Asset-Herausgeber

Länderberichte

Eine junge Demokratie und ihre Probleme

von Corinna Heuer, David Robert

Die politische Situation in Mali nach den Wahlen des Jahres 2007

General Amadou Toumani Touré, genannt ATT, ist ein Mann der Verhandlungen. Der Präsident Malis, der Karrieresoldat, der Anfang der 1990er Jahre die Transition Malis zur Demokratie ermöglichte, setzt im Konflikt mit dem Tuareg-Führer Ibrahim Bahanga auf Gespräche.

Asset-Herausgeber

Fünfzehn Geiseln befinden sich seit Ende August in der Hand Ibrahim Bahangas. Im Mai 2006 war der Konflikt mit den Tuareg, der in den 1990er Jahren das Land an den Rand eines Bürgerkriegs geführt hatte, wieder aufgeflammt. Nach den Anschlägen von Kidal und Menaka vom 23. Mai 2006 leitete ATT umgehend Verhandlungen ein und erreichte mit der Unterzeichnung des Abkommens von Algier eine schnelle Beilegung des Konflikts.

Dieser Frieden hielt jedoch nur ein Jahr. Am 11. Mai 2007 kam es in Tinzawaten in der Grenzregion zu Algerien zu Kämpfen zwischen Soldaten von Ibrahim Bahanga und der nationalen Armee. Zehn Soldaten der nationalen Armee und zwei Zivilisten kamen dabei ums Leben. In den Monaten darauf verschärfte sich der Konflikt. Die Männer Bahangas setzen erstmals entlang der Hauptverkehrswege im von ihnen dominierten Gebiet im Norden Malis Anti-Personen-Minen ein, die im August sechzehn Todesopfer forderten. Am 26. August dann entführte Ibrahim Bahanga in der Nähe der Grenze zu Niger etwa fünfzehn Soldaten der malischen Armee.

Doch Bahanga ist innerhalb der Tuareg-Führer isoliert. Die anderen Unterzeichner des Abkommens wollen den Frieden und stehen zu den Abmachungen. Iyad Ag Ghali, der charismatische Tuareg-Führer, der 2003 die Freilassung der in der algerischen Sahara entführten Deutschen verhandelte, fungiert als Vermittler zwischen den beiden Parteien.

Die öffentliche Meinung fordert zunehmend eine militärische Lösung, die politische Klasse jedoch bezieht hierzu keine Position. Zwar hat sich im Zuge der Wahlen dieses Jahres eine Opposition zu Präsident Amadou Toumani Touré formiert, diese ist jedoch sehr schwach. ATT, der die Präsidentschaftswahlen Ende April im ersten Wahlgang mit 71,2% der Stimmen gewinnen konnte, verfügt nach den Parlamentswahlen im Juli weiterhin über eine breite Unterstützung im Parlament. Die Regierungskoalition konnte 113 der 147 Sitze der Nationalversammlung auf sich vereinigen.

IBK: Viel gewagt – (fast) alles verloren

Großer Verlierer der Wahlen des Jahres 2007 ist der ehemalige Parlamentspräsident Ibrahim Boubakar Keita, genannt IBK. Er löste sich vor den Wahlen als erster aus dem Konsens der politischen Klasse, die den Präsidenten Amadou Toumani Touré während der ersten drei Jahre seines ersten Mandats geschlossen unterstützt hatte. IBKs Oppositionskurs wurde nicht belohnt. Er trat als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen an, konnte jedoch nur knapp 20% der Stimmen erzielen. Bei den darauffolgenden Legislativwahlen schaffte der Parlamentspräsident, dessen Partei RPM (Rassemblement Pour le Mali) mit 44 Sitzen bis dato zweitstärkste Kraft im Parlament war, nur mit einer knappen Mehrheit den Einzug in die Nationalversammlung. Seine Partei stürzte ab und errang nur 11 Sitze. Sowohl die Funktion des Parlamentspräsidenten, als auch die des Oppositionsführers musste er daraufhin abgeben. Das Parlament wählte am 3. September den ehemaligen Außen- und Verteidigungsminister Dioncounda Traoré zum Parlamentspräsidenten. Dieser ist Vorsitzender und Gründungsmitglied der stärksten Partei der Regierungskoalition, der ADEMA, die 55 Sitze erhielt. Für die Partei RPM, deren Vorsitzender IBK nach wie vor ist, tritt in der Öffentlichkeit nun verstärkt ihr Generalsekretär, Dr. Bokary Tereta, auf. Die Rolle des Führers der Opposition füllt heute der Vorsitzende der zweitstärksten Oppositionspartei PARENA, Tièblé Dramé, aus. Dieser begann im Namen des Oppositionsbündnisses FDR (Front pour la Démocratie et la République) sogleich einen breitangelegten Dialog mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen über Fragen von nationalem Interesse, wie das neue Familienrecht, die Preisentwicklung der Konsumgüter oder auch die Sicherheit im Norden des Landes. Viele Probleme bewegen derzeit die malische Gesellschaft. So streiken die Lehrer der Oberstufe und die Professoren an den Hochschulen des Landes, und die Verteuerung der Grundnahrungsmittel trieb die Menschen im November zu Protesten auf die Straße.

Die neue Regierung und ihr Programm

Dennoch ließ nach den Wahlen die Regierungsbildung lange auf sich warten. Erst am 28. September ernannte Präsident Touré den bisherigen Generalsekretär des Präsidialamts, Modibo Sidibé, zum Premierminister. Der fünfundfünfzigjährige Sidibe, gestaltete 1991 unter ATT als Vorsitzender des Büros des Transitionskomitees den Übergang zur Demokratie in Mali maßgeblich mit. Von 1992 bis 2002 war er zunächst als Gesundheits- später als Außenminister Teil der Regierung Alpha Oumar Konarés. Auch seine Schwester und sein Bruder genossen das Vertrauen Konarés. Modibo Sidibés Schwester, Oumou Louise Sidibé, übernahm 1997 von ihm die Leitung des Gesundheitsministeriums, sein Bruder Mandé Sidibé war Premierminister der letzten Regierung Konarés.

Am 3. Oktober stellte der neue Premierminister seine Regierung vor. Die Ministerriege ist in weiten Teilen erneuert worden. Nur fünf Minister behielten ihr Amt, weitere drei Minister der alten Regierung wechselten das Portefeuille. Achtzehn neue Minister traten in die Regierung ein. Die ADP, die Koalition, die vor den Präsidentschaftswahlen ATT unterstützt hat, erhielt zehn Ministerämter. Die verbleibenden Ministerien gingen an unabhängige Kandidaten des Mouvement Citoyen, an die Zivilgesellschaft und auch an die Armee. Die Gegenkandidaten, die sich vor den Präsidentschaftswahlen unter dem Slogan „Alles außer ATT“ zur FDR zusammengeschlossen hatte, gingen leer aus. Frau Sidibé Animata Diallo dagegen, die als erste weibliche Präsidentschaftskandidatin gegen ATT antrat, sich aber nicht der FDR anschloss, ist als Erziehungsministerin Mitglied der neuen Regierung. Mit insgesamt sieben Ministerinnen ist der Anteil der Frauen in der Regierung Malis so hoch wie nie. Die Ministerinnen stehen wichtigen Ministerien vor: u.a. dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Handel, dem Ministerium für Kommunikation und neue Technologien und dem Ministerium für Wohnungsbau, Stadtplanung und Bodenrecht.

Präsident ATT hat in einem öffentlichen Brief an den neuen Premierminister den Rahmen des Regierungshandelns skizziert und an die Prioritäten und die Ziele seines Mandats erinnert. Schwerpunkte sind unter anderem die Reform der öffentlichen Verwaltung, zur Steigerung ihrer Effizienz und Stärkung des Staates, und das Erreichen eines deutlichen Wirtschaftswachstums. Ein jährliches Wachstum von 7% soll durch ein verbessertes makroökonomisches Management, durch die Förderung des Privatsektors sowie der landwirtschaftlichen Produktion und der Nahrungsmittelindustrie erreicht werden. Außerdem setzt ATT weiterhin auf die Medien zur Vermittlung der Arbeit der Regierung. In dem Brief an den Premierminister wird explizit eine „starke Politik der Regierungskommunikation“ gefordert. Die nationalen Medien, die staatlichen wie die privaten, seien die ersten Kanäle des Regierungshandelns. ATT wurde bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wegen der massiven Nutzung der staatlichen Medien für seine Zwecke stark kritisiert. Er scheint den Einfluss, den er auf die staatlichen Organe hat, nun auch auf die privaten Medien ausdehnen zu wollen.

Schließlich geht der Präsident in dem Brief auch auf die Sicherheitslage im Lande ein. Das Streben nach Frieden, Sicherheit und Stabilität sei eine Querschnittsaufgabe der Regierung, die Sicherheit auf den Straßen des Landes einer der Hauptschwerpunkte seiner zweiten Amtszeit. Die Politik in diesem Bereich gelte es zu überdenken und gegebenenfalls neue Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit auf den Straßen im ganzen Land zu gewährleisten.

Gerade im Norden des Landes, in den Provinzen Timbuktu und Kidal, ist dieses jedoch alles andere als einfach. Die Wüstenregion ist schwer zu kontrollieren. Auch im Nachbarland Niger sind die Konflikte der Tuareg mit der Zentralregierung wieder aufgeflammt. Die Rebellen beider Länder stehen untereinander im Kontakt und fliehen nach Angriffen häufig in das jeweilige Nachbarland. Wo sich die malischen Geiseln derzeit befinden, ist nicht bekannt. Auch die algerische Regierung ist als Vermittler in den Konflikt involviert, die öffentliche Meinung in Mali zweifelt aber zunehmend die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen an.

Der Tuareg-Konflikt hat strukturelle Ursachen. Die Region ist arm, die Wüste breitet sich spürbar aus. Da die Grenzen in der Gegend so schwer zu kontrollieren sind, blühen der Schmuggel von Zigaretten, Waffen und Drogen und die illegale Migration.

Die junge Demokratie in Mali steht vor großen Herausforderungen.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber