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Veranstaltungsberichte

Arye Sharuz Shalicar in Sachsen

Der in Berlin aufgewachsene deutsch-israelische Politologe, Buchautor und Offizier Arye Sharuz Shalicar besuchte vom 25. bis 27. September 2018 mehrere Städte in Sachsen um zu referieren, diskutieren und sich auszutauschen.

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Zeit, um ins Gespräch zu kommen! Der neu-deutsche ANTISEMIT - Gehören Juden heute zu Deutschland?

„70 Jahre nach dem Holocaust frage ich mich, ob Juden heute zu Deutschland gehören und wie willkommen sie eigentlich sind,“ schreibt Arye Sharuz Shalicar in seinem neuen Buch. Er versucht, persönliche Antworten darauf zu finden – und er wirft Fragen auf.

In der Aula las er am 25. September vor ca. 200 Gästen zum ersten Mal aus dem druckfrischen Band. Er wählte eine Passage aus seiner Kindheit in Wedding. Arye Sharuz Shalicar wurde 1977 als Sohn persisch-jüdischer Eltern in Göttingen geboren. Die Familie zog nach Berlin, hier verbrachte er seine Kindheit. In Wedding, wo er das Diesterweg-Gymnasium besuchte, verstand er sich zunächst gut mit den dunkelhaarigen Jungs aus der Nachbarschaft – er sah aus wie einer von ihnen. Doch dann erlebte er den Nahostkonflikt als Jugendlicher – im Kleinen seiner Weddinger Welt. Muslimische Jugendliche terrorisierten und bedrohten ihn, nur weil er Jude war. Er verschaffte sich Respekt, machte mit Graffitis von sich reden und setzte sich in der gewaltbereiten Szene durch. Nach Abschluss des Abiturs und Bundeswehrdienstes folgte ein Studium an der Freien Universität Berlins. 2001 wanderte er nach Israel aus. An der renommierten Hebrew University in Jerusalem absolvierte er ein Studium der Internationalen Beziehungen, Nahost-Studien sowie der Europastudien mit Auszeichnung. Bis 2016 wirkte Shalicar als offizieller Sprecher der israelischen Armee – seither amtiert er als Direktor für Auswärtige Angelegenheiten im Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des israelischen Ministerpräsidenten.

Unter dem Eindruck der Lebensgeschichte des Autors führte Jakob Kullik, Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung, in die Diskussionsrunde ein. Die Zuhörer stellten spannende Fragen zu den deutsch-israelischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart. Diskutiert wurde, wo die Grenze zwischen Kritik am Staat Israel und Antisemitismus sei. Hitzige Debatten gab es auch über aktuelle Fragen: die Migration oder das Erstarken des Extremismus in Deutschland. Mit Blick auf die Herausforderungen bei der Integration von Neuankömmlingen unterstrich Arye Sharuz Shalicar, wir müssen aus der Vergangenheit lernen. Parallelgesellschaften sorgen für Konflikte und seien Ausgangspunkt für neuen Extremismus. Gute Integration gelingt nur durch Einbindung in die Gesellschaft. Ein Abend, der mehr Fragen aufwarf, als er beantworten konnte. Gerade die intensiven Debatten an den darauffolgenden Schultagen zeigten: „Schule im Dialog“ hat für Diskussionsstoff gesorgt. Wir sind ins Gespräch gekommen. Ein wichtiges, notwendiges Zeichen, in Zeiten, in denen wir mehr Dialog in unserer Gesellschaft brauchen!

„Der neu-deutsche Antisemit. Gehören Juden heute zu Deutschland? Eine persönliche Analyse“

Am 26. September 2018 fand eine neue Ausgabe der Muskauer Schlossgespräche statt. Im Festsaal des Schlosses versammelten sich rund 80 Gäste, um den Ausführungen des Referenten Arye Sharuz Shalicar zu seinen Erfahrungen mit Antisemitismus und der Situation Israels zuzuhören.

Zu Beginn stellte er fest, dass sich die Situation merkwürdigerweise umgekehrt hätte. Sicherheitsbedenken müsse man – aus seiner Perspektive – nun haben, wenn man nach Deutschland reise und nicht mehr bei Israel-Reisen. Durch die permanente Bedrohungslage in Israel sei das Land so gut wie kein anderes auf Angriffe vorbereitet. Israel sei sicher.

Antisemitismus gab es bereits in den 1990er Jahren, als Shalicar in Berlin aufwuchs. Aufgrund dieser Erfahrungen entschied er sich mit 23 Jahren einen Neustart in Israel zu wagen. Seine gesamte Familie blieb in Deutschland. Zu heute hat sich also nichts Schwerwiegendes geändert. Es gäbe nur eine erneute „Welle“ und dadurch mehr Aufmerksamkeit für Antisemitismus. Shalicar unterscheidet allerdigns zwischen dem Antisemitismus deutscher Rechtsradikaler und dem muslimischer Mitbürger/Migranten aus dem Nahen Osten. Die meisten Personen, die sich antisemitisch äußern, würden Juden nicht persönlich kennen. Antisemitismus sei auch nicht rational erklärbar, er werde entweder historisch „vererbt“ oder wie im Nahen Osten u. a. durch Staatsmedien indoktriniert. („Juden töten Muslime.“) Einige seiner muslimischen Freunde hätten sich in seinen Berliner Schulzeiten von ihm abgewandt, als sie herausfanden, dass er Jude ist. Diese schmerzhafte Erfahrung präge ihn bis heute.

In seinen Ausführungen bezog sich Shalicar auch auf die Darstellung Israels in deutschen Leitmedien. Besonders erwähnte er dabei den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung, die ein spezielles Narrativ verfolgen würden. Die Berichterstattung würde in dem Fall immer Israel als den aktiven, den angreifenden Part darstellen. Auch die Assoziation mit „David und Goliath“ sei kontrovers. In deutschen Medien werde Palästina oft als David dargestellt und Israel als der „böse Goliath“. Aus israelischer Perspektive sei es genau umgekehrt, denn Israel stehe allein gegen die muslimischen Länder der Region. In diesem Zusammenhang kritisierte Shalicar außerdem einen Großteil der Auslandskorrespondenten in Israel, die ohne Sprachkenntnisse und (bspw. militärisches) Know-How über die Region nach Deutschland berichteten. Besonders die Sprachkenntnisse seien wichtig, die Situation vor Ort ungefiltert wahrnehmen und beurteilen zu können. Dazu gehöre auch das Bereisen des Landes. Tel Aviv nicht zu verlassen und somit auch persönlichen Kontakt zur Bevölkerung nur eingeschränkt zu ermöglichen, sei keine Option.

Der Referent verfiel immer wieder auch in einen Appell an die Anwesenden, antisemitische Äußerungen und Taten nicht zu tolerieren und zuzulassen. Gleichzeitig ermutigte er die Deutschen „die Narbe“ des Nationalsozialismus abzulegen und nach vorne zu schauen. Die heutige Generation habe keine Schuld an den damaligen Verbrechen und diese Vorbelastung würde auch das Aufeinander-Zugehen erschweren.

In der anschließenden Publikumsdiskussion berichteten die Teilnehmer von ihren Erfahrungen mit Israel. Die unterschiedliche Wahrnehmung des Konflikts zwischen Israel und Palästina wurde noch einmal deutlich als eine Dame von einigen Flüchtlingen berichtete, die sie betreue, und die von Palästina als besetztem Land berichten. Diese Darstellung lehnte Shalicar vehement ab, die erwähnte Stadt Nablus sei „judenfrei“. Es gäbe keine Rechtfertigung Palästina als besetzt zu betrachten. Außerdem wurde von verschiedenen Seiten beklagt, dass „Jude“ auch heute noch ein gängiges Schimpfwort im Sport sei. Shalicar – der sich während des Gesprächs immer wieder gegen Pauschalisierung ausgesprochen hatte - wurde von den Teilnehmern abschließend auf verschiedene kleine Projekte und Initiativen für die Verständigung mit Israel hingewiesen und gebeten, das Bild von Deutschland nicht komplett schwarz malen zu lassen.

Artikel der Sächsischen Zeitung

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