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Der deutsche OSZE-Vorsitz 2016: Welche Bedeutung haben die deutschen Prioritäten für die Ukraine?

von Moritz Junginger
Am 1. Januar 2016 hat Deutschland den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen. Unter den Prioritäten "Dialog erneuern, Vertrauen neu aufbauen, Sicherheit wieder herstellen" soll auch ein Fokus auf der friedlichen Beilegung des Konfliktes in der Ostukraine gelegt werden. Doch was bedeuten die Prioritäten für die Ukraine?

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Dieser Frage war der Rundtisch des KAS-Auslandsbüros Ukraine am 27. Januar 2016 in Kiew gewidmet. Die Erwartungen an den deutschen OSZE-Vorsitz sind hoch. Deutschland ist das größte Land, das jemals der Organisation vorstand. Die Bundesregierung ist einer der wichtigsten Vermittler im Konflikt in der Ostukraine. Zweifelslos hat Deutschland den Vorsitz inmitten einer der schwersten Krisen der europäischen Sicherheitsarchitektur übernommen. Der Konflikt in der Ostukraine ist nach wie vor nicht beigelegt. Keiner der 13 Punkte der Minsker Vereinbarung ist vollständig umgesetzt.

Das deutsche Engagement für die friedliche Konfliktbeilegung ist daher heute so gefragt wie vor einem Jahr, als unter Vermittlung der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französische Präsidenten François Hollande die Minsker Vereinbarung beschlossen wurde. Der Ständige Vertreter des deutschen Botschafters in Kiew Wolfgang Bindseil unterstrich in seiner Ansprache, dass Deutschland die Prinzipien der gemeinsamen europäischen Sicherheit aufrechterhalten werde, die durch Russland verletzt wurden. Der deutsche OSZE-Vorsitz wird aktiv die Arbeit der Trilateralen Kontaktgruppe unterstützen und sich im Normandie-Format engagieren. Das Mandat der OSZE-Beobachtermission soll im März 2016 verlängert und finanziell und personell weiter ausgebaut werden. Der serbische Botschafter Rade Bulatović und die österreichische Botschafterin Hermine Poppeller nahmen für die OSZE-Troika ebenfalls am Rundtisch teil. Die OSZE-Troika setzt sich aus den Ländern mit aktuellem Vorsitz, dem Vorsitz des Vorjahres (Serbien) und dem zukünftigen Vorsitz (Österreich) zusammen.

Die Leiterin des KAS-Auslandsbüros Ukraine Gabriele Baumann schlug vor, das „Konsens minus eins“-Verfahren zu diskutieren und anzuwenden, bei dem das Land von der Abstimmung in der OZSE ausgeschlossen wird, welches die Sicherheit und den Frieden in Europa gefährdet. Auch die von ukrainischer Seite häufig genannten Bedenken über die russische Beteiligung an der OSZE-Beobachtermission wurde aufgegriffen. So könnten Länder, die direkt oder indirekt in einem Konflikt involviert sind, daran gehindert werden, an einer OSZE-Mission teilzunehmen.

Das ukrainische Mitglied des sogenannten OSZE-Weisenrats (OSCE Panel of Eminent Persons) Oleksandr Tschali betonte, dass viele der Empfehlungen des Weisenrats in den Prioritäten des deutschen Vorsitz aufgenommen wurden. Doch vermisst er den Vorschlag, den Konflikt in der Ostukraine in einem breiteren Format als dem Minsk-Prozess zu lösen. Die OSZE sollte das Verhandlungsformat um die Unterzeichner des Budapester Memorandums ergänzen.

Die deutschen Prioritäten beinhalten neben der Ostukraine auch die eingefrorenen Konflikte Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach. Doch es sei an keiner Stelle die Rede von der Krim und der Rückgabe der Halbinsel an die Ukraine, kritisierte der Vorsitzende des Krimtatarischen Medschlis Refat Tschubarow. Die Vertreter der Zivilgesellschaft äußerten außerdem, dass die Einrichtung der OSZE-Beobachtermission viele Kilometer von der Kontaktlinie entfernt einer kontanten und objektiven Überwachung im Wege steht. Die Zivilbevölkerung verstehe oftmals nicht den Zweck der Beobachtermission und müsse stärker einbezogen werden. Laut dem stellv. Leiter der OSZE-Beobachtermission Alexander Hug, der per Videokonferenz zugeschaltet war, werden aktuell vorgelagerte Beobachtungspunkte auf beiden Seiten der Kontaktlinie eröffnet und die Zahl der OSZE-Beobachter nochmals deutlich erhöht.

Die Resonanz in der Presse war überwältigend. Mehrere ukrainische Medien, einschließlich der BBC Ukraine und Radio Free Europe, berichteten ausführlich über diesen ersten Rundtisch in der Ukraine, seit Deutschland den Vorsitz übernommen hat. Die Veranstaltung wurde zusammen mit dem Ukrainischen Zentrum für Unabhängige Politische Studien organisiert.

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Gabriele Baumann

Gabriele Baumann

Leiterin des Projekts Nordische Länder

gabriele.baumann@kas.de 0046 8 6117000
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10. Februar 2016
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