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Veranstaltungsberichte

Wissenschaftler und ihr Einsatz für den Aufbau der Demokratie nach 1989

Impulse und Gespräch

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Wissenschaftler, Rebellen, Politiker?

Der Mauerfall bedeutete für viele Menschen Reisefreiheit, Pressefreiheit und Redefreiheit. Die Wiedervereinigung nach vierzig Jahren versprach neben Familienzusammenführungen und freien Wahlen aber auch einen Neuanfang in der Wissenschaft, die vierzig Jahre lang der sozialistischen Politik und Planwirtschaft unterlag.

Für drei junge Wissenschaftler bedeutete der Mauerfall einen Wechsel von der Forschung in die Politik. Am 9. November sprachen diese auf einer KAS-Veranstaltung unter 2G-Regelung über ihre Erfahrungen. KAS-Landesbeauftragte Maja Eib eröffnete den Abend mit vielen persönlichen Worten zur Aufbauleistung in den letzten 30 Jahren und machte gleichfalls auch für heute Mut „Demokratiegestalter“ zu sein. Denn Demokratie bleibt nur erhalten, wenn der Gestaltungswille und auch die Bereitschaft Verantwortung auch in politischen Mandaten zu übernehmen nicht verloren geht. Die KAS-Stipendiaten Annika Huber, Julius Russmann, sowie der Altstipendiat Dr. Konstantin von Loveringen hatten dann das Vergnügen mit jeweils einem Protagonisten und Demokratiegestalter im Podium zu ihrer Zeit in der Politik nach dem Mauerfall im Gespräch zu sein.

Prof. Dr. Dagmar Schipanski studierte Physik an der Technischen Universität Ilmenau. Die ehemalige Präsidentin des Thüringer Landtags erzählte den Gästen, wie es damals war. Vor dem Fall. Denn sie war dabei. Im Herbst `89. Auf den Demos. Mittendrin. Sie wusste aber auch um die Gefahren der Stasi und die Auswirkungen eines antidemokratischen Staates. Das Massaker von Peking hatte die Wissenschaftlerin im Kopf. Trotzdem ging sie auf die Straßen und demonstrierte. Für mehr Kreativität in den Universitäten. Für mehr Geld in der Grundlagenforschung. Denn die Partei saß stets mit im Hörsaal und bestimmte die Forschungsrichtungen, welche sich stets nach der Industrie richtete. Die großen Herausforderungen nach dem Mauerfall waren vor allem die Ablösung des Universitätspräsidenten, der keine wissenschaftliche Eignung vorweisen konnte, aber Mitglied der SED war. Vor allem aber sollte die akademische Freiheit gefördert werden. Dafür gab es einen regen Austausch mit den westdeutschen Universitäten, wo neue Strukturen übernommen wurden. Das wichtigste Ziel aber waren die freien Wahlen, bei denen unbelastete Professoren gewählt werden sollten, damit „nicht wieder alte SED Genossen an die Macht kommen“, so Prof. Dr. Schipanski. Die ehemalige Wissenschaftsministerin von Thüringen schloss ihren Vortrag mit einem Appell an die anwesenden Studierenden: „Sie studieren in einem freien Land. Sie müssen nicht alles verändern, aber Sie können Wesentliches für die Demokratie beitragen.“

Nach Dagmar Schipanski folgte der ehemalige Erfurter Oberbürgermeister Manfred Ruge mit einem Statement. Seine Geschichte glich der eines jungen Rebellen, der schon früh gegen das System der SED zu kämpfen schien. Von schulischen Problemen, über die Enteignung der Fabrik des Vaters über sein Studium der theoretischen Elektrotechnik an der TU Ilmenau. Während seiner Arbeit als Diplomingenieur wurde als „nicht tragbar“ eingestuft und wurde zu einer Arbeit am Band degradiert. Während der friedlichen Revolution war er bei der ersten Auflösung des Stasiarchivs in Erfurt und in Gotha dabei und kandidierte 1990 erfolgreich für das Amt des Erfurter Oberbürgermeisters. Seine Tage in Westberlin bezeichnete er als die aufregendsten Tage seines Lebens. Das noch junge wiedervereinigte Deutschland aber brauche eine pragmatische Arbeitsweise: „Wir haben es einfach gemacht, weil es gar keine andere Chance gab“. Ganz nach wissenschaftlichem Prinzip wurden Ziel, Weg und Ausgang als Lösungspolitik verfolgt. Amüsant sprach Ruge auch von den Juristen: „Sie waren Helfer und nicht diejenigen, die sagen, dass etwas nicht geht. Sie sollten Wegbegleiter sind, nicht Wegweiser“ Ruges ehemaligen Reisepass könnte man zudem als historisches Dokument bezeichnen. Von Gorbatschow über Regan bis Bush sammelte er Autogramme und erzählte von den Treffen mit Stolz und Nostalgie.

Von einem tiefen Graben zwischen Logik in der Vernunft und der Politik sprach als letzter Referent Prof. Dr. Benni Kaufhold. „Wir haben die Genossen zum Teufel gejagt“, erzählte der politische Unbelastete. Wie auch schon Ruge und Schipansiki, studierte Prof. Kaufhold an der TU Ilmenau. Nach seinem Studium der Informationstechnik arbeitete er als Angestellter der Universität. 1990 trat er in die CDU ein und war bis 1994 Landrat des Ilm-Kreises. Als Wissenschaftler habe er von Verwaltung keine Ahnung gehabt und doch musste er sich den wirtschaftlichen Problemen des vereinten Deutschlands stellen, wie der hohen Arbeitslosigkeit von 25 Prozent im Jahr 1993. „Vieles haben wir einfach ausprobiert und uns langsam ran getastet“. Gestalten statt Verwalten stand auf dem Plan, denn es sollte eine wirtschaftliche Umgestaltung des Landes erfolgen. Schnelle und unkomplizierte Lösungen sollten für die Probleme gefunden werden: „Wir haben ein Jahr für eine Umgehungsstraße gebraucht, sowas wird es nie wieder geben“.

Die Zeit nach dem Mauerfall war chaotisch. Für Politiker, Wissenschaftler und Bürger eines wiedervereinten Deutschlands. Es gab kein Handbuch, keine vorgefertigte Checkliste. Lösungen wurden dennoch gefunden, wenn auch manchmal unkonventionell. Nichts war perfekt, das wird es aber in der Politik nie sein. Trotzdem konnten die Zuhörer des Abends ein Stück deutsche Geschichte erfahren. Denn für Vieles, was man heute kennt und für eine Selbstverständlichkeit hält, wie die Erfurter Altstadt oder die Universität Erfurt, waren Prof. Dr. Schipanski, Manfred Ruge und Dr. Gerd Schuchardt mitverantwortlich.

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Kontakt

Maja Eib

Maja Eib bild

Landesbeauftragte und Leiterin Politisches Bildungsforum Thüringen

maja.eib@kas.de +49 (0) 361 65491-0 +49 (0) 361 65491-11

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