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Veranstaltungsberichte

Einheit in Vielfalt?

von Maike Messerschmidt

Wissenschaftler diskutieren über religiöse Toleranz und Radikalisierung in Uganda

Am 27.März 2015 brachte ein vom University Forum on Governance (UNIFOG) und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) organisierter öffentlicher Dialog säkulare und religiöse Wissenschaftler zusammen um sich dem Thema „Einheit in Vielfalt: Perspektiven für Uganda als eine multikonfessionelle Gesellschaft“ zu widmen. Während die Gründe und Ursachen religiöser Radikalisierung in Uganda diskutiert wurden, war der Dialog vor Allem auch ein Aufruf zu religiöser Toleranz, Koexistenz und Annäherung zwischen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Konfessionen.

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Religion spielt eine wichtige Rolle im Leben der Mehrheit der Bevölkerung Ugandas. Während Glaube eine positive und identitätsstiftende Kraft für Individuen und Gruppen sein kann, kann er ebenso eine negative, ja sogar zerstörerische Wirkung entfalten – nämlich dann, wenn Menschen einer bestimmten Glaubensrichtung sich selbst radikalisieren. Wenn sich Radikalisierung in gewaltsamen Extremismus verwandelt, manifestieren sich die Auswirkungen der Radikalisierung weltweit und entlarven das wahre Gesicht gewaltvoller fundamentalistischer Interpretationen verschiedener Glaubensrichtungen.

Uganda hat in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit religionsbasierte Gewalt machen müssen. Die Lord’s Resistance Army (LRA), die einen Diskurs basierend auf einer gewalttätigen Interpretation des Christentums nutzten um ihre Handlungen zu legitimisieren, terrorisierte jahrzehntelang besonders den nördlichen Teil Ugandas und ist heute noch immer aktiv in anderen Ländern der Region. Zudem wurde Kampala Ziel eines terroristischen Angriffs der Al-Shabaab, einer dschihadistischen Terrorgruppe aus Somalia, in dem über 70 Menschen getötet und genauso viele verletzt wurden.

Aktuell erwecken sowohl die noch immer ungeklärten Morde an muslimischen Geistlichen, der zunehmende Einfluss religiöser Diskurse in der Politik, und die gesteigerte Akzeptanz von Hassreden in den Medien und Gebetsstätten Bedenken hinsichtlich einer stetigen religiösen Radikalisierung innerhalb der ugandischen Gesellschaft. Der von UNIFOG und KAS organisierte Dialog fand vor diesem Hintergrund statt und sollte Licht in die Gründe der zunehmenden Radikalisierung in Uganda bringen und mögliche Präventions- und Interventionsmaßnahmen diskutieren.

Die Hauptpräsentation hielt Mwambutsya Ndebesa, Dozent am Institut für Geschichtswissenschaften der Makerere Universität. Mit seinem Vortrag gab er nicht nur einen wissenschaftlichen Hintergrund der Kernkonzepte, sondern machte das Publikum zugleich sowohl mit der Geschichte religiöser Gewalt – global gesehen und in Uganda – als auch mit interkonfessionellen Spannungen und Konflikten im Land vertraut. Dabei betonte er das große Potential von Religionen zur Friedensbildung und -konsolidierung und dass es gerade in Uganda vielfältige Möglichkeiten zu interreligiösen und –konfessionellen Dialogen geben würde, da die Gesellschaft zum Beispiel auf eine lange Geschichte von interreligiösen Eheschließungen zurückblicken könnte und der rechtliche und politische Hintergrund (wie beispielsweise, dass es keine offizielle Staatsreligion oder Blasphemie- oder Gottesabtrünnigkeitsgesetze gibt) vorteilhaft für die Koexistenz verschiedener Glaubensgemeinschaften wäre. Nichtsdestotrotz gebe es auch Hürden, die einer friedlichen Koexistenz im Wege stünden, wie zum Beispiel die aktuelle Kultur- und Geschlechterpolitik der Regierung, der Tatsache, dass Religion als ein Instrument zur politischen Mobilisierung genutzt würde und die zunehmende Unterwanderung der ugandischen Gesellschaft und religiöser Gruppen durch rechtsgerichtete und radikale evangelikale Gruppen aus den USA und auch durch radikale islamistische Bewegungen aus dem Mittleren Osten. Außerdem, so erklärte er, gebe es innerhalb Ugandas eine nicht zu unterschätzende Angst vor Säkularisierung und Feminismus, da diese als direkte Angriffe auf das patriarchische System wahrgenommen würden, welches die Basis für Religion darstellen würde. Das wiederum führe aufgrund des Wunsches zur Aufrechterhaltung der patriarchischen Strukturen innerhalb der ugandischen Gesellschaft zu mehr Radikalisierung. Ndebesas Meinung nach sei es unumgänglich eine Kultur von Toleranz in Ugandas Religionen aktiv wiedereinzuführen, beispielsweise durch Fortbildungen zur Friedenskonsolidierung und interreligiösen Dialogen in religiösen Lehrplänen. Zusätzlich müssten politische Akteure im Land aufhören, Religion als ein politisches Instrument zu nutzen und allgemein gebe es Bedarf an einem kritischen Widerstand gegenüber einer, so drückt es Ndebesa aus, „religiösen und kulturellen Re-Kolonialisierung“ Ugandas durch US-amerikanische und arabische Gruppierungen und Bewegungen.

Der Präsentation folgte eine Podiumsdiskussion mit Imam Kasozi, Dozent an der Islamic University in Uganda und bekanntes Mitglied der ugandischen Zivilgesellschaft, Dr. Sarah Ssali, Dozentin am Institut für Genderfragen an der Makerere Universität, und Assoc. Prof. Dr. Deusdedit Nkurunziza, Dozent am Institut für Friedens- und Konfliktforschung an der Makerere Universität und katholischer Theologe.

Bereits zu Beginn der Diskussion stellten sich einige Punkte als Themenschwerpunkte des Tages heraus. Einer davon war die eher grundlegende Frage danach, ob es religiöse Radikalisierung und Spannungen zwischen verschiedenen Religionen und Konfessionen überhaupt gibt. Während Imam Kasozi diese Frage verneinte, zumindest was verschiedene Konfessionen des Islam betrifft, waren sich die anderen Panellisten darin einig, dass religiöse Radikalisierung eine Rolle im ugandischen Kontext spiele. Die Diskussionsteilnehmer stimmten bezüglich der Theorie, dass es auch andere Formen der Radikalisierung geben würde, beispielsweise auf der Basis von Ethnizität oder Rasse, Stammeszugehörigkeit, Gender und Politik, die eng verbunden sind mit religiösem Extremismus und daher eine Eintrittsstelle zur Prävention von Radikalisierung darstellen, überein.

Außerdem wurde die Frage, ob gewaltsamer Fundamentalismus in seiner organisierten Form in seinem Kern eher aus Machtgründen, politischen oder anderen Interessen als aus Religion entspringe, angeregt diskutiert. Während die Podiumsteilnehmer einstimmig zustimmten, dass Religion eher ein Mobilisierungsinstrument für andere Zwecke ist und wenn sie zu Aufrufen zu Gewalt genutzt wird ein Missbrauch der ursprünglichen religiösen Lehren darstellt, nahm die Zuhörerschaft einen eher kritischen Standpunkt zu dieser Idee ein. Aus verschiedenen Publikumsbeiträgen wurde deutlich, dass die Teilnehmer an die Vorstellung glauben, dass einige Religionen Gewalt in ihren Lehren rechtfertigen und predigen – was bedeuten würde, dass sie von Natur aus gewalttätig wären. Diese Aussagen wurden von den Podiumsteilnehmern äußerst kritisch hinterfragt und die Angehörigen dieser Glaubensrichtung vor dem Generalverdacht, Gewalt als legitimes Mittel zur Zielerreichung zu betrachten, in Schutz genommen. Ndebesa erklärte bestimmt, dass weder der Islam noch das Christentum als solche gewaltsam seien, sie jedoch Anknüpfungspunkte für gewaltvolle Interpretationen bieten würden.

Ein anderer Teil dieser Diskussion fokussierte die Frage nach dem externen Einfluss bei religiöser Radikalisierung und Extremismus in Uganda. Obwohl die Diskutanten darin übereinstimmten, dass der angesprochene externe Einfluss eine Rolle in der zunehmenden Radikalisierung Ugandas spiele, stellten sie fest, dass schlussendlich die ugandischen Bürger die Verantwortung dafür übernehmen müssten, auf welchem Weg der externe Einfluss sie erreicht und ob sie sich diesem aussetzen oder entgegensetzen werden.

Dr. Ssali betonte, dass, wenn es darum geht, wie Radikalisierung in all seiner Form verhindert werden kann, die Hauptfrage, die man sich stellen muss, die ist, warum Menschen über Jahrhunderte hinweg friedlich koexistieren können und dann eines Morgens aufwachen und sich entscheiden, dass sie von nun an die Menschen mit einer anderen Religion (oder Ethnizität) nicht mehr tolerieren können. Sie erklärte, dass es Anzeichen für diese Entwicklungen gebe, zum Beispiel in beliebten oder folkloristischen Liedern, Geschichten und in bestimmten Gesetzgebungen. Prof. Dr. Nkurunziza meinte, dass es vier Fragen gäbe, die jeder beantworten müsse, bevor er handelt oder interagiert: Bin ich liberal? Dränge ich anderen meine Ideen auf? Bin ich tolerant? Und letztendlich: Handle ich menschlich?

Diese Fragen reflektieren die Grundaussage, die aus der vorangegangen Diskussion gewonnen werden konnte: Uganda hat die besten Chancen eine tolerante und religiös vielfältige Gesellschaft zu sein. Allerdings sind einige Grundvoraussetzungen nötig, um dieses Ideal zu erreichen. Eine davon wäre ein Bildungssystem, das liberale und demokratische Werte transportiert und Ugander_Innen dazu anhält, Dinge kritisch zu hinterfragen. Zudem sollten Toleranz und Koexistenz nicht nur gelehrt, sondern auch von politischen und religiösen Eliten vorgelebt werden. Schlussendlich sollten religiöse Lehrpläne und Lehren auch Wissen über andere Religionen enthalten und so eher die Schnittmenge zwischen dem eigenen und anderen Glauben freigeben, als diesen als Feind oder fundamental anderes zu definieren. Dadurch könnte ein positives Bild von Glauben und Religion hervorgerufen werden, welches Gewalt und Intoleranz ausschließt und stattdessen Gläubigen und Glaubensgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet, sich nicht nur gegenseitig zu tolerieren sondern einen Schritt weiter Richtung Kooperation und Freundschaft zu gehen.

Übersetzung aus dem Englischen von Maxi Ludwig, Praktikantin der KAS Uganda

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