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Veranstaltungsberichte

Erodiert die Parteiendemokratie?

von Sebastian Spiegel

Ettersburger Diskurs. Zur gesellschaftlichen Situation der Zeit in Zusammenarbeit mit dem Schloss Ettersburg

Ettersburger Diskurs unter der Schirmherrschaft von Mike Mohring MdL

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Begrüßung „Die deutschen Parteien haben selbstbewusste Mitglieder“

Die stv. Vorsitzende der Konrad-Adebauer-Stiftung Hildigund Neubert führte zum Thema „Erodiert die Parteiendemokratie?“ ein, indem sie auf die gerade zurückliegenden Wahlen sprach. Danach adressierte sie die Parteien, ihre verfassungsmäßige Rolle lt. Art. 21 GG und die damit zur Machtfrage in der Demokratie und dem damit verbundenen Art. 20 GG. Die deutschen Parteien haben selbstbewusste Mitglieder, die auch am Gestaltungsprozess teilhaben wollen, es sind keine Wahlvereine. Die Kritik an Parteien ist alt, doch wenn die Kritik zur Etablierung neuer Parteien führt, zeigt dies eine bestehende Repräsentationslücke. Gerade in Ostdeutschland wurde das Verhältnis zu Parteien durch „die Partei, die immer Recht hat“ geprägt. Dies will man nicht wieder.

Vortrag „Erodiert die Parteiendemokratie?“

Ansgar Graw begann mit einer Einordnung und Bestandsaufnahme: Die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2017 war mit 76% nicht schlecht, aber auch weit von den 91% von 1972 entfernt. Parallel dazu verlieren die Parteien und insbesondere die Volksparteien immer mehr Mitglieder. So hatte die SPD 1990 noch über eine Millionen Mitglieder. Heute haben alle im Bundestag vertretenen Parteien zusammen nur knapp mehr als die SPD damals alleine. CDU und SPD liegen inzwischen fast gleich auf bei 430 bzw. 440 tausend und die einzigen Volksparteien. AfD und Linke erfüllen derzeit teilweise regional diese Funktion, aber nicht bundesweit. Volksparteien sind eine Besonderheit in Deutschland. In vielen anderen Ländern sind Parteien vor allem Wahlvereine, dies droht in Deutschland jedoch auch. Dazu kommt die Tendenz zur Radikalisierung des Parteiensystems. Diese sieht man nicht nur in der AfD, sondern auch in Teilen des linken Spektrums die bereits die Revolution ausrufen.

Nach dieser Bestandsaufnahme wendete sich Ansgar Graw der Ursachenforschung zu. Zunächst ist festzuhalten, dass die sich ausbreitenden Populisten nicht Schuld an der Verschiebung der Zustimmungswerte sind. Vielmehr sind sie Ergebnis der schwindenden Bindekraft der Volksparteien. Nach einer aktuellen Bertelsmann-Studie verorten sich 80% der Bürger in der politischen Mitte und damit vielmehr als in anderen Ländern, z.B. Frankreich wo sich nur 39% selbst so einordnen würden. Die Menschen in Deutschland sind also nicht an die Ränder gerückt. Nur 6% der Befragten bezeichnen sich selbst als Rechts, 12% als Links. Von den 6% die sich selbst als Rechts betrachten geben 2 aus 3 an extrem unzufrieden mit der Politik in Deutschland zu sein. Die Themen sind vielschichtig: Globalisierung, Stadt – Land – Gegensatz, Pflegenotstand, Digitalisierung, doch vor allen anderen steht das Thema Zuwanderung. Aus Sicht der Unzufriedenen scheinen die großen Parteien nicht den Willen zu haben wirklich wichtige Themen anzugehen. In diesem Zusammenhang erinnert Ansgar Graw an einen Appell von Sigmar Gabriel, sich nicht zu sehr auf Themen wie die Rechte von Transsexuellen zu konzentrieren und darüber die staatliche Hauptaufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen, zu vernachlässigen. Aus Sicht von Graw ist nichts schlimmer, als wenn der Eindruck entsteht der Staat habe vor Kriminalität, Clans und Drogen kapituliert. Hierin liegt eine wichtige Ursache des beobachteten Rechtsrucks der Wähler. Es handelt sich um Funktionsrechte bzw. Funktionskonservative. Menschen die sich nach Rechts lehnen weil sie das Schiff nach links kentern sehen. Steuere die Politik gegen, bewegen sich diese Menschen wieder zur Mitte.

Im nächsten Abschnitt des Einführungsvortrages ging es um die Frage, wie auf die beschriebenen Entwicklungen zu reagieren ist. Für Graw haben die Volksparteien durchaus noch eine Chance zum Comeback. Dazu muss vor allem das Thema Zuwanderung angegangen werden. Dazu gehören Grenzkontrollen mit der Möglichkeit zur direkten Ablehnung, ein Asylrecht das nicht ausgenutzt werden darf sowie die Reduktion der Pull-Faktoren. Letzteres heißt für ihn konkret, dass das Sachleistungsprinzip Vorrang haben und dass vor der endgültigen Asylentscheidung keine Verteilung auf die Kommunen stattfinden soll. An dieser Stelle wird Graw sehr deutlich: sollte dies der neuen Regierung nicht gelingen, könnten die Parteien und die Demokratie in Deutschland untergehen.

Für Graw ist klar: die Zeit drängt. Die Lösung habe der französische Präsident Macron auf den Punkt gebracht: die Antwort auf den Populismus und auf Autokratie ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie. In Deutschland haben wir derzeit eine anti-autoritäre Demokratie.

Diskussion

Im Anschluss an Graws Vortrag folgte die Diskussion mit dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag Mike Mohring. Der Moderator und Direktor des Schloss Ettersburg Dr. Peter Krause brachte dazu eine Reihe an Fragen ein. Anschließend konnten auch anwesende Gäste Fragen stellen.

Ein erster Fragenkomplex drehte sich um die Möglichkeiten einer Wahlrechtsreform und die Entstehung neuer Parteien.

Ansgar Graw bekannte, in diesem Zusammenhang kein Freund von Volksentscheiden zu sein. Der Brexit zeige, dass simple Reduktion auf Ja – Nein Fragen, der Komplexität der Themen unangemessen ist. An der Entstehung neuer Parteien sind aus seiner Sicht immer die bestehenden Parteien Schuld. SPD und CDU hatten beide die Chance gehabt sich stark für Umweltthemen zu engagieren, die CDU zum Beispiel aus Sicht der Bewahrung der Schöpfung. Beide haben diese Chance aber verpasst und so Entstehung und Etablierung der Grünen ermöglicht. Auch die AfD wird aus seiner Sicht nicht wieder verschwinden, um sie unnötig zu machen wäre ein fundamentaler Politikwechsel nötig, der unweigerlich selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem kreieren würde. Positiv ist jedoch, dass die Union jetzt überhaupt wieder Flügel hat.

Für Mike Mohring steht eine Wahlrechtsreform nicht im Zentrum der Antwort. Es ist schwer vorauszusagen, ob ein Mehrheitswahlrecht wirklich besser wäre. Fakt ist jedoch, dass es in Zeiten einer größeren Ausdifferenzierung der Parteienlandschaft durch das Verhältniswahlrecht noch schwieriger wird stabile Regierungen zu bilden. Er empfiehlt jedoch dies als Herausforderung und nicht als beklagenswerten Zustand zu betrachten. Für ihn ist bei Volksparteien wichtig, dass die Themen in ihrer Breite abgebildet werden. Dazu gehören auch innerparteiliche Diskussionen. Unterschiede und Diskurs müssen auch innerhalb von Parteien gepflegt werden. In letzter Zeit wurde zu viel Wert auf symbolisierte Loyalität gelegt. Für die CDU finde aktuell Neujustierung auch im Rahmen der aktuellen Grundsatzprogrammdebatte statt.

Ein anderer Themenkomplex war das Thema Migration und Zuwanderung

Für Ansgar Graw müssen Abschiebungen und Ablehnungen konsequent durchgesetzt werden. Klar ist, dass Deutschland heterogener werden wird. Dies lässt sich nicht mehr umkehren, selbst wenn von jetzt an überhaupt niemand mehr nach Deutschland einreisen dürfte. Niemand, nicht einmal die AfD kann Deutschland wieder zu einem „Weißen“ Land machen (wollen). Aus seiner Sicht bräuchte die Union den Mut politische Führung zu zeigen und ein neues Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Europa habe sich verhoben und komme nun nicht mehr an die Lebenswirklichkeit der Menschen heran. Bis zur Eurokrise habe Europa gut funktioniert weil alle davon profitiert haben. Danach begannen die Spannungen und nun waren die Flüchtlingskontingente eine Idee, die die Zentrifugalkräfte deutlich beschleunigte.

Mike Mohring teilt die in Graws Vortrag formulierte Forderung nach dem Vorrang des Sachleistungsprinzips. Dazu braucht es aber auch die entsprechenden politischen Mehrheiten. Im Weimarer Land habe der Landkreis das Sachleistungsprinzip angewendet, daraufhin wurde es von der Landeskoalition verboten. Kritisch wurde ausgeführt, dass es in der gesamten Migrationsdebatte an der Klarheit der Begriffe fehlt: Migration, Asyl, Flucht → alles wird vermischt. Die Linke betreibt dies gern, um temporären Schutz in dauerhaften Aufenthalt umwandeln zu können. Mit der CDU wird es wieder Sachleistungen und Abschiebungen geben und der Familiennachzug für subsidiär Geschützte bleibt ausgesetzt. Es muss wieder einen handlungsfähigen Staat geben, der alle gleich behandelt. Die Menschen haben vor allem Angst, dass die Kontrolle des Staates verloren geht. Auch dazu tragen die Linken bei, wenn sie Abzuschiebenden Tipps geben, wie sie ihre Abschiebung sabotieren können indem sie z.B. auf der Gangway des Flugzeugs ausrasten.

Andere Fragen drehten sich um die Rolle von Einzelbewerbern bei Kommunalwahlen, die Erfahrung Graws mit Donald Trump und die Zusammensetzung von Parteitagen.

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