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Veranstaltungsberichte

DIGITALISIERUNG - GLOBALISIERUNG: HAT DIE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT ZUKUNFT?

von Maja Eib
Vortrag und Gespräch über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung.

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Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und dem Bund Katholischer Unternehmer e.V., lud das Poltische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen am 25. Januar 2018 zur 4. Erfurter Debatte über Wirtschaft und Glaube ein. 95 Zuhörer hatten sich hierzu im Coelicum der Katholischen Fakultät der Universität Erfurt eingefunden.

Die Landesbeauftragte des Bildungsforums, Maja Eib, begrüßte die Gäste mit einer kurzen Rede, in der sie einleitend ins Thema aktuelle Fragen und Herausforderungen durch die Digitalisierung und Globalisierung für die soziale Marktwirtschaft, aber auch die aktuellen Sorgen und Bedenken der Menschen formulierte.

Arbeit 4.0 – Christlich-sozialethische Aspekte zu den Herausforderungen der Digitalisierung

Anschließend referierte Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Praktische Theologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, seit 2011 Beraterin der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, und bildete mit ihrem Impulsvortrag den Spannungsbogen für die Podiumsdiskussion. Sie widmete sich dabei der Frage, ob die soziale Marktwirtschaft gegen Globalisierung und Digitalisierung Zukunft hat. Nothelle-Wildfeuer machte auf aktuelle Transformationsprozesse aufmerksam, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend prägen. In ihren Überlegungen stellte sie die Aspekte des Wandels dar, die sich in Arbeit 4.0, also dem spezifischen Umbruch des 21. Jahrhunderts, artikulieren, entwickelte hieraus die Würde der menschlichen Arbeit und schlussfolgerte sozialethische Gebote für die Arbeit 4.0.

1) Aspekte des Wandels und seine gesellschaftlich-ethischen Herausforderungen

Nothelle-Wildfeuer beleuchtete zunächst die positiven Seiten der sich stetig weiterentwickelnden Technik. „Künstliche Intelligenz, sog. Selbstlernende Algorithmen und die Möglichkeit, große Datenmengen zu analysieren, führen dazu, dass Roboter zahlreiche komplexere Aufgaben übernehmen können, die bisher von Menschen erledigt wurden.“ Sogleich ging sie ausführlich auf die negativen Aspekte der zunehmenden Technisierung ein. Fehlverhalten und -reaktionen, beispielsweise bei selbstfahrenden Autos, seien nicht auszuschließen. Aber auch die Arbeitswelt wird sich nachhaltig verändern, was den Schluss nahelegt, dass es auch dort „Formen der Erwerbsarbeit geben wird, bei denen Roboter die Tätigkeit vollständig“ übernehmen werden, was wiederum Befürchtungen zur Arbeitslosigkeit verstärke, so Wildfeuer. Hierzu erläuterte sie Wissenschaftler und Intellektuelle wie Hannah Arendt oder Arnd Küppers, die gegensätzliche Haltungen zu den möglichen Auswirkungen der bevorstehenden Digitalisierung einnahmen. So sieht Küppers eher eine Gefährdung für Arbeitnehmer mit geringen Qualifikationen, die im Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft untergehen könnten. Die Professorin stellte weiterhin Studien, wie die Frey-Osborne-Studie aus dem Jahr 2013 vor, die zum Ergebnis kam, dass „47% der amerikanischen Beschäftigten Berufe ausüben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert würden“. Die Automatisierung betreffe laut der Studie niedrig qualifizierte sowie entlohnte Beschäftigte. Sie machte jedoch darauf aufmerksam, dass unterschiedliche Studien aufgrund verschiedener Herangehensweisen, auf unterschiedliche Ergebnisse kommen, die weitaus weniger alarmierend seien. So belegen beispielsweise Rinne und Zimmermann, dass dieser Fall in Deutschland nicht eingetreten ist, und es eher einen Anstieg des Arbeitsvolumens gab. Sie empfehlen „Vorsicht bei der Beurteilung des technischen Automatisierungspotenzials und entsprechender Gefahren walten zu lassen“. Denn auch die Chancen seien nicht zu übersehen. Unter anderem nach Eichhorst, sei ein starkes Wachstumspotenzial da, wodurch wegfallende Arbeitsplätze kompensiert werden könnten. Weiterhin eine bessere Work-Life-Balance, durch den Wandel des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses.

Dies führe wiederum vermehrt zu Werkverträgen, die eher zur prekären Beschäftigung zählen. Das sogenannte Crowdworking wird somit eine größere Rolle spielen. Der Fokus wird stärker auf Aufgaben und Tätigkeiten gelegt werden. Der Arbeitnehmer handelt somit als quasi selbstständiger Unternehmer, was ihm Freiheit bezüglich seiner Entscheidungen bietet, auf der anderen Seite aber höhere Verantwortung, also ein Risiko, und eine ständige Erreichbarkeit voraussetzt. Die Frage ist, wie diese Soloselbstständigen durch institutionelle Mechanismen abgesichert werden können.

2) Die Würde der menschlichen Arbeit

„Die grundlegende Bedeutung des Themas Arbeit für die katholische Soziallehre lässt sich zudem auch (sozial)anthropologisch begründen: Arbeit ist menschliches Existential, das in dem und durch den Prozess der Moderne zu einem der zentralen Bereiche menschlicher Lebenswelt geworden ist.“ Ansätze und Erläuterungen zur gerechten Gestaltung der Erwerbsarbeit finden sich in der katholischen Soziallehre, wie in der ersten Sozialenzyklika Papst Johannes Pauls 2. „Laborem exercens“. Ihr Kern liegt in der Aussage, dass jede menschliche Arbeit gleich an Würde ist. „Denn erster Zweck jeder Arbeit, und sei sie auch die niedrigste Dienstleistung „bleibt letztlich immer der Mensch selbst“(LE 6,6).“ Wie kann also im Zusammenspiel mit den realen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten eine menschenwürdige Ordnung in der Arbeitswelt geschaffen werden?

3) Sieben Gebote für die Arbeit 4.0

Nothelle-Wildfeuer stellte hierzu aus der Enzyklika „Caritas in veritate“ die sieben Gebote für die Arbeit 4.0 vor, die solch eine Ordnung ermöglichen sollen: 1) Die Arbeit soll frei gewählt sein; 2) Die Arbeit soll alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, wirksam an der Entwicklung ihrer Gemeinschaft teilhaben lassen; 3) Die Arbeit soll es den Arbeitern erlaube ohne Diskriminierung geachtet zu werden; 4) Die Bedürfnisse der Familie sollen durch die Arbeit befriedigt werden und Kinder sollen zur Schule geschickt werden, ohne dass diese gezwungen sind zu arbeiten, 5) Die Arbeit soll den Arbeitnehmern ermöglichen, sich frei zu organisieren und sich an Entscheidungen zu beteiligen; 6) Neben der Arbeit soll genügend Raum sein, die eigenen persönlichen, familiären und spirituellen Wurzeln zu finden; 7) Die Arbeit soll auch den in Rente eingetretenen Arbeitnehmern würdige Lebensverhältnisse sichern.

Schließlich machte Nothelle-Wildfeuer deutlich, dass die neuartigen Prozesse sowohl positive als auch negative Konsequenzen haben, auf die durch entsprechende Maßnahmen reagiert werden sollte. „Arbeiten, auch Arbeiten 4.0 muss unter menschenwürdigen Bedingungen geschehen, damit dieses menschliche Existenzial positiv zur Entfaltung kommen kann.“

Diskussion

Moderiert von Prof. Dr. Myriam Wijlens, Professorin für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, diskutierten Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer und Prof. Dr. rer. nat. Margot Ruschitzka, Unternehmensberaterin für Innovation und Technologie, Professorin für Ingenieurmathematik und Datenverarbeitung an der Technischen Hochschule Köln, zum Thema. In ihren Antworten wurden ihre Haltungen zur Arbeit 4.0 klar. Während Nothelle-Wildfeuer eher auf die Gefahren der fortschreitenden Digitalisierung aufmerksam machte, wies Roschitzka auf die Chancen dieser Entwicklung hin. So verwies sie in ihrem Statement zu Nothelle-Wildfeuers Vortrag darauf, dass die Digitalisierung kein ganz neues Phänomen sei. Der Prozess habe sich in den letzten Jahren nur rasant beschleunigt. Dennoch sollte Menschlichkeit eine größere Rolle in der Arbeitswelt einnehmen. Der Schritt zur Digitalisierung stelle eine bewusste Entscheidung dar. Mit dem, was man nun hat, muss gearbeitet werden und darüber nachgedacht werden, wie mit dem Produkt der mannlosen Fabrik umgegangen wird. Hier gilt es passende Arbeitsschutzgesetze anzuwenden. Auch Billiglohnländer seien keine Erfindung der Neuzeit. Die Frage sei eher, was in dieser neuen Debatte herausgearbeitet werden soll. Diese Prozesse seien beeinflussbar. Neue Technologien bringen uns teilweise würdigere Rahmenbedingungen. Daher muss ein disziplinierter Umgang mit den Prozessen stattfinden.

Nothelle-Wildfeuer vertrat die Gegenseite. Sie zitierte Papst Franziskus Rede in Davos, der sagte, dass der Mensch sich nicht von der Technik beherrschen lassen dürfe. Für Crowdworker etwa, die auf bestimmte Tätigkeiten angewiesen sind, besteht die Gefahr, von diesen Prozessen überrollt zu werden. Wie kann weiterhin menschenwürdiges Arbeiten gewährleistet werden, wenn Firmen ihre Sitze und Produktionsstätten im Ausland haben, wo deutsche Gesetze nicht greifen? Es sollten beide Seiten der Medaille betrachtet werden, so Nothelle-Wildfeuer. Auf der einen Seite stehen die kreativen, hoch entwickelten, gebildeten und vor allem geeigneten Arbeitnehmer und auf der anderen Seite diejenigen, die bezüglich der Wahl ihrer Arbeit keine wirkliche Entscheidungsfreiheit haben. Diese Menschen dürften nicht vernachlässigt werden.

Anschließend hatte das Publikum die Möglichkeit Fragen an die Referenten zu stellen. So fragte ein Gast, ob das eigentliche Problem nicht die Globalisierung sei. Wie sollen Prozesse, die im Ausland stattfinden, mit deutschen Gesetzen kontrolliert werden? Nur mit Gesetzen ginge es natürlich nicht, so Nothelle-Wildfeuer. Die freie Marktwirtschaft müsse weiterentwickelt werden. Weiterhin kam die Frage aus dem Publikum, ob die sogenannte Sharing Economy, mit Unternehmen wie Uber oder AirBnB, die über keinen eigenen Bestand verfügen, sondern nur die Plattform bieten, das Ende der sozialen Marktwirtschaft sei. Nothelle-Wildfeuer machte deutlich, dass dies eine ergänzende Idee des menschlichen Zusammenlebens ist. Ruschitzka machte deutlich, dass der Mensch nicht ersetzt werden könne. Es komme darauf an, was mit dem Internet der Dinge gemacht würde, um daraus einen Mehrwert zu schaffen. Es muss verantwortungsbewusst damit umgegangen werden. Auch sei es die Verantwortung des Einzelnen sich weiterzubilden und sich zum Thema zu belesen.

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