„Wohnen betrifft uns alle! – und gerade im ländlichen Raum entscheidet sich, wie wir als Gesellschaft in Zukunft leben wollen. Ilmenau ist hierfür ein wunderbares Bsp. - Wir sehen - Ländliche Räume sind mehr als Wohnorte: Sie sind Heimat für Familien, Rückzugsorte für ideenreiche junge Menschen und Standorte für (Hoch)schulen und Unternehmen, die engagierte Fachkräfte ausbilden und darauf angewiesen sind.“, so Maja Eib, Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen, in ihren begrüßenden Worten und lud dazu ein über die Potenziale für Familien, die größeren Wohnraum suchen, für junge Menschen mit Gestaltungswillen und Fachkräfte, die bleiben oder zurückkehren würden zu sprechen, wenn es gelingt die harten und weichen Standortfaktoren schaffen, die Familien benötigen.
Andreas Bühl MdB, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, wies in seinem Eröffnungsvortrag genau auf diese Komplexität der Sachlage hin. Die teils gering ausgebaute Infrastruktur erschwert es vor allem für junge Menschen, insbesondere Familien, ein Zuhause im ländlichen Raum zu realisieren.
Ländlichen Raum für Jüngere und Familien attraktiver gestalten
Das Hauptproblem ist das zunehmende Fehlen von Angeboten für junge Familien, die folglich gezwungen sind, in größere Städte auszuweichen, um ihren Kindern Freizeitmöglichkeiten zu bieten, so Bühl. Ein weiterer zentraler Aspekt ist der Fachkräftemangel, der sich insbesondere im ländlichen Raum stark bemerkbar macht. Fehlen dort die Perspektiven für eine Familiengründung, entscheiden sich viele angehende Fachkräfte gegen eine Niederlassung. Die Folge ist, dass es vor Ort zunehmend an Erzieherinnen und Erziehern sowie an Lehrkräften mangelt. Deshalb will Andreas Bühl den ländlichen Raum für Jüngere attraktiver gestalten und so der demografischen Alterung vor Ort entgegenwirken.
Folgende Punkte stehen deshalb bei ihm auf der Agenda:
Familie braucht Wohnraum - deshalb sind die Förderung und günstigere Kredite zum Hausbau und vor allem zum Sanieren alter Häuser im Bestand wichtig. Jung kauft alt soll unsere Dörfer beleben.
Familie braucht hochwertige Mietwohnungen bezahlbar. Nicht nur sozialer Wohnungsbau ist nötig. Auch Unterstützung für Wohnungsbau im mittleren Bereich. Kindergarten und Schule: Demografie und Angebot übereinander bekommen. Qualität nach vorn stellen. Das heißt alle Kraft gegen Unterrichtsausfall und Anspruch zu Leistung.
Familie Raum geben: Städte so ausstatten, dass Schwimmbäder, Sportanlagen und Spielplätze erhalten werden können.
Mobilität: Dörfer besser anbinden. Das wird nur mit neuen Modellen für On-Demand verkehren und perspektivisch autonom fahren Bussen gehen.
Innovationen- und Zukunftsprojekte
Ein Beispiel für solche zukunftsorientierten Ansätze ist das Pilotprojekt „Neues Wohnen- Am Königsgarten“ der Ilmenauer Wohnungs- und Gebäudegesellschaft, dass die Geschäftsführerin Karsta Rödiger und der Prokurist Frank Teufel vorstellten. Mit einer innovativen Massivholzbauweise wird hier eine CO2-neutrale Wohnanlage geschaffen, welche Lebensqualität mit Nachhaltigkeit verbindet.
Bei dieser Bauweise kommen ganze Bauelemente aus Holz aus der Region zum Einsatz. Durch das Wärmespeichervermögen von Holz bleibt es im Winter länger warm, im Sommer hingegen länger kühl. Dies bietet einen hohen Wohnkomfort und zählt zugleich zu den nachhaltigsten Bauweisen, da der Rohstoff nachwachsend ist und bis zu einer Tonne CO2 pro Kubikmeter Holz speichert.
Während der anschließenden Baustellenbesichtigung erhielten die Teilnehmenden eine Führung durch den Komplex und konnten erste Einblicke in die entstehenden Wohnungen gewinnen. Im Herbst 2026 soll das Bauwerk fertiggestellt und bezugsbereit sein- bereits jetzt übersteigt die Nachfrage das Angebot um das Dreifache.
Wohnraum in Thüringen
Frank Emrich, Direktor des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VTM) , gab als nächster Referent einen aktuellen Einblick in den Mietwohnungsbestand in Thüringen. Der VTM verwaltet mit ca. 265.000 bewirtschaftete Wohnungen fast die Hälfte des Mietwohnungsbestandes in Thüringen. Besonders auffallend ist, dass im ländlichen Raum ca. 17.000 Wohnungen leer stehen (zum Vergleich: in den Ballungsräumen Erfurt/Weimar/Jena sind es ca. 3.100 Wohnungen). 40% der Wohnungen im ländlichen Bereich stehen aufgrund von fehlender Nachfrage leer, kosten jedoch weiterhin und binden Ressourcen. Frank Emrich hält daher den Abriss von vereinzelten Wohnungen als notwendig, um im Anschluss attraktive neue Wohnstätten zu schaffen, welche bezogen werden.
Zum Abschluss diskutierten die Gäste gemeinsam auf dem Podium, moderiert von Dr. Sarah Al Doyaili-Wangler, welche Lösungsansätze nötig sind, um das Leben im ländlichen Raum attraktiver zu gestalten.
Zielgruppen- und Ideenaustausch
Kurt Retzlaff, Vorsitzender des Bauausschusses im Ilmenauer Stadtrat, berichtete dabei von bisherigen Maßnahmen vor Ort in Ilmenau. Da besonders Studierende eine Infrastruktur mit Angeboten für die Freizeit brauchen, um soziale Strukturen zu stärken, einen Ausgleich zur Ausbildung zu finden und die Lebensqualität zu steigern, entstanden in den letzten 20 Jahren eine Schwimm- und eine Eishalle in Ilmenau, sowie zahlreiche Sportstätten, die gut angenommen werden. Das tieferliegende Problem sieht er primär in den kleinen Ortteilen und den umliegenden Dörfern. Aus diesen Teilen ziehen die jüngeren Menschen weg, während ältere Personen in großen Häusern zurückbleiben. Neben sozialem Wohnungsbau sollte auch in hochwertige, moderne Wohnungen investiert werden, um Hausbesitzern, die sich verkleinern wollen, eine attraktive Option zu bieten. So könnten Familienhäuser für junge Menschen entstehen, die die Vorteile des ruhigeren Landlebens schätzen.
Der strukturelle Wandel im ländlichen Raum stellt besonders die Familien mit mehreren Kindern vor große Herausforderungen. Katrin Konrad vom Verband kinderreicher Familien e.V. machte deutlich, dass es mit der Unterkunft für die Familien nicht getan ist. In Thüringen zählen ca. 10% der Familien zu sogenannten „kinderreichen“ Familien (drei oder mehr), sie machen jedoch rund 30% der Kinder aus. Katrin Konrad fordert eine stärkere politische Beachtung, da fast ein Drittel der Kinder in kinderreichen Familien aufwächst. Diese Familien benötigen eine gesicherte Grundversorgung vor Ort sowie finanzielle Unterstützungen und passende Angebote.
Auch für Studierende gestaltet sich das Studium im ländlichen Raum oft als schwierig, wie Paul Gebser, Stipendiat und Mitglied des Jugendbeirates der KAS, erläuterte. Für ihn selbst stand im vergangenen Sommer selbst die Frage der Studienortwahl an und es hätte nicht viel gefehlt, um auf dem Land zu bleiben. Die größte Hürde zwischen Land und Stadt ist für ihn die fehlende Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Lange und umständliche Anreisewegen kosten nicht nur viel Zeit, sondern erschweren auch eine soziale Vernetzung im Studienort, sowie die Flexibilität mehrmals täglich zu pendeln. Ein weiterer Aspekt, warum sich Studis tendenziell für Ballungsräume entscheiden, ist die oft inkonsistentere Internetverbindung. Gerade wenn Online-Vorlesungen via Zoom stattfinden, macht eine schlechte Verbindung eine aktive Teilnahme fast unmöglich. Trotz steigender Mieten in den Städten, verhindern primär diese beiden Aspekte ein Studentenleben auf dem Dorf zu führen.
Um zumindest die Mieten in den Städten bezahlbar zu halten, bieten Studierendenwerke Wohnplätze für Studierende an. In Thüringen gibt es in etwa 8000 Wohnmöglichkeiten, davon etwa 5000 in Erfurt, Weimar und Jena, so Stefan Raabe, Abteilungsleiter Studentisches Wohnen des Studierendenwerk Thüringen. Aktuell misst das Studierendenwerk eine Auslastung von ca. 97%. Die Wohnangebote reichen von Einzelapartments bis hin zu 9er WG´s und liegen preislich zwischen 130€ und 420€ im Monat. Die Lage spielt dabei allerdings einen immensen Faktor; so stehen beispielsweise in Jena-Lobeda modern renovierte Wohnanlagen leer.
Grafik Recording – Ergebnissicherung auf besondere Art
In dieser Veranstaltung wurde auf vielfältige Weise deutlich, dass der ländliche Raum durchaus Potenzial besitzt, einen deutlichen Beitrag zur Lösung der aktuellen Wohnungsfrage zu leisten, wenn die Rahmenbedingungen dafür durch die Politik verbessert werden. Dafür braucht es nicht nur bezahlbare und nachhaltigen Wohnraum, sondern ebenso verlässliche Infrastrukturen, sowie ein starkes Marketing für den lebenswerten ländlichen Raum.
Die vorgestellten Projekte zeigen, dass es bereits innovative Ansätze gibt, welche flächendeckend umgesetzt werden sollten. Mit einer gemeinsamen Zusammenarbeit ist das Leben auf dem Land nicht nur eine Option, sondern eine echt Perspektive für die Zukunft.
In einem Grafik Recordings wurden die Impulse von der Agentur Sandruschka, Weimar grafisch festgehalten und werden im Rahmen des bundesweiten Wohnkongresses der Konrad-Adenauer-Stiftung am 16. Oktober in Berlin weiterverarbeitet.
Wir danken allen inhaltlichen Impulsgebern und der Jugendherberge Ilmenau für die tolle Betreuung.