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Wie viel Reform muss Sein?

Regierungs- und Bürgerrechtsperspektiven auf den NSA-Überwachungsskandal und mögliche Konsequenzen.

Am 19. November fand die zweite von drei Panel-Veranstaltung des „George-town Law Cen-ter on National Security and the Law“ (GLCNSL) zum Thema Überwachungsskandal in den USA statt.

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Unter dem Titel „Surveillance and Foreign Intelligence Gathering in the United States: The Current State of Play“ diskutierten Repräsentanten der US-Geheimdienste mit Vertretern aus der Zivilbevölkerung über das rechte Maß von Freiheit und Sicherheit, Überprüfbarkeit und Effizienz der amerikanischen Kommunikationsüberwachung. Im Fokus stand dabei vor allem der U.S.-interne Überwachungsskandal mitsamt Reformansätzen, während internationale Aspekte kaum angesprochen wurden.

Dem Panel gehörten an: Jameel Jaffer, Direktor des “Center for Democracy” der „American Civil Liberties Union“; Robert Litt, Chef-Justiziar des “Office of the Director of National Intelligence” (ODNA); Matthew G. Olsen, Direktor des “National Counterterrorism Center”; Marc Rotenberg, President des “Electronic Privacy Information Center”. Als Moderatorin agierte Laura K. Donohue, Direktorin des GLCNSL.

Die Veranstaltung eröffnete der republikanische Kongressabgeordnete Jim Sensenbrenner, der federführend in der Patriot Act Gesetzgebung nach 9/11 tätigt war, mit einigen einführenden Bemerkungen zum legislativen Standpunkt. Er skizzierte die zunehmende Anmaßung der Bush- und Obama-Regierungen in der Auslegung nachrichtendienstlicher Gesetze. Amerikanische Überwachungsdienste, so Sensenbrenner, würden im Alltagsgeschäft zunehmend über das Aufspüren „relevanter“ Inhalte hinausgehen und „schleppnetzartige Methoden“ anwenden. Um diese Exzesse auszubalancieren, welche zum Teil auf eine exekutive Überinterpretation der Vorgaben des Patriot Act von 2001 zurückgehen, plant Sensenbrenner daher gemeinsam mit dem demokratischen Senator Patrick Leahy eine Gesetzesinitiative zur Beschränkung der geheimdienstlichen Datenerfassung, den sogenannten „Freedom Act“.

Der „Freedom Act ist eine von 24 Gesetzentwürfen zur Regulierung der amerikanischen Geheimdiensttätigkeit, die derzeit im Kongress zur Diskussion stehen. Er ist einer der aussichtsreichsten, neben dem von Diane Feinstein, der Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses des Senats. Im Kern sieht er das Beenden der Massendatensammlung durch die NSA und die Schaffung eines „Office of the Special Advocate“ am ominösen Foreign Intelligence Surveillance Court (FISAC) vor, welcher in den bisher verteidigerlosen Verfahren für Datenschutzrechte einstehen soll. FISAC soll zudem enger durch den Kongress kontrolliert werden. Insgesamt sieht der Antrag damit umfassendere Einschränkungen als Feinsteins Entwurf vor.

Eine transatlantische Perspektive schimmerte lediglich nach der Frage einer schwedischen Studentin auf, welche sich nach der angebrachten Reaktion der USA auf Kritik ihrer europäischen Verbündeten erkundigte. Sensenbrenner, der vor wenigen Tagen von einer Reise nach Brüssel und Gesprächen mit MEPs zurückgekehrt war, sprach von ernstzunehmende Kritik seitens Europas, hegte aber vor allem ökonomische Bedenken: Die Regierung dürfe durch unbeholfene Auslandstätigkeit ihrer Geheimdienste nicht die Integrität der amerikanischen „TechGiants“ (Google, Facebook, Cisco Systems) gefährden.

In der Panel-Diskussion grenzten sich die Seiten der Regierungsvertreter und der Bürgerrechtler frühzeitig voneinander ab. Ein erster Streitpunkt war die Machtkonzentration in Behörden die mit einer maßlosen Erfassung von Daten einhergehe. Insbesondere Jameel Jaffer kritisierte die Gefahr, die von Überwachungsbehörden ausgehe, welche mit umfassenden Spielräumen zur Datenerfassung ausgestattet seien. Solche Macht werde früher oder später zwangsläufig missbraucht. Dem wiedersprachen Olsen und Litt, indem sie auf den bisher fast gänzlich ausgebliebenen Missbrauch innerhalb der Behörden hinwiesen. Auch würden strikte amtsinterne Kontrollen die rechtskonforme Verwendung aller Datensätze gewährleisten. Rotenburg kontert darauf, dass die Entwendung der Daten im Fall Snowden offensichtlich gegen diese Behauptung spreche.

Vor diesem Hintergrund wurde die Spannung zwischen dem geheimdienstlichen Bedarf an Handlungsfreiheit unter Geheimhaltung einerseits sowie dem demokratischen Prinzip der öffentlichen Verantwortlichkeit andererseits diskutiert. Litt betonte die Bedeutung nicht öffentlicher Entscheidungsprozesse, konnte jedoch keine genauen Grenzen ziehen und sprach sich „im Zweifel für Geheimhaltung“ aus. Rotenburg und Jaffer hingegen vertraten einen strikten Imperativ der „überwachten Überwachung“ und verlangten zumindest eine minutiöse Offenlegung der FISA Court Entscheidungen vor zuständigen Kongress Ausschüsse im Sinne von Sensenbrenners Gesetzentwurf. Die Legislative dürfe nicht auf die Kulanz der Exekutive angewiesen sein, wenn es um die Überprüfung substantieller Rechtsentscheidungen gehe.

Letzter Streitpunkt war die Methode der Metadatensammlung. Mit dieser ist die schleppnetzartige Erfassung von Verbindungsdaten im Internet gemeint, ohne inhaltsbasierte Analysen der Nachrichten zu betreiben. Während Olsen und Litt in diesem Verfahren einen minimalinvasiven Eingriff in Persönlichkeitsrechte mit maximalen Effekt zur Gefahrenabwehr sehen, befürchten Rotenburg und Jaffer eine völlig neue Form der allumfassenden Überwachung: Durch die massenhafte Erfassung der Kommunikation, unabhängig von Inhalten, ließen sich umfassende Persönlichkeitsprofile und Verhaltensmuster erstellen.

In den anschließenden Fragen des Publikums wurde vor allem das kritische Verfahren der Verquickung strafrechtlicher und geheimdienstlicher Verfahren behandelt. Dabei kam zur Sprache, dass die Verwendung geheimdienstlich erhobener Daten zwar rechtmäßig sei und des Öfteren zum Einsatz komme, jedoch ein großes Defizit in der Einbeziehung der Strafverteidigung in die Beweislage bestehe.

Insgesamt kann die Diskussion als kontrovers und bisweilen hitzig beschrieben werden, insbesondere Jaffer und Litt konfrontierten sich gegenseitig in Definitionsdebatten und Wortgefechten. Inhaltlich wurde deutlich, dass ein Großteil der amerikanischen Debatte nach den Snowden-Enthüllungen selbstreflexiv ist und sich weniger mit den globalen Auswirkungen befasse. Dies kann allerdings zum Teil mit der juristischen Perspektive der Diskussion erklärt werden. In den Argumenten der Teilnehmer spiegelten sich erwartbare Fronten wieder. Inte-ressant wird in naher Zukunft sein, welcher Grad der Reform durch die anstehende Gesetzgebungswelle erreicht wird. Alle Panelisten schienen dem Sensenbrennerschen „Freedom Act“ im Kern zuzustimmen und attestierten ihm gute Chancen im Kongress.

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Paul Linnarz

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Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

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