Hintergrund kamen am 15. und 16. Februar zahlreiche Mitglieder des bahrainischen Schura-Rates zu einem gemeinsamen Workshop mit dem Regionalprogramm Golf-Staaten zusammen, um die Rolle parlamentarischer Gremien in legislativen Prozessen zu reflektieren. Die Abgeordneten des Oberhauses tauschten sich dabei mit zwei deutschen Parlamentarismusexperten über die Gestaltungskraft legislativer Kammern in Bahrain, Deutschland und Europa aus.

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Dies geschah kurz nach einem für das Königreich geschichtsträchtigen Datum. Der 14. Februar ist zum einen der Jahrestag der „National Action Charter“ von 2001 - einer neuen Verfassung, welche eine Nationalversammlung vorsieht und als Meilenstein auf dem Weg zu mehr demokratischer Mitbestimmung gesehen werden kann. Zum anderen entflammten zehn Jahre später, am 14. Februar 2011, Bürgerproteste, bei welchen es der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung um eine ausgewogenere Repräsentanz in Staat und Gesellschaft ging.

 

Während die Proteste immer wieder die westlichen Medien dominierten, gingen die bereits erreichten Fortschritte im Bereich parlamentarischer Mitbestimmung unter. Doch gerade diese haben eine lange Tradition in Bahrain und könnten einen Beitrag zu einer politischen Entspannung leisten, wie beim gemeinsamen Workshop deutlich wurde.

„Jedes Land hat seinen eigenen Weg, Gesetze zu gestalten“, erklärte der deutsche Botschafter Alfred Simms-Protz zu Beginn der Veranstaltung und betonte, dass jedes Land dies auch auf seine Weise tun müsse. Obwohl Bahrain ein Königreich ist, wurde in dem Golf-Staat schon früh ein komplexes legislatives System etabliert. Vertreter aus dem Oberhaus kamen nun zusammen, um sich unter dem Titel „The Role of Assemblies in Shaping Legislative Power“ über legislative Prozesse in Deutschland, Europa und in Bahrain auszutauschen.

 

Im Vergleich zu den anderen Golf-Staaten hat Bahrain schon sehr viel Vorarbeit geleistet, was die Gesetzgebungsprozesse betrifft. Als eines der ersten Länder hatte es einen gewählten Rat, was in erster Linie auf die konfessionelle Spaltung des Landes zurückzuführen ist. Zwischen ca. 60-70 % der Muslime in Bahrain sind Schiiten und stehen der sunnitischen Herrscherfamilie gegenüber. Dass dies Sprengkraft beinhaltet, war der Familie der Khalifa schon früh bewusst. Der Emir rief deshalb im Jahr 1972 einen konstituierenden Rat ins Leben, der zum Teil von den Bahrainis gewählt wurde. Gleichzeitig wurde der Familienrat der Al Khalifa zum offiziellen Exekutivorgan ernannt. 1973 einigten sich die Herrscherfamilie und der konstituierende Rat auf eine Verfassung, in deren Folge auch eine Nationalversammlung gewählt wurde. Diese bestand aus 30 Mitgliedern, welche die verschiedenen politischen Richtungen jener Zeit vertraten. Zwar ist jene Entwicklung als Fortschritt anzusehen, was die politische Teilhabe im regionalen Vergleich angeht, in den Folgejahren stellte sich jedoch heraus, dass es klare Grenzen für die politische Mitbestimmung der Volksvertretung gab.

 

 

Der Unmut darüber führte in den 90er Jahren zu Protesten, die schließlich vom Sohn des ersten Emirs beigelegt wurden, indem er 2001 die Bahrainis über die sogenannte „National Action Charter“ abstimmen ließ, welche mit einer Mehrheit von über 98 Prozent angenommen wurde. Neben mehr Bürgerrechten sah diese neue Verfassung zwei legislative Organe vor: das Repräsentantenhaus und den Schura-Rat. Beide Kammern bekamen umfangreiche Befugnisse. Zwar wird das Repräsentantenhaus seitdem alle vier Jahre gewählt, der Boykott der Wahlen durch die größte schiitische Oppositionspartei Al Wifaq seit 2011 stellt jedoch die Legitimation der Volksvertretung in Frage. Was den Schura-Rat betrifft, so ernennt der König dessen 40 Mitglieder, darunter auch Vertreter der christlichen und jüdischen Minderheit.

 

Dass die Mitglieder des Schura-Rates trotz unterschiedlichen religiösen Hintergrundes seit jeher Hand in Hand arbeiten, honorierte vor allem Nancy Dinah Elly Khedouri in ihrem Vortrag über die Tradition der legislativen Kammern im Königreich. Als Mitglied jüdischen Glaubens arbeitet Khedouri sowohl im Ausschuss für Auswärtige Politik, als auch in dem für Frauenrechte.

 

Die Teilnehmer des Workshops, darunter auch der Vorsitzende des Schura-Rates, Ali bin Saleh Al Saleh, und sein Stellvertreter, Jamal Mohamed Abdulrahman Fakhroo, verfolgten aufmerksam die Ausführungen der beiden deutschen Experten Dr. Katja Pohlmann, Referentin im Bundeskanzleramt, und Herrn Nico Lange, stellv. Leiter der Abteilung Politik und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung, zum legislativen Prozess in Deutschland und Europa.

 

Insbesondere die Rolle des Europäischen Parlaments als Volksvertretung und dessen Resolutionen gaben dabei Anlass zu Diskussionen. Denn schon fünf Mal hatte das Europäische Parlament Menschenrechtsverletzungen in Bahrain kritisiert, zuletzt in einer Resolution vom 4. Februar 2016 – 2016/2557(RSP). Anlässlich einer Todesstrafe, welche auf einem Geständnis basiert, das unter Folter zustande gekommen sein soll, mahnte das Parlament darin an, dass der Golf-Staat die Menschenrechte einhalten solle.

 

Eine solche Resolution sei jedoch nicht bindend für die Gesetzgebung der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und ginge auch nicht von den nationalen Regierungen Europas, sondern von gewählten Volksvertretern mit Parteizugehörigkeit aus, erklärte Nico Lange den Schura-Mitgliedern. Man müsse hier klar zwischen einer legislativen Empfehlung und den souveränen Entscheidungen einzelner europäischer Staaten unterscheiden. So seien die EU-Abgeordneten auch keine Vertreter der Regierungen, sondern repräsentierten die Interessen einzelner Parteien, sowie der Bürger, welche sie gewählt haben.

 

Obwohl es bei diesem Workshop um legislative Prozesse ging, kamen die Teilnehmer in den regen Diskussionen auch auf die wirtschaftliche Lage Bahrains zu sprechen. Das Land steht vor enormen Herausforderungen. Wie die meisten anderen Golf-Staaten ist Bahrain angesichts fallender Ölpreise mit großen Budget-Kürzungen konfrontiert. Mit diesen Einschnitten wird der Ruf nach Transparenz bei Staatsausgaben natürlich lauter, was jedoch auch als Chance für die beiden Kammern zu sehen ist. Schließlich ist es schon seit deren Gründung ihre Aufgabe, Bahrains Haushalt zu ratifizieren. Beide Kammern haben damit eine große Verantwortung und können so auch wirtschaftspolitisch wichtige Weichen für die Zukunft stellen. Volksvertretungen, in welchen ernannte und gewählte Abgeordnete gemeinsam über solch schwierige Entscheidungen wie den Staatshaushalt beraten, können durch diesen Prozess gestärkt werden. Denn wenn zwischen den legislativen Kammern einerseits und den Entscheidungsträgern der Exekutive andererseits Transparenz hergestellt wird, dann geht damit auch eine stärkere Legitimation der Legislative einher. Diese ist wichtig um ein demokratisches System weiter zu stärken.

 

Um neben der wirtschaftlichen Konsolidierung auch ein gutes gesellschaftspolitisches Klima zu schaffen, dürfe die bahrainische Jugend nicht vergessen werden, betonte Hala Ramzy Fayez, die Vorsitzende des Jugend- und Familienausschuss des Schura-Rates und Mitorganisatorin des Workshops. Immerhin seien fast 30 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahren alt. „Die Jugend ist die Schatzkammer unseres Landes“, sagte sie.

 

In einem waren sich die Teilnehmer des Workshops zuletzt einig. Zwar gebe es im Bereich politischer Teilhabe noch viel zu tun, um auch in Zukunft ein gesundes Staatsgebilde zu gewährleisten, was wiederum legislative Prozesse angeht, hat der Golf-Staat im regionalen Vergleich jedoch schon einiges erreicht. Dies birgt Potential für weitere Kooperationen zwischen dem Regionalprogramm Golf-Staaten, dem Schura-Rat und dem Repräsentantenhaus Bahrains.

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Kontakt

Philipp Dienstbier

Philipp Dienstbier

Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten

philipp.dienstbier@kas.de +962 6 59 24 150

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