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„DenkTag“ - Erinnerung bedeutet Zukunft

Die junge Generation und der 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

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Zeitzeugengespräche mit Dr. Evelina Merová (Prag)

Erfurt (31.01.-02.02.2005)

Im Rahmen des Denktag-Projektes der Konrad-Adenauer-Stiftung weilte Anfang Februar 2005 die Zeitzeugin Dr. Evelina Merová in Erfurt. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Bildungswerks Erfurt berichtete sie am Evangelischen Ratsgymnasium, am Albert-Schweitzer-Gymnasium, an der Regelschule 23 sowie an der Ulrich-von-Hutten-Regelschule über ihr Schicksal im Dritten Reich. Unterstützt wurde die Reihe von Angeordneten des Thüringer Landtages.

Evelina Merová (geb. Landová) begann ihren Zeitzeugenbericht mit einem Film über das Ghetto Theresienstadt. Hier musste sie anderthalb Jahre ihrer Jugend verbringen, nachdem die Familie aus dem besetzten Prag vertrieben worden war. In ihrer Heimat lebte die Familie in guten Verhältnissen, der Vater war als kleiner Unternehmer aktiv. Das Judentum praktizierten die Landovas nicht, doch aufgrund der Nürnberger Rassegesetze galten sie als Juden und wurden systematisch entrechtet: Juden durften keine Haustiere besitzen, mussten Skier, Radiogeräte sowie alle wertvollen Gegenstände abgeben, durften nicht Straßenbahn fahren oder in Parks, ins Theater bzw. ins Kino gehen. Den jüdischen Kindern war der Schulbesuch untersagt – außer der jüdischen Schule.

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Dr. Evelina Merová berichtete an Erfurter Schulen über ihr Schicksal im Dritten Reich.

Schulunterricht gab es auch in Theresienstadt, allerdings von den Häftlingen selbst organisiert. Gleiches galt für Kultur, denn nur so konnten die inhaftierten Menschen in dem schrecklichen Lageralltag ihren Lebenswillen erhalten. Von den Nationalsozialisten wurden die Konzerte der Häftlinge zunächst untersagt, später toleriert und sogar gefördert. Schließlich ließ sich dies für Propagandazwecke ausnützen, denn die NS-Funktionäre stellten Theresienstadt als „Musterlager“ dar, verkauften wohlhabenden deutschen Juden gar angebliche Plätze in einem „Reichsaltersheim“.

Im Dezember 1943 wurde die Familie mit Viehwaggons ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Allmählich erfuhren die Häftlinge, welches Schicksal ihnen drohte, denn ein vorheriger Transport wurde komplett vergast. Auch Evelinas Schwester und deren Kind vielen dem Massenmord zum Opfer; der Vater und die Großmutter starben 1944 an Tuberkulose. Im Juli 1944 selektierten die SS-Ärzte Evelina und ihre Mutter als „arbeitsfähig“ und ließen sie in ein Außenlager des KZ Stutthof deportieren. Hier mussten sie schwere Arbeit leisten, u.a. Panzergräben ausheben. Die Mutter verstarb an Erschöpfung.

Für das Mädchen nahte Rettung in Form der Roten Armee, doch das Heranrücken der feindlichen Truppen löste bei den SS-Wachmannschaften Panik aus und sie töteten fast alle Häftlinge. Evelina hatte jedoch ihre Füße erfroren und hielt sich im Stroh versteckt. Dieser Umstand rettete ihr das Leben – nach wenigen Stunden kamen Sowjetsoldaten. Ein russischer Kinderarzt – Dr. Mer – adoptierte das Mädchen und nahm es mit in seine Heimatstadt Leningrad. Dort begann das neue Leben von Evelina Merová, der die Nationalsozialisten die Kindheit gestohlen hatten. Sie ging wieder zur Schule, studierte Germanistik und war als Dozentin tätig. 1995 kehrte sie in ihre Heimat nach Prag zurück.

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Dr. Evelina Merová am Evangelischen Ratsgymnasium Erfurt.

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