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Veranstaltungsberichte

„Geschichte Thüringens – Thüringer Schlösser und Burgen“

Exkursionsseminar

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Nach Eröffnung der Veranstaltung und Begrüßung durch den Tagungsleiter sprach der Direktor der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Prof. Dr. Paulus zum Thema Einheit in der Vielfalt - Thüringens dynastische Wurzeln spiegeln sich im kulturellen Erbe der Residenzen. Er stellte die Bedeutung der polyzentristischen Struktur Thüringens für die Geistesgeschichte, Identität und das staatliches Selbstverständnis des Landes in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die Verdichtung der Residenzen vom 16. bis 18.Jahrhundert in Thüringen habe eine in Deutschland einzigartige Kulturlandschaft hervorgebracht, in der durch die Vielzahl der Repräsentations-, Kultur und Bildungseinrichtungen bedeutende und wichtige Beiträge zur deutschen Geisteskultur geleistet wurden. Darüber hinaus zeigte er im Rahme seiner Powerpoint-Präsentation am Beispiel mehrerer Fürstentümer auf, dass die besondere Nähe zwischen Hof und Bürgertum in Thüringen eine höhere gesellschaftliche Durchlässigkeit und Kreativität über Standesgrenzen hinweg ermöglicht habe. Ein für Deutschland einmaliges „Band der Residenzen der Aufklärung“ habe, so Prof. Dr. Paulus zu einer engen Verknüpfung zwischen Kulturlandschaft und politischer Landschaft geführt und intensive soziale, politische, intellektuelle und künstlerische Austauschprozesse ausgelöst.

Auf diesen Gedankengang bezog sich am folgenden Vormittag Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. In seinem einleitenden Vortrag hob er die Rolle Gothas als ein europäisches Zentrum der Aufklärung hervor, das vom Hof Sachsen-Gotha-Altenburg getragen, die besondere Wertschätzung Voltaires genoss. Im Verlauf der kommentierten Führung durch das Schloss Friedenstein erkannten die Teilnehmer/innen, dass die Weimarer Klassik ohne die Gothaer Aufklärung nicht möglich gewesen wäre. Deutlich wurde herausgearbeitet, dass Gotha gemeinsam mit anderen thüringischen Fürstentümern den dichtesten Bestand an historischen, auf den Humanismus zurückreichenden Bibliotheken im deutschsprachigen Raum aufweist. Jens Scheffler, Leiter der Parkverwaltung Schlosspark Gotha, rundete das Vormittagsprogramm mit einer kommentierten Führung durch den Schlosspark ab. Er erläuterte der Seminargruppe, dass sich die Geisteswelt der aufgeklärten fürstlichen Häuser auch in der anspruchsvollen Anlage und Architektur von Schloss- und Landschaftsgärten artikulierte, die in der Vergangenheit als Veranstaltungsorte für kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse dienten - eine Funktion, die ihnen heute auch der demokratische Staat zuweist, wie auch Schlösser gesellschaftliche Fixpunkte sind, die das Wesen der Region verkörpern.

In Rudolstadt informierte Dr. Lutz Unbehaun, Direktor des Thüringer Landesmuseums Schloss Heidecksburg, die Teilenhmer/innen über das Fürstentum Schwarzburg, das die thüringische und die deutsche Geschichte in besonderer Weise prägte. Zum Thema Das Barockschloss Heidecksburg - Historie und Führung trug Dr. Unbehaun die historischen und künstlerischen Aspekte vor und verband auf diese Weise Ästhetik mit Politik. Denn der Ausbau der Hauptresidenz der Schwarzburger ab 1735 zu einem der größten und schönsten Barockschlösser Deutschlands und zu einem Musterbeispiel einer Rokoko-Residenz erfolgte in Konsequenz der gestiegenen Repräsentationsansprüchen des 1710 endgültig in den Reichsfürstenstand erhobenen Fürstenhauses.

Diesen Aspekt griffen die Kunsthistorikerin Kristine Glatzel und Prof. Dr. Helmut-Eberhard Paulus am Sonntagvormittag auf der Schwarzburg wieder auf. Der Stammsitz der Schwarzburger ist ein aufschlussreicher Ort deutscher Geschichte, u.a. bedingt durch die Regierungszeit von Günther XXI., der auch römisch-deutscher Kaiser war und die Tatsache, dass die in Weimar beschlossene erste demokratische Verfassung Deutschlands von Reichspräsident Ebert auf der Schwarzburg unterzeichnet und in Kraft gesetzt wurde. Die Führung auf der Schwarzburg und Vortrag im Kaisersaal thematisierte auch die unvollendeten und fehlerhaften Umbauarbeiten der Nationalsozialisten, die auf die Errichtung eines „Reichsgästehauses“ zielten und die Burg als Ruine zurückließen. Ziel sei es, so Prof. Dr. Paulus, das Gebäude weitestgehend in Stand zu setzen, zu restaurieren und es einer neuen Verwendung zuzuführen. Die Gruppe diskutierte mit Blick auf die vor Ort erfolgte Unterzeichung der Weimarer Verfassung, der Burg die Bedeutung eines „Hambacher Schloss des Ostens“ zu geben.

Der Vortrag von Prof. Dr. Paulus im Kaisersaal nahm seinen Ausgang an den Gemälden und Stuckmedaillons römischer und deutscher Kaiser und Könige, mit denen einst der dynastische Anspruch der Schwarzburger und die Legitimation ihrer Erhebung in den Reichsfürstenstand untermauert werden sollte. Im Rahmen eines Vortragsgespräches entwickelte der Referent den Appell, den Thüringer Schatz an Residenzen, Traditionen und das reiche kulturelle und geistige Erbe als Gesamtheit zu fördern und zu vermitteln, um dem gegenwärtigen Trend abnehmender und sich wandelnder Allgemeinbildung und der Konzentration auf Einzelsehenswürdigkeiten entgegen zu wirken. Im Abschlussgespräch wurde dieser Gedanke seitens der Teilnehmer/innen untermauert, die eine gelungene Verknüpfung staatlich-kultureller Vielfalt und die daraus entwickelte gemeinsame Identität und Vernetzung eines Landes vieler eigenständiger Residenzen den Vorzug gegenüber einem zentralistisch organisierten und einheitlich strukturierten Nationalstaat gaben.

Der Aufbau der Veranstaltung in Form eins Exkursionsseminars fand große Zustimmung und Anklang bei den Teilnehmenden und Referenten, die sich einhellig für eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe aussprachen.

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