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„This is not the Kennedy seat – this is the people´s seat”

von Dr. Norbert Wagner

Demokraten verlieren Nachwahlen zum US Senate in Massachusetts

Bei der Senatswahl in Massachusetts haben die Demokraten von US-Präsident Barack Obama eine verheerende Niederlage erlitten. Der seit Jahrzehnten von Edward Kennedy gehaltene Sitz ging am Dienstag an den Republikaner Scott Brown.

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Eine schmerzlichere Pleite für die Demokraten ist kaum denkbar. Bei den Präsidentenwahlen im November 2008 hatte Barack Obama in Massachusetts noch mit 26 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Präsident Obama hatte sich persönlich im Wahlkampf engagiert und absolvierte noch am vergangenen Sonntag einen Wahlkampfauftritt aus dem Stegreif in Massachusetts. Dabei machte er die gestrige Wahl gewissermaßen zu einem Referendum über sein Gesundheitsreformprojekt.

Beide Senatoren und alle Kongressabgeordneten aus Massachusetts waren bisher Demokraten. Edward Kennedy, nach dessen Tod die Nachwahl notwendig geworden war, hatte diesen Senatssitz 47 Jahre lang inne. Der letzte republikanische Senator aus Massachusetts wurde im Jahr 1972 gewählt.

Die Mahnung von Ted Kennedy, die Reform des Gesundheitswesens zum Erfolg zu führen, war der wichtigste Punkt seines Vermächtnisses.

Die demokratische Kandidatin Martha Coakley, eine geachtete Staatsanwältin aus Massachusetts, lag zu Beginn des Wahlkampfes vor rund drei Monaten noch mit rund 30 Prozentpunkten vor ihrem republikanischen Herausforderer.

Es gibt kaum einen Staat in den USA, der stärker „demokratisch“ geprägt ist als Massachusetts. Die Demokratische Partei hat dreimal mehr eingeschriebene Mitglieder als die Republikaner.

Und doch gewann gestern der republikanische Kandidat Scott Brown deutlich mit 52% gegen 47% für Martha Coakley. Niemand hätte das zu Beginn des Wahlkampfes für möglich gehalten.

Den Durchbruch in seinem Wahlkampf erzielte Scott Brown wohl während einer Fernsehdebatte der beiden Kandidaten, als er auf die Frage eines Journalisten, ob er verantworten könne, auf dem Senatssitz von Ted Kennedy gegen die Gesundheitsreform zu stimmen, antwortete: „This is not the Kennedy seat - this is the people‘s seat“.

Das Parteiestablishment der Demokraten und das Weiße Haus versuchten schon vor Ende des Wahlkampfes die Schwäche und das nicht ausreichende Engagement der eigenen Kandidatin für das Desaster verantwortlich zu machen. Wäre man früher über den ungünstigen Verlauf der Kampagne informiert worden, hätte man noch helfen können, so wird behauptet.

Das klingt allerdings mehr als unglaubwürdig. Denn es ist kaum denkbar, dass der Wahlkampf in Massachusetts nicht genauestens verfolgt wurde. Ging es doch um die Bewahrung der strategischen 60:40 Sitz-Mehrheit für die Demokraten im U.S. Senate und damit um das wichtigste Mittel, die umstrittene Gesundheitsreform im Congress durchsetzen zu können.

Wie es um die Zustimmung der Bevölkerung zu dieser Gesundheitsreform steht, ist am Wahlergebnis in Massachusetts klar abzulesen. Der Gewinner der Wahl Scott Brown hat seinen Wahlkampf mit dem Versprechen geführt, im Senate gegen das Projekt von Präsident Obama zu stimmen. Präsiden Obama und Scott Brown haben die Nachwahl zu einem Referendum über die Gesundheitsreform gemacht. Das Ergebnis ist eindeutig. Nahezu 30% der als Demokraten eingetragenen Wähler haben bei dieser Wahl für den republikanischen Kandidaten gestimmt. Den Ausschlag für das Wahlergebnis gaben indes die Unabhängigen Wähler.

Umfragen zufolge waren die Wähler sehr viel stärker daran interessiert, wie die Wirtschaft wieder in Gang gebracht und die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann.

Innerhalb der demokratischen Partei ist wohl noch kurzzeitig überlegt worden, den vom Senate verabschiedeten Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform noch rasch im Congress zu verabschieden, bevor der neugewählte Senator sein Mandat antreten wird und dann mit 59:41 Stimmen die (filibuster-sichere) 60 Stimmen Mehrheit der Demokraten im Senate verloren wäre. Davon scheint man inzwischen aber wieder abgekommen zu sein.

Die Demokraten im Kongress und Präsident Obama stehen nun vor der Frage, wie sie das Reformprojekt neun Monate vor den Zwischenwahlen noch retten können.

Die Republikaner werden wohl auch nicht die geringste Anstrengung unternehmen, um dem Präsidenten dabei zu helfen, das weithin unpopuläre Vorhaben doch noch zu verabschieden.

Die Demokratische Partei scheint gespalten: Ein Teil favorisiert offenbar, eine auf wesentliche Kernelemente reduzierte Reform zu verabschieden. Der „progressive“ Flügel der Demokraten wird dafür plädieren, eine Maximalversion mit Hilfe bestimmter Geschäftsordnungstricks im Congress durchzudrücken.

Das wichtigste Projekt von Präsident Obama in seinem ersten Amtsjahr hängt somit am seidenen Faden.

Für alle Kongressabgeordneten, Senatoren und anderen Politiker, deren Wiederwahl bei den Zwischenwahlen im November 2010 ansteht ist die Botschaft von gestern eindeutig:

Wenn die Demokratische Partei einen US Senatssitz von Massachusetts verlieren kann, dann ist bei den Zwischenwahlen kein Sitz für die Demokraten mehr sicher. Falls sie auch zu dem Schluss kommen, das die Gesundheitsreform bei den Wahlen in Massachusetts den Ausschlag gegeben hat, dann wird ihre Unterstützung für das Projekt sehr rasch schwinden.

Das Wahlergebnis in Massachusetts und dessen Folgewirkungen werden auch nachhaltige Konsequenzen für die Politik von Präsident Obama haben. Mehr und mehr wächst der Eindruck, dass er zwar die Bevölkerung mit seinen Reden fesseln und begeistern kann, dass aber die überzeugenden Erfolge in der Wirtschaftspolitik, der Gesundheitspolitik und der Außen- und Sicherheitspolitik ausbleiben. Solche Erfolge doch noch zu erzielen, wird in diesem Wahljahr eher noch schwieriger werden. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob es Präsident Obama gelingen wird, das Ruder noch einmal herumzureißen.

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1. September 2009
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