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"Perry gilt als nominierbar, Romney als wählbar"

US-Präsidentschaftswahlkampf 2012

Im November 2012 wird in den Vereinigten Staaten ein neuer Präsident gewählt. Bleibt Barack Obama im Amt oder obsiegt ein republikanischer Herausforderer? Die Weichen dafür werden bereits dieser Tage in einem komplizierten Vorwahlkampf innerhalb der republikanischen Partei gestellt. Der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wasgington, D.C., Dr. Lars Hänsel, erklärt im Interview mit news.de, wer die besten Chancen hat.

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Die republikanischen Favoriten für den kommenden Präsidentschaftswahlkampf kristallisieren sich heraus. Wer hat die größten Chancen gegen Obama anzutreten?

Lars Hänsel: Der Gouverneur von Texas, Rick Perry, gilt derzeit als aussichtsreichster Kandidat vor Mitt Romney. Perry ist aber für eine Mehrheit der Amerikaner nicht wählbar und würde wohl gegen Obama kaum eine Chance haben. Romney dagegen könnte erfolgreich gegen Obama antreten, dürfte es im Vergleich zu Perry aber schwerer haben, überhaupt als republikanischer Kandidat aufgestellt zu werden. Kurz: Perry gilt als nominierbar, Romney als wählbar. Das kann sich aber ändern. Bei der Testwahl in Florida hat überraschend Herman Cain gewonnen, den viele schon abgeschrieben hatten.

Je radikaler der Kandidat, desto größer scheinen dessen Chancen zu sein, gegen Obama antreten zu dürfen. Wie erklären Sie sich diese Radikalisierung?

Im Moment geht es um die Vorwahl durch die republikanische Parteibasis. Alles, was wir jetzt von den Kandidaten hören, ist an diese Leute gerichtet, nicht an die allgemeine Wählerschaft. Die Kandidaten geben sich deshalb betont konservativ. Auch weil die Staaten der ersten Vorwahlen, wie etwa Iowa und South Carolina, als besonders konservativ gelten. Gleichzeitig sind sie entscheidend für die Nominierung. Wenn der Kandidat im kommenden Sommer feststeht, muss er sich aber um die allgemeine Wählerschaft und vor allem um die Unabhängigen bemühen. Dann werden wir gemäßigtere Töne hören.

Drei Jahre ist George W. Bush nicht mehr im Amt und schon macht sich mit Perry der nächste Texaner auf den Weg nach Washington. Woher rührt diese Sehnsucht nach dem Cowboy, dem starken Mann?

Dass Rick Perry in der Tat George W. Bush in vielem ähnelt - bis hin zum Aussehen - gilt nicht gerade als ein Vorteil für ihn, wenn es um die allgemeine Wählerschaft geht. Seine Anhängerschaft hat er vor allem unter der Tea-Party-Bewegung, die seine markigen Worte gegen das als abgehoben wahrgenommene Washingtoner Establishment als erfrischend empfindet. Je länger der Wahlkampf dauert, desto weniger wird ihm das helfen, da er sich auch um andere Wähler bemühen muss.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung?

Die Tea-Party-Bewegung ist ein heterogenes Sammelbecken ohne personelle Führung. Es vereinen sich darin u.a. christlich-konservative, sozial-konservative, fiskal-konservative Gruppen, die es schon vorher gegeben hat und die sich jetzt nicht zuletzt wegen der enormen Schuldenlast Sorgen um die Zukunft des Landes machen. Viele Anhänger der Tea-Party-Bewegung kommen aus den unteren Schichten und dem Mittelstand, welche fehlende Aufstiegschancen und das schleichende Absinken des Lebensstandards beklagen.

Wie viel Einfluss hat diese Bewegung?

Vor allem auf die Republikaner hat die Tea-Party-Bewegung derzeit großen Einfluss. Umstritten ist, wie groß der Einfluss der Tea-Party-Bewegung unter der Bevölkerung tatsächlich ist. Dass aufgrund ihres Einflusses der kürzlich ausgehandelte Schuldenkompromiss beinahe scheiterte, hat ihr eher geschadet. Vielleicht hat sie Einfluss auf die republikanische Nominierung, auf die Wahl dürfte sich der Einfluss in Grenzen halten.

Es waren die Abgeordneten der Tea-Party-Bewegung, die die Anhebung der Schuldengrenze fast zum Scheitern brachte und die Zahlungsunfähigkeit der USA riskierten. Woher rührt die radikale Ablehnung Barack Obamas?

Abgelehnt wurde nicht zuerst Obama, sondern weitere Verschuldung. Nach Ansicht der Tea-Party-Bewegung ist der Staat in zu vielen Bereichen aktiv. Ihre Hauptthemen sind deshalb die Begrenzung der Staatsausgaben, die Ablehnung jeglicher Steuererhöhung und das Zurückdrängen des Staates aus vielen Bereichen, nicht zuletzt aus dem sozialen Bereich, um nach ihrer Auffassung wieder Freiräume für Wachstum zu schaffen. Die von der Tea-Party-Bewegung unterstützten Abgeordneten haben ihre Zustimmung unnachgiebig davon abhängig gemacht, dass es eine radikale Senkung der Staatsausgaben gibt. Eine Anhebung der Steuern zum Schuldenabbau lehnten sie konsequent ab.

Gegen Angriffe des politischen Gegners wehrt sich das Obama-Lager nun mit der Webseite attackwatch.com. Vermeintlich falsche Behauptungen der Republikaner werden dort widerlegt. Ist das eine gelungene Aktion der Demokraten oder der Schritt eines getriebenen Präsidenten?

Im Moment liegt die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem bei den Republikanern und der Wahl ihres Kandidaten. Die Demokraten beginnen nun, auch durch eigene Botschaften und Aktivitäten Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist nicht originell und wenig überraschend - ebenso wenig wie das Mittel des Faktenchecks, welches nicht nur von beiden Parteien als Wahlkampfinstrument, sondern auch von unabhängigen Medien häufig benutzt wird.

Es gibt Thesen, die Obama unter Rechtfertigungsdruck setzen. Die Behauptung Obama sei gar nicht in den USA geboren und dürfe deshalb gar kein Präsident sein ist weit verbreitet. Obama hat daraufhin seine Geburtsurkunde veröffentlicht. Eine Fälschung, behaupten Obamas Gegner. Bezieht sich diese Misstrauen auf die Person Obama, auch weil er Afroamerikaner ist oder geht es gegen den Staatsapparat an sich?

Es ist sicher richtig, dass die Präsidentschaft einer Person wie Obama mit afroamerikanischem Hintergrund noch keine Normalität darstellt. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt. Obama wird vorwiegend wegen seiner konkreten Politik abgelehnt. Aber seine Gegner suchen in der Auseinandersetzung natürliches alles, was ihn disqualifiziert. Da wird dann schon einmal eine Verschwörungstheorie bemüht. Die Medien sind nicht ganz unschuldig dabei, dieses Thema hochzuspielen. Über Donald Trump, der sich zugute hielt, Obama zur Veröffentlichung seiner Geburtsurkunde gezwungen zu haben, hat sich nicht nur Obama öffentlich lustig gemacht.

Wird Sarah Palin von der Tea-Party-Bewegung doch noch kandidieren?

Sarah Palin verhält sich derzeit wie eine Kandidatin: Sie reist durchs Land und gibt große, öffentlichkeitswirksame Reden - gern auch in der Nähe anderer Kandidaten. Sie lässt von sich in der Presse berichten, lässt sich von ihren Anhängern umjubeln und zur Kandidatur aufrufen. Eine späte Kandidatur würde ihr die vielen öffentlichen Debatten zusammen mit den anderen Kandidaten ersparen. Dort kritisieren sich die Kandidaten gegenseitig und beschädigen ihr Ansehen. Eine Kandidatur gilt dennoch als unwahrscheinlich. Nicht zuletzt deshalb, weil inzwischen Rick Perry einen großen Teil ihrer potenziellen Wählerschaft für sich eingenommen hat. Auch wenn sie vielleicht als nominierbar gilt – wählbar ist sie für viele wegen ihrer radikalen Aussagen nicht. Gegen Obama dürfte sie keine Chance haben.

Welche Rolle spielt die Religion im Wahlkampf?

Religion spielt generell in der amerikanischen Gesellschaft eine größere Rolle. Eine Mehrheit kann sich keinen nicht-christlichen Präsidenten vorstellen. Damit haben auch Gegner Obamas gespielt, als sie suggerierten, dass Obama nicht Christ, sondern Muslim sei. Die Kandidaten sprechen zu ihrer republikanischen, konservativen Wählerbasis. Dort haben Evangelikale und Christlich-Konservative einen großen Einfluss, um die auch mit religiöser Sprache geworben wird. Nachdem die Nominierung abgeschlossen ist, dürfte sich auch in diesem Bereich die Tonlage ändern.

Die breite Öffentlichkeit, um deren Zustimmung dann geworben wird, ist weniger empfänglich für diese Sprache. Abzuwarten bleibt, welche Bedeutung es im Wahlkampf noch haben wird, dass Mitt Romney und Jon Huntsman Mormonen sind. Sie gelten für viele christlich-konservativen als Anhänger einer Sekte. Dies ist mit Grund dafür, dass Romney als weniger nominierbar gilt als Perry, der seinerseits evangelikale Massengottesdienste veranstaltet.

Für den Fall, dass Perry, Bachmann oder möglicherweise Palin tatsächlich ins Weiße Haus einziehen: Was würde das für die USA und die internationalen Beziehungen bedeuten?

Das kann man derzeit noch nicht sagen. Der einzige Kandidat, der nachweisbare internationale Erfahrungen hat, ist Jon Huntsman. Er war zuletzt US-Botschafter in China. Der Wahlkampf drehte sich bisher um interne Fragen, vor allem um die Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung. In diesen Fragen wird die Wahl auch entschieden. Die gelegentlichen Aussagen der Kandidaten über ein zukünftig eingeschränktes internationales, insbesondere militärisches Engagement der USA, sind nach meiner Einschätzung kein neuer Isolationismus, sondern eher mit Blick auf den Haushalt und die finanziellen Möglichkeiten gesagt. In einer außenpolitischen Frage sind sich alle Kandidaten einig: Obama hat nach ihrer Auffassung Israel bisher zu viel abverlangt und zu wenig Druck auf die Palästinenser ausgeübt.

Beschädigen Kandidaten ohne außenpolitische Kenntnis nicht schon durch ihre mögliche Kandidatur die Würde des Präsidentenamtes?

Fast allen Kandidaten fehlt die außenpolitische Erfahrung. Dies galt übrigens auch damals für Barack Obama. Wichtig wird es deshalb sein, welche außenpolitischen Berater der jeweilige Kandidat dann als Präsident haben wird. Die Kandidaten werden im Wahlkampf rund um die Uhr von einer kritischen Presse genau beobachtet und nicht selten bewusst auf das Glatteis geführt. Dass die Kandidaten auch Fehler machen und nicht in allen Fragen bewandert sind, halte ich nicht für überraschend.

Die USA scheinen sich mehr und mehr von Europa abzugrenzen. Wenden sich die USA von Europa ab?

Es gibt in der Tat unterschiedliche Wahrnehmungen. Während Europa heute noch in vielen wichtigen Fragen vor allem auf die USA schauen, orientieren diese sich geopolitisch zunehmend nach Asien. Barak Obama gilt als "pazifischer" Präsident, nicht als "atlantischer". In Asien werden die Wachstumschancen und die neuen geopolitischen Gewichte gesehen. Außerdem ist China der größte Gläubiger der USA. Da wundert es wenig, wenn man sich aus nationalem Interesse intensiv mit China auseinandersetzt. Europa und Deutschland sind nach dem Kalten Krieg kein Objekt der amerikanischen Außenpolitik mehr - Europa wird nach der Einigung ein ganzes Stück als "erledigt" betrachtet.

Wie ist denn die amerikanische Wahrnehmung von Europa?

Europa wird heute als Partner gesehen, der Verantwortung übernehmen und den USA in manchen Fragen den Rücken freihalten kann. Man beschäftigt sich deshalb weniger mit Europa als mit den möglichen gemeinsamen Aufgaben auf dritten Feldern. Beobachtet wird allerdings genau, wenn Krisen, wie etwa die aktuelle Schuldenkrise, Auswirkungen auf die USA haben können.

Was ist mit der gerühmten transatlantischen Brücke? Gibt es keine Gemeinsamkeiten mehr in beiden Gesellschaften?

Es gibt sicher noch eine breite Basis gemeinsamer Werte. Beim kürzlichen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist das deutlich geworden. Allerdings ist dies für viele Amerikaner nicht mehr selbstverständlich. Gerade unter Republikanern, auch in weiten Teilen der Tea-Party-Bewegung, gilt Europa geradezu als Gegenbild, wenn es etwa um die Rolle des Staates geht. Unsere soziale Marktwirtschaft wird nicht selten als "sozialistisch" missverstanden und von amerikanischen Freiheitsidealen abgesetzt. Ich glaube, dass wir in Zukunft mehr Dialog über solche Fragen brauchen, um Missverständnisse auszuräumen und unsere gemeinsame Wertebasis - auch im Gegensatz zu Asien - deutlicher zu sehen.

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Paul Linnarz

Paul Linnarz bild

Leiter des Länderprogramms Japan und des Regionalprogramms Soziale Ordnungspolitik in Asien (SOPAS)

paul.linnarz@kas.de +81 3 6426 5041
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