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Länderberichte

Thailands Krisen

von Dr. Lars Peter Schmidt †
Politische Analyse, Frankfurter Neue Presse, 12.08.2006

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Thailands Krisen

Seit 10 Monaten befindet sich Thailand in einer politischen Dauerkrise, in deren Mittelpunkt der derzeitige geschäftsführende Ministerpräsident Thaksin Shinawatra steht. Um ihn hat sich ein Streit entfacht, der teilweise karnevalistische Züge trägt. Thaksin, der es als erfolgreicher Unternehmer mit seiner Telekommunikationsfirma zu Reichtum brachte, ist seit 2001 Regierungschef. Seine Regierungszeit steht für Kontinuität. Als erster Ministerpräsident Thailands war es ihm gelungen, nicht nur über eine Wahlperiode hinweg sein Amt auszuüben, sondern im Februar 2005 erfolgreich (mit 60% der abgegebenen Stimmen) wieder gewählt zu werden. Thaksin steht für einen liberalen Wirtschaftskurs, der Thailand nach der verheerenden Wirtschaftkrise Ende der 90er Jahre stabilisierte. Innenpolitisch schaffte er es mit harten Methoden das Drogenproblem unter Kontrolle zu bringen. Außerdem steht seine Politik für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen und bisher unterentwickelten Regionen im Norden und Osten Thailands. Hier befindet sich auch die Mehrheit seiner Wähler.

Seine Politik verkaufte Thaksin teilweise mit zu viel Populismus. Politische Rivalen wurden nicht mit Glacéhandschuhen angefasst. Das widersprach der eher harmoniebedürftigen thailändischen Seele, so dass er sich schon 10 Monate nach seinem zweiten Wahlsieg mit in wöchentlichen Abständen größer werdenden Massendemonstrationen – die seine Absetzung forderten - konfrontiert sah. Den Widerstand gegen Thaksin organisieren vor allem Intellektuelle, Altlinke und die Kulturszene aus Bangkok, die seinen Politikstil ablehnen, ihm Korruption vorwerfen und seine Wiederwahl nicht verkraftet haben.

Von der im Februar gegründeten außerparlamentarischen Opposition, geführt von Thaksins früheren Weggefährten, dem Medienmogul Sondhi Limthongkul - ist außer einer fast schon irrational anmutenden Thaksin-Phobie keine politische Lösung zu erwarten. Die Demokratische Partei ist verschlissen und hat zurzeit noch keine ernstzunehmende politische Führungsfigur und ist daher kaum regierungsfähig. Im Februar 2006 eskalierte die Lage, nachdem Thaksins Familie – juristisch legal, moralisch zweifelhaft – ihre Geschäftsanteile an eine aus Singapur stammende Holding für 1.8 Mrd. US$ verkaufte.

Die daraufhin ausgeschriebenen Neuwahlen sollten als Befreiungsschlag fungieren. Thaksins Partei Thai Rak Thai gewann zwar die Wahlen, befand sich anschließend aber alleine im Parlament, da die Oppositionsparteien die Wahlen boykottierten. Zwei Tage später trat Thaksin nach einer Audienz beim König zurück, drei Wochen danach wurden die Parlamentswahlen vom 2. April für ungültig erklärt. Seitdem wird Thailand von einer Übergangsregierung verwaltet, und in anhaltenden Medienkampagnen schieben sich die politischen Akteure die Verantwortung der Krise zu. Die politischen Diskussionen, die diesen Prozess begleiteten, wurden mit großen Emotionen geführt. Alles kristallisierte sich in ein „Für“ oder „Gegen“ Thaksin. Unterbrochen wurde das Polittheater nur durch die Feier zum 60.-jährigen Thronjubiläum des thailändischen Königs. Nach weiteren juristischen Auseinandersetzungen – zwischenzeitlich laufen vor dem Verfassungsgericht Verbotsverfahren gegen beide großen politischen Parteien und die gesamte Wahlkommission wurde am 25. Juli 2006 wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten zu vier Jahren Haft verurteilt - wurden schließlich durch den König Neuwahlen für den 15. Oktober 2006 ausgeschrieben. Die Demokratische Partei hat inzwischen ihre Teilnahme zugesagt, offen ist noch die Frage der erneuten Kandidatur Thaksins. Meinungsumfragen gehen derzeit davon aus, dass die Thai Rak Thai immer noch bei ca. 50% der Stimmen liegt. Hoffnung besteht, dass die Wahlen Thailand zur Stabilität verhelfen.

Das ist auch nötig. Denn das monatelange politische Vakuum belastet die thailändische Wirtschaft immens. Der sehr hierarchisch strukturierte Staatsapparat ist ohne Regierung nicht in der Lage, Entscheidungen zu fällen, was wirtschaftliche Aktivitäten lähmt und Unternehmen von Investitionen abhält.

Außerdem ist die eigentliche Krise, nämlich der durch eine Mischung von islamischen Fundamentalismus und nationalistischen Bestrebungen motivierte Terrorismus in den thailändischen Südprovinzen völlig aus dem Blickfeld geraten. Alleine in den letzten zwei Jahren starben bei Terroranschlägen 1468 Menschen (davon 293 in diesem Jahr); weit über 2000 wurden verletzt. Die Situation erreichte ihren bisherigen Höhepunkt im Oktober 2005, als 14 buddhistische Mönche von islamischen Extremisten geköpft wurden. Zwar hat die durch Thaksin ins Leben gerufene und paritätisch besetzte National Reconciliation Commission vor wenigen Tagen ein umfangreiches Ergebnis ihrer einjährigen Arbeit vorgelegt. Bedauerlicherweise ist dies jedoch in der öffentlichen Debatte fast völlig untergegangen. Es besteht weiterhin ein großes Risiko, dass diese Auseinandersetzung in die benachbarten – von Touristen sehr beliebten – Provinzen Krabi und Phuket getragen wird. Spätestens dann wird diese Problematik auch Europa erreichen.

Dr. Lars Peter Schmidt

Leiter der Konrad Adenauer Stiftung in

Bangkok/Thailand

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