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“Fault Lines In A Rising Asia“

DER WIRTSCHAFTLICHE AUFSTIEG ASIENS BRINGT FÜR VIELE STAATEN AUCH GROSSE PROBLEME MIT SICH. WÄHREND SICH CHINA IM HEGEMONIALKONFLIKT MIT DEN USA ZUNEHMEND AGGRESSIVER VERHÄLT, FINDEN SICH AUFSTREBENDE GESELLSCHAFTEN WIE JAPAN, SÜDKOREA ODER SINGAPUR ZWISCHEN DEN FRONTEN WIEDER.

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Unter diesem Aspekt lud das Carnegie Endowment for International Peace am 20. April 2016 zu einer Panel Diskussion in Washington ein. Der Vizepräsident des Think Tanks, Douglas Paal begrüßte mit Chung Min Lee einen ausgewiesenen Asien-Experten, dessen gleichnamiges Buch „Fault Lines In A Rising Asia“ erst kurz zuvor erschienen war.

In seinem einleitenden Statement machte Lee zunächst klar, dass zu oft über „das große Bild“ Asiens diskutiert werde, wenn man derzeit über den wirtschaftlichen Aufstieg Asiens spricht. Er wolle mit seinem Buch, aus der Sicht eines Südkoreaners, der in den USA lebt, auf die andere Seite der Geschichte aufmerksam machen und damit das „Asian Paradox“ erklären: Trotz des enormen Wachstums und dem Aufstieg Chinas oder Indiens zu Wirtschaftsmächten, sei Asien nach wie vor ein Kontinent voller Probleme, gesellschaftlicher Defizite und politischer Krisen. Lee nannte dann mehrere Beispiele und ging auch auf die alternden Gesellschaften und geringen Geburtenraten ein. Demografie sei ein großes Problem für Japan, deren Bevölkerung zu 25% aus über 65-Jährigen besteht.

Politisch sticht die Situation der Volksrepublik China heraus, über die Paal und Lee den Großteil der Diskussion sprachen. Gesellschaftlich hinge das Land seinem wirtschaftlichen Stellenwert weit hinterher und schneidet in sämtlichen Rankings dementsprechend schlecht ab, leiteten die Experten ein. Der Freedom House Index stuft die Volksrepublik als „not free“ ein und auch der aktuelle Human Development Report zeigt viele Defizite des riesigen Landes auf, dessen politische Führung auch im Jahr 2016 die Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt sowie große Teile des Internets blockiert.

Zwar gebe es auch sehr positive Beispiele von gelebter Demokratie – Japan und Südkorea - und man habe gezeigt, dass man „frei und reich“ sein kann. Am Ende stellt Lee jedoch die Frage, was Asien trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs in den letzten Jahren für die Eigene und die Weltbevölkerung geleistet hat? Paal hakte an dieser Stelle ein und stellte fest, dass es die wichtigste Aufgabe der aufstrebenden asiatischen Staaten sei, die Basis für eine liberale Gesellschaft zu schaffen.

„China ist außenpolitisch isoliert“

China hält weiterhin am Ein-Parteien-System und einer autoritären Politik fest, was nicht Hand in Hand gehen kann mit florierender Wirtschaft und Demokratie, stellt Lee weiterhin fest. Die Einschränkung der Freiheiten der Gesellschaft wird laut ihm in den nächsten Jahren ein großes Problem für China sein. Eine so große Bevölkerung ließe sich nicht dauerhaft isolieren – nicht vom Internet und auch nicht von externem Gedankengut. Man könne nicht kontrollieren was die Menschen denken. Für viele junge Chinesen, die andere Systeme und Länder erlebt haben und beispielsweise nach dem Studium in den USA zurückkehren, sei die chinesische Staatsidee zu engstirnig. Man habe keine Alternativen für junge Menschen, die der Überzeugung des Staates nicht folgen wollen und dem Paradigma nicht glauben. Gleiches gelte auch für andere asiatische Staaten, resümierten die Experten, als sie auf die außenpolitischen Verhältnisse zu sprechen kamen. Selbst in freieren Gesellschaften wie Taiwan oder Südkorea sei die Vorstellung vom „starken Staat“ noch zu sehr in der Bevölkerung verankert.

Ebenso isoliert wie Chinas Bevölkerung innerhalb des Landes, gestaltet sich auch die außenpolitische Lage, erklärt Lee. Zwar habe man keine Feinde in der Region, aber auch ebenso wenig Freunde oder Partner mit ähnlichen Ansichten und Interessen. Diese Situation habe zur Folge, dass alle anderen Staaten auf einem schmalen Grat wandern, was ihre China-Politik angeht. Staaten wie Taiwan, Südkorea oder Japan müssen ihre gleichzeitigen Beziehungen zur USA und zu China sehr ausgewogen gestalten und ausbalancieren.

Südostasien als militärischer Gefahrenherd

Die direkten und indirekten Beziehungen zwischen der Volksrepublik China als Aufsteiger und der USA als Hegemonialmacht im Westpazifik bergen seit geraumer Zeit ein enormes Konfliktpotenzial und werden schon seit Anfang der 2000er Jahre von Politikwissenschaftlern aller Welt analysiert. Egal welche Theorie der Internationalen Beziehungen man verwenden mag – Realismus, Liberalismus, Institutionalismus und Konstruktivismus sehen keine Lösung des Hegemonialstreits ohne größere politische Zugeständnisse oder militärische Auseinandersetzungen.

Dazu gesellen sich zahlreiche Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer, die es sich mit China als wichtigem Handelspartner nicht verderben wollen, sich aber zunehmend vor einem einschüchternden Auftreten Pekings fürchten und militärisch an die Seite Washingtons treten. Diese angespannte Situation innerhalb Asiens wird verschärft durch ebenso militärische Aufrüstung anderer Nationen, zahllose bilaterale Differenzen und jeder Menge Misstrauen, resümiert Professor Lee. Auf die Forderung der G7, dass die seit Jahren anhaltenden Territorialstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer friedlich zu lösen seien, reagierte Peking zuletzt äußerst empfindlich und berief sämtliche Botschafter ins Chinesische Außenministerium ein.

Weitere Aspekte, die das Buch „Fault Lines In A Rising Asia“ thematisiert, wurden im Laufe der Diskussion nur kurz angesprochen, sind jedoch ebenso relevant für die Bewertung der Lage: Indische und Pakistanische Bestreben nach Nuklearwaffen oder die dauerhaft latente Gefahr, die von Nordkorea ausgeht, machen die Region zu einem der größten Gefahrenherde weltweit. Alles in allem eine extrem unübersichtliche und zerfahrene Situation stellen die Experten fest, die sich dann gegen Ende der Veranstaltung und auf Nachfrage der Rolle Russlands widmeten.

Keine „Brücken“ zwischen China und Russland

Douglas Paal bemerkte an dieser Stelle, dass sich China und Russland den über 2.800km langen Grenzfluss Amur teilen würden, es allerdings keine einzige Brücke vom einen ins andere Land gebe. Auch Lee bestätigte diese symbolische Aussage und bezeichnete den Einfluss Russlands in Ost- und Südostasien als marginal. Die Chance, dass sich Anrainerstaaten Chinas zukünftig Russland zuwenden könnten, um dem Zweikampf zwischen den USA und der Volksrepublik zu entkommen, bewerteten die Experten als sehr gering.

Die abschließende Frage aus dem Publikum zielte darauf ab, wie man aus US-Sicht auf Chinas zunehmend aggressiver werdende Politik einwirken könne? Zuletzt hatte man im Zuge der Verhandlungen des Transpazifischen Freihandelsabkommens (TPP) eine Möglichkeit der Kooperation aufgezeigt. Die Obama-Administration hatte verkündet, TPP sei kein Bollwerk gegen China, sondern vielmehr als eine Herausforderung gedacht. Viele Nachbarn und Handelspartner Chinas sind Vertragspartner und die Volksrepublik selbst kann zu einem späteren Zeitpunkt, falls es die Vertragsbedingungen erfüllt, auch Mitglied werden.

Lee fasste zusammen, dass niemand eine externe Lösung für das finden könne, was China innenpolitisch erwartet. Es müsse ein Umdenken von der politischen Führung ausgehen, das ein Verständnis darüber beinhaltet, dass das aktuelle System nicht mit weiterem Aufstieg einhergeht. Angesichts der umstrittenen Machtverhältnisse im Pazifik werden China und seine Anrainerstaaten in der nächsten US-Administration eine sehr große Rolle spielen.

Ein Bericht von Kevin Hähnlein

Verantwortlich und Redaktion: Dr. Lars Hänsel

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