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Veranstaltungsberichte

Die verbrannten Dichter

Gerd Berghofer liest am Friedrich Hecker-Gymnasium Radolfzell

80 Jahre nach der "Machtergreifung" Adolf Hitlers. Gerd Berghofer, Vortragskünstler, Rezitator und Schriftsteller ist auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg zu Gast im Friedrich-Hecker-Gymnasium Radolfzell. Im Foyer ist eine große Bühne aufgebaut, die mit einer schlichten grauen Plane abgedeckt ist. An die 150 Schülerinnen und Schüler finden sich ein und lassen sich auf ein Experiment ein. Über 70 Minuten hören sie konzentriert zu.

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Berghofer lässt die Schicksale jener Autoren lebendig werden, deren Werke am 10. Mai 1933 von den Nationalsozialisten in einer pompösen Inszenierung an deutschen Hochschulen verbrannt wurden, nur drei Monate nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde. Er zitiert aus ihren Werken, beschreibt ihr Leben und ihre Marotten. Er entreißt sie dem Vergessen.

Bekannte Namen fallen, wie der Erich Kästners, der Deutschland nicht verlassen hat, weil er seine kranke Mutter nicht alleine lassen wollte. Als einziger ließ er es sich nicht nehmen, in Berlin der Verbrennung seiner eigenen Bücher durch Joseph Goebbels beizuwohnen. Nur sein Kinderbuch „Emil und die Detektive“ durfte weiterhin gelesen werden und rettete ihn vor weiteren Drangsalierungen. Als Schriftsteller im inneren Exil fühlt er sich als „lebendiger Leichnam“.

Auch von heutztage weniger bekannten Schriftstellern ist die Rede, wie von Erich Mühsam, der in Haft buchstäblich zu Tode geprügelt wurde.

Oder vom Parade-Bayern Oskar Maria Graf, der offen die Verbrennung seiner Werke forderte, um gegen den Ungeist der Nazis zu protestieren, und rechtzeitig in die USA fliehen konnte.

Auch der expressionistischen Lyrikerin Else-Lasker-Schüler, die ihr buntes Liebesleben in glühende Gedichte verwandelte, gelang noch die Flucht. Ihre Lesungen inszenierte sie mit Vorliebe bei Kerzenschein. In wallenden Gewändern, mit einem Dolch im Gürtel, begleitete sie sich zuweilen selbst auf der Blockflöte. Auch sie – eine der bekanntesten Lyrikerinnen deutscher Sprache – ist völlig verarmt im Exil gestorben.

Der heute nahezu unbekannte Reiseschriftsteller Armin T. Wegner hatte einen beispiellosen Brief an Adolf Hitler persönlich verfasst, in dem er sich offen für seine jüdischen Schriftstellerkollegen einsetzte. Wegner wurde in eines der berüchtigten Arbeitslager im Emsland deportiert, wo er unter unmenschlichen Bedingungen Torf stechen musste. Unter ungeklärten Umständen hat er es irgendwie aus dem Lager geschafft. Auch er wurde im Exil nicht glücklich.

Lion Feuchtwanger, der es Dank der hohen Auflagen seiner Romane zu einigem Wohlstand gebracht hatte, schrieb aus dem Exil einen bitterbösen Brief an den unbekannten neuen Bewohner seiner Villa, in dem er die Dreistigkeit des deutschen Fiskus vorführte, der die Frechheit besaß, zuerst seinen Besitz zu enteignen und dann auch noch die Abzahlung der Schuldzinsen von ihm einzufordern.

Eine ganze Generation von Schriftstellern wurde vertrieben, kaltgestellt oder ausgelöscht. Nicht wenige wählten im Exil den Freitod. Die Bücherverbrennungen, die ausgerechnet an den Universitäten des Landes in Szene gesetzt wurden, waren nur der Anfang. Am Ende wurden Menschen verbrannt.

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Thomas Wolf

Thomas Wolf

Leiter Regionalbüro Südbaden des Politisches Bildungsforums Baden-Württemberg

thomas.wolf@kas.de +49 761 156 4807-2 +49 761 156 4807-9

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