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Veranstaltungsberichte

Rechtlicher Rahmen und Verwaltung des libanesischen Sektors für erneuerbare Energien

von Paul Saadeh

Workshop in Zusammenarbeit mit der Beobachtungsstelle für den öffentlichen Dienst und gute Regierungsführung (OFP) an der Universität Saint Joseph in Beirut (USJ)

Am Dienstag, den 4. Oktober 2022, organisierte das Rechtsstaatsprogramm Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Zusammenarbeit mit dem Observatorium für öffentlichen Dienst und gute Regierungsführung (OFP) an der Saint Joseph Universität ein eintägiges Seminar und eine Podiumsdiskussion über den rechtlichen Rahmen des libanesischen Sektors für erneuerbare Energien und dessen gute Verwaltung. Die Veranstaltung fand an der Saint Joseph Universität, am Campus der Sozialwissenschaften, statt.

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Um 9:00 Uhr begann die Konferenz mit einer Eröffnungssitzung, in der Professor Pascal Monin – der Direktor der Beobachtungsstelle für öffentlichen Dienst und gute Regierungsführung – feststellte, dass der Libanon nun in die Ära der erneuerbaren Energien eingetreten ist, eine Ära, in der die Beteiligung des Privatsektors in der erneuerbaren Energieerzeugung ebenso wichtig sei wie die Dezentralisierung der Mittel zur Erzeugung und Verteilung.

Philipp Bremer - Leiter des Rechtsstaatsprogramms Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung - stellte anschließend den Aktionsplan für den libanesischen Stromsektor vor, den die KAS in Zusammenarbeit mit dem Issam Fares Institut veröffentlicht hatte. Was dieser Aktionsplan jedoch nicht berücksichtige, so Bremer, sei der rechtliche Rahmen, auf dessen Grundlage ein solcher Sektor verwaltet werden solle, eine Lücke, die dieses Seminar schließen solle.

Anschließend betonte der Präsident des Verbandes libanesischer Ingenieure und Präsident des Ordens der Ingenieure und Architekten in Beirut, Aref Yasin, die zentrale Rolle des Ordens bei der Gestaltung des erforderlichen Rechtsrahmens durch die Festlegung einheitlicher, verbindlicher technischer Normen und die Teilnahme an speziellen parlamentarischen Ausschüssen und Unterausschüssen, die Vorschläge für eine Rechtsreform unterbreiten.

Sowohl der Rektor der Saint Joseph Universität, Prof. Salim Daccache, als auch der Vorsitzende des Arbeits- und Energieausschusses des libanesischen Parlaments, der Abgeordnete Sajih Atiyeh, hielten die abschließenden Eröffnungsreden, um die Bühne für die anschließenden Ausführungen des Generaldirektors des Lebanese Center for Energy Conservation (LCEC), Pierre Khoury, zu bereiten.


Das Seminar war in zwei Panels unterteilt:

Das erste Panel bestand aus Frau Carol Ayat (Energie- und Finanzexpertin und Senior Fellow am Issam Fares Institute), Dr. Hassan Harajli (CEDRO-Projektleiter und UNDP-Energieberater) und Frau Christina Abi Haidar (Rechtsanwältin und Spezialistin für Governance und Entwicklung sowie Umwelt- und Energierechtsexpertin). Dieses Panel befasste sich mit den Herausforderungen des Energiesektors zwischen Fakten und Gesetzen und wurde von Diana Al Kayssi, einer Expertin für Energie-Governance und Direktorin für zivilgesellschaftliches Engagement bei IRI, moderiert.

Die zweite Diskussionsrunde bestand aus Herrn Aref Yasin, Prof. Joseph El Assad (Berater des Libanesischen Zentrums für Energieeinsparung) und Herrn Ali Berro (Rechtsanwalt und Experte für Energierecht). Unter der Moderation der Energieexpertin Laury Haytayan wurden Lösungen und Zukunftsaussichten des Sektors diskutiert.
 

 

Das erste Panel: Die Herausforderungen des Energiesektors zwischen Fakten und Gesetzen

Frau Christina Abi Haidar

Frau Abi Haidar führte in das Thema ein, indem sie auf Dekret Nr. 16878 einging, das derzeit den grundlegenden rechtlichen Rahmen für die Erzeugung erneuerbarer Energien bildet und die individuelle Erzeugung und den Verbrauch abdeckt. Frau Abi Haidar forderte die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs Nr. 462/2002, der seit 20 Jahren im Parlament festhänge. Dieser Entwurf ziele u.a. darauf ab, eine Elektrizitätsregulierungsbehörde einzurichten und die Beteiligung des Privatsektors an der Energieerzeugung und -verteilung innerhalb der Electricité du Liban (EDL) zuzulassen (mit einer maximalen Beteiligungsquote von 49%). Frau Haidar sprach auch über den DRE-Entwurf (Verteilung von erneuerbaren Energien), der eine ergänzende Rolle zum Gesetz Nr. 462 spielen könnte, da letzteres die Verteilung nicht wesentlich behandelt.

Frau Carol Ayat

Frau Ayat vertrat einen eher finanziellen Ansatz, indem sie darauf hinwies, dass der Libanon das Pariser Abkommen unterzeichnet habe und im Jahr 2030 einen Anteil von 30 % an erneuerbaren Energien erreichen solle. Der Großteil der 350 Megawatt an erneuerbaren Energien, die im Libanon produziert werden, stammten jedoch aus kleinen Einzelprojekten, auf die sich die Menschen aus reiner Notwendigkeit verlassen würden. Jedes große Infrastrukturprojekt in diesem Bereich könnte Investoren anlocken, aber diese Investoren müssten von einem soliden Rechtsrahmen für die Verwaltung des EE-Sektors empfangen werden, um ihnen rechtliche Garantien für ihre Gelder und die damit verbundenen Risiken zu bieten und für eine gewisse Transparenz bei den Ausschreibungsverfahren zu sorgen. Abschließend schlug Frau Ayat vor, die Stromrechnungen zu digitalisieren, die Tarife anzupassen und das Inkassoverfahren zu verbessern, um die finanzielle Stabilität der EDL wiederherzustellen. Die Abstimmung über das Gesetz Nr. 462/2002 zusammen mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit dem IWF könnte ebenfalls dazu beitragen, das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen.

Dr. Hassan Harajli

Dr. Harajli gab den Zuhörern zahlreiche Empfehlungen und Beobachtungen, die auf wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnissen beruhen. Einige der wichtigsten Empfehlungen lauteten: Es werden nicht mehr fossile Kraftwerke benötigt. Diese seien derzeit ausreichend vorhanden, um eine angemessene Energiemenge zu liefern, wenn sie durch erneuerbare Alternativen und gasbetriebene Produktion unterstützt werden. Außerdem forderte er, dass die Preise und Tarife für die Verbraucher ebenso fair wie für die Anbieter nachhaltig sein sollten. Harajli forderte auch, dass Unternehmen, die sich auf erneuerbare Alternativen spezialisiert haben, über die entsprechenden Lizenzen und Zertifizierungen verfügen sollten. Schließlich schlug Dr. Harajli vor, dass mehr Erhebungen im Bereich der erneuerbaren Alternativen im Libanon durchgeführt werden sollten, um Forschung und Entwicklung zu fördern.

 

Das zweite Panel: Lösungen und Zukunftsaussichten

Herr Ali Berro

Herr Berro präsentierte den Zuhörern eine Trias, die den Sektor der erneuerbaren Energien regeln sollte: die politischen Entscheidungsträger, die Regulierungsbehörde für Elektrizität und die Privatwirtschaft. Alle drei sollten zusammenarbeiten, um den Menschen das bestmögliche Ergebnis bei der Energieerzeugung zu bieten. Berro erwähnte auch das "Net-Metering", ein System, bei dem Privatpersonen ihre überschüssige Energieerzeugung an die EDL abführen können, woraufhin die EDL die Überschüsse in Form von niedrigeren Stromrechnungen zurückzahlt. Schließlich forderte Herr Berro eine Änderung des Gesetzes zur Regulierung des Elektrizitätssektors, damit die Mitglieder der Regulierungsbehörde in Bezug auf ihre Gehälter und Leistungen zufrieden sind.

Prof. Joseph El Assad

Prof. El Assad wies darauf hin, dass es für die Wirksamkeit älterer Gesetze notwendig sei, ihnen neues Leben einzuhauchen, indem man den Rechtsrahmen aktualisiere. Er fügte hinzu, dass die durchschnittliche Zeit für die Verabschiedung von Energiegesetzen im Libanon viel länger sei als im weltweiten Durchschnitt (siehe die Situation des Gesetzes Nr. 462/2002). Prof. El Assad merkte jedoch an, dass erneuerbare Energien keine Lösung für die Energiekrise seien, sondern nur ein Teil der Lösung. Der Professor führte weiter aus, dass der Privatsektor und das Gesetz nicht übereinstimmen (wenn es um den Energiesektor geht), da die Bedürfnisse des ersteren die Lösungen des letzteren schnell überholt haben. Tatsächlich scheint das Vertrauen in den Staat für den Durchschnittsbürger immer geringer zu werden. Die Menschen würden nun erkennen, dass Veränderungen auf der individuellen Ebene beginnen und nicht von der Spitze der politischen Hierarchie ausgehen.

Herr Aref Yasin

Herrn Yasin zufolge ist der Verband der Ingenieure nach wie vor ein Dreh- und Angelpunkt im Bereich der Normung sowie der Prüfung vergangener, aktueller und zukünftiger Energieerzeugungsanlagen. Der Verband setzt sich für eine angemessene Ausbildung von Ingenieuren und Technikern ein, um eine hohe Qualität des Betriebs aller Anlagen für erneuerbare Energien zu gewährleisten. Herr Yasin hat die Städten und Gemeinden aufgefordert, die Anlagen für erneuerbare Energien zu prüfen und zu überwachen, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, ohne auf die Bestätigung der Aufsichtsbehörde warten zu müssen.

 

Fazit

Den Zuhörerinnen und Zuhörern wurde deutlich gemacht, dass die Verabschiedung einiger spezifischer Gesetze, die im Parlament festhängen, ein großer Schritt in die richtige Richtung wäre. Die Probleme des libanesischen Energiesektors sind nicht technischer, sondern politischer und rechtlicher Natur. Es existiert ein großes Potenzial bei der Energieerzeugung aus alternativen Quellen und das Land bleibt ein Beispiel für eine umweltorientierte elektrische Infrastruktur, die vielleicht sogar die Ziele des Pariser Abkommens zu gegebener Zeit erreichen wird. Jetzt, da die Menschen beschlossen haben, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, indem sie ihre eigenen Projekte für erneuerbare Energien verwirklichen, ist der Staat mehr denn je gefordert, einen angemessenen Rechtsrahmen zu schaffen, um zu gewährleisten, dass diese immer größer werdenden Projekte sicher, nachhaltig, effizient und gut reguliert sind.

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4. Oktober 2022
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