Vortrag
Details
„Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“,
lautet das bekannteste Missverständnis der Friedlichen
Revolution. Gerechtigkeit ist zwar ein hehres Ziel, aber
kaum jemand kann sagen, was man darunter versteht.
Menschen haben eher ein gutes Gespür für Ungerechtigkeiten.
Gerecht ist dann, was als gerecht empfunden wird!
Es hängt also von unseren Wertvorstellungen ab, wie
Gleichberechtigung, das Gebot der Nachhaltigkeit, die
Zukunft der Arbeit oder die Solidarität zwischen den
Generationen betrachtet werden.
Seit der Antike fordert die Tugend der Gerechtigkeit, dass
jedem das ihm Gemäße zukomme und er dieses als Recht
beanspruchen kann. Gerechtigkeit hat immer mit Verteilung
und gesellschaftlichem Ausgleich zu tun. Unter Gerechtigkeit
in der Gesellschaft verstand man dann das Prinzip einer
ausgleichenden Ordnung im Rahmen von Normen und
Gesetzen. Werden diese von einem absolutistischen
Herrscher vorgegeben, ist der Einzelne auch von dessen
Interessen abhängig. Da Gerechtigkeit auf Erden so nicht
zu erwarten war, hoffte man auf das Jüngste Gericht.
Wenn heute die soziale Gerechtigkeit besonders betont wird
entspringt das dem unerfüllbaren Wunsch nach der Gleichverteilung
des irdischen Glücks. „Soziale Gerechtigkeit
ersetzt das Heilige“, schreibt der Philosoph Norbert Bolz.
Das führt zur Zerstörung von Freiheit und Kreativität. Was
ist uns wichtiger: das Wohl der Gemeinschaft oder individuelle
Selbstverwirklichung? Alles, was eine vernünftige Politik
tun kann, ist Ungerechtigkeiten zu lokalisieren und Verfahren
zu entwickeln, diese zu lindern.
Gibt es noch ein gemeinsames Gerechtigkeitsverständnis in
unserer Gesellschaft? Wie aktuell sind Gerechtigkeitstheorien?
Sind unsere Wertvorstellungen geeignet, die Welt im
21. Jahrhundert zu gestalten?
Zusammen mit den Referentinnen und Referenten möchten
wir in der Reihe „Was ist gerecht?“ diesen Fragen nachgehen.
Dazu sind Sie herzlich eingeladen.
Dr. Joachim Klose
Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. für
den Freistaat Sachsen