Kein Thema hat die politische Agenda im Jahr 2020 so geprägt wie das Thema Corona und dementsprechend hitzig sind auch die Debatten darum. Die Polarisierung und die Hysterie mancher Debattenbeiträge schließt dabei krude Weltverschwörungserzählungen, Leugnung der Existenz des Coronavirus und abstruse Geschichtsvergleiche mit Anne Frank mit ein. Wie also umgehen mit faktenbefreiten und irrationalen Argumenten und Diskussionspartnern? Wie lässt sich berechtigte Kritik von haltlosen Schwurbeleien unterscheiden? Um diese Fragen besser zu beleuchten, hat das Sonderprojekt „Gemeinsam.Demokratie.Gestalten.“ des politischen Bildungsforums Thüringen am 16. Dezember 2020 ein Onlineseminar unter dem Titel „Corona-Leugner oder Demokratiekämpfer? Wie man Schwurbelei von Kritik unterscheidet“ veranstaltet. Eingeladen als Referent war der Diskursanalytiker und Logikexperte Dr. Thomas Thielen.
Eröffnet wurde das Onlineseminar durch den Referenten der Konrad-Adenauer-Stiftung Tim Jonas Beyer, welcher auch kurz die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung vorstellte. Thielen, der selbst studierter Altphilologe ist, verwies zu Beginn darauf hin, dass sich viele Argumentationsstrukturen heutiger Populisten schon in den Texten der griechischen Philosophen wiederfänden. Ein Blick in diese alten Schriften sei daher allemal hilfreich, um populistische Argumentationsstrukturen zu durchschauen. Als ersten zentralen Punkt empfahl Thielen den Zuschauern in einer Diskussion nicht nur das Argument selber, sondern auch den Rahmen und die Vorrausetzung dieses Argumentes zu betrachten. So würden zu oft Methapern wie Flüchtlingswelle, Corona-Verschwörung etc. von Populisten übernommen. Ebenfalls machte Thielen deutlich, dass populistische Bewegungen wie die „Querdenker“ kein eigenes Programm oder gemeinsame Gestaltungsvorstellungen hätten. Oft sei es nur das gemeinsame Feindbild von „denen da oben“, „dem Establishment“ und „der Lügenpresse“ das solche Strömungen verbinde. Thielen ermutigte die Zuschauer dazu, solche Gesprächspartner nicht mit ungefähren Begriffen davonkommen zu lassen, sondern vielmehr müsse man durch Nachfragen immer wieder aufzeigen, dass diese Populisten keine konkreten Lösungen oder kohärente Ideen besäßen. Ebenfalls machte er deutlich, dass es keinen Sinn mache zu versuchen, einen „Querdenker“ zu überzeugen. Deren Meinung, welche er als Dogmatismus beschrieb, sei unzugänglich für jede Form von Argumenten. Ziel könne es daher nur sein, die Selbstwidersprüche der „Querdenker“ in der Öffentlichkeit zu entlarven, um so Mitleser und Mithörer für deren Argumente immun zu machen. Im dritten Abschnitt beschäftigte sich Thielen näher mit Wissenschaftstheorie. Dabei verdeutlichte er, dass Naturwissenschaft nicht in der Lage sei, Aussagen zu verifizieren, sondern sie lediglich zu falsifizieren. Deshalb ließe sich der Klimawandel oder die Existenz des Coronavirus in einer Diskussion auch nicht beweisen, allerdings könne die Wissenschaft sehr gute und stichhaltige Argumente liefern. Um die Qualität einer wissenschaftlichen Hypothese zu überprüfen, müsse man ihre Validität, Reliabilität und Objektivität prüfen. Im Anschluss verdeutlichte Thielen seine Aussagen noch einmal an von den Zuschauern gewählten Beispielen. So wurden Argumente gegen Aussagen wie, „Wir haben keine Übersterblichkeit“, „Corona ist nur eine gewöhnliche Grippe“ und „das Virus existiert nicht“ etc. besprochen. Im letzten Abschnitt ging Thielen noch mal näher auf die häufige Argumentationsstrategien des „Whataboutismus“ ein. Dies sei eine rhetorische Strategie, die versucht, den Diskussionspartner zu diskreditieren, ohne dabei sein Argument zu widerlegen. Auch in diesem Fall empfahl Thielen den Diskussionspartner auf die eigenen Vorstellungen konkret festzunageln.
Das komplette Seminar gestaltete Thielen als interaktiven Vortrag, in welchem es immer wieder Platz für spontanen Dialog, Fragen und Anregungen aus dem Publikum gab. Die Theorie wurde gut an Praxisbeispielen verdeutlicht und mit Bildmaterial unterstützt.