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Militärputsch im Niger beendet die unrechtmäßige Herrschaft von Präsident Tandja

Die erzwungene Absetzung von Präsident Mamadou Tandja lag seit längerer Zeit in der Luft. Nachdem Tandja seine Amtszeit über die in der Verfassung vorgeschriebene Beschränkung von zwei Legislaturperioden verlängert hatte, und das Land so zu einer Fassadendemokratie geworden war, verlor er zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung. Die für den Putsch verantwortlichen Militärs beteuerten, im Niger schnellstmöglich wieder demokratische Verhältnisse herstellen zu wollen.

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Am Mittag des 18. Februar stürmten Soldaten während einer Kabinettssitzung den Sitzungssaal unweit des Wohnsitzes von Präsident Tandja und überwältigten den Präsidenten. Die Militärs brachten ihn in eine nahe gelegene Kaserne, die anderen Minister wurden im Sitzungssaal festgehalten. Die Mehrzahl der Politiker konnte das Gebäude nach 24 Stunden verlassen, nur der Premierminister und sechs als besonders regierungstreu geltende Minister sowie Tandja selber und einige seiner Familienangehörigen befinden sich noch in der Gewalt der Putschisten, sind aber nach deren Angaben unversehrt.

Militärputschisten fordern Wiederherstellung der Demokratie

Die Putschistengruppe, die sich „oberster Rat zur Wiederherstellung der Demokratie (CSRD)“ nennt, hatte am 18. Februar bis in die Abendstunden versucht, Präsident Tandja zu einem freiwilligen Rücktritt zu überreden, erst danach verkündete sie um 22.15 Uhr Ortszeit im Fernsehen die erzwungene Absetzung des Präsidenten sowie die Suspendierung der Verfassung und der Verfassungsorgane. Für den Putsch verantwortlich gemacht werden Oberst Djibrilla Hima Hamidou, genannt Pelé, Oberst Harouna Amadou und Oberst Goukoye Abdul Karim. Hamidou und Amadou waren bereits an einem früheren Putsch im Jahr 1999 beteiligt. Ihnen unterstehen Einheiten mit schwerer Artillerie. Oberst Karim ist zudem Sprecher der Armee. Er war es, der im Juli vergangenen Jahres die Truppen ermahnte, in den Kasernen zu bleiben und nicht in den politischen Konflikt einzugreifen. Vorsitzender des CSRD ist der Geschwaderkommandeur Salou Djibo, der während der Übergangsregierung auch der einstweilige Staatschef ist. Djibo, der seine militärische Ausbildung in der Côte d’Ivoire, China und Marokko erhielt, ist seit fünf Jahren Befehlshaber über eine Kampfeinheit. Vor dem Putsch war er nicht öffentlich in Erscheinung getreten.

Präsident Tandja hat Niger in eine Fassadendemokratie verwandelt

Präsident Tandja, der selbst nach einem Putsch und darauf folgenden demokratischen Wahlen im Jahr 1999 an die Macht gekommen war, galt lange Zeit als geachteter und respektierter Präsident, der 2004 im Amt bestätigt wurde. Er hätte im Jahr 2009 als großer Demokrat in den Ruhestand gehen können, wenn er sich an die Begrenzung der Amtszeit auf zwei Legislaturperioden gehalten hätte. Allerdings erklärte er Anfang des letzten Jahres, nur er sei in der Lage, den Niger „führen und retten“ zu können und müsse daher noch weiter regieren. Kurzerhand löste er das Parlament auf, setzte das Verfassungsgericht außer Kraft, führte ein verfassungswidriges Referendum durch und proklamierte die sechste Republik, die ihm erweiterte Machtbefugnisse verlieh. Die darauf folgenden Parlaments- und Kommunalwahlen wurden von allen ernstzunehmenden Oppositionsparteien boykottiert und als Farce bezeichnet. (Siehe KAS Auslandsinformationen 01/10).

Politischer Dialog galt als gescheitert

Angesichts der undemokratischen Vorgehensweise des Präsidenten hatte die Armee wiederholt erklärt, sie werde sich bei politischen Problemen neutral verhalten, denn diese sollten im politischen Dialog gelöst werden. Warum aber rückten die Militärs nun von ihrem Neutralitätsgebot ab? Es ist zu vermuten, dass der Auslöser der erfolglose Versuch eines inter-nigrischen Dialoges ist, der am 21. Dezember 2009 auf Initiative der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEDEAO) begann. Ziel war es, Regierung und Opposition an einen Tisch zu bringen, um die politische Krise im Land zu beenden und dem Niger wieder eine allgemein akzeptierte Verfassung zu geben. Bei einer Sitzung der CEDEAO am 16. Februar in Abuja, Nigeria, wurde bemängelt, der politische Dialog habe bisher keine nennenswerten Fortschritte gebracht. Auch dem senegalesischen Präsident Abdoulaye Wade, der als Freund von Präsident Tandja gilt und der sich als zusätzlicher Vermittler im Konflikt angeboten hatte, gelang es Anfang Februar nicht, ein Gespräch zwischen den Parteien in Niamey zu initiieren.

Militärs befürchteten Internationale Isolation

Somit könnten die Militärs den Putsch nach dem Scheitern des politischen Dialoges als letzten Ausweg gesehen haben, um die Machenschaften von Präsident Tandja zu stoppen. Auch wachsende Kritik aus dem Ausland und die Angst vor zunehmender Isolation in der Region könnten die Militärs in ihrem Entschluss bestätigt haben. Die illegitimen Handlungen von Präsident Tandja waren stark kritisiert worden, besonders von der AU und der Regionalorganisation CEDEAO. Letztere hatte immer wieder versucht, den Präsidenten umzustimmen. Wegen Verstoß gegen Prinzipien der Demokratie und Guter Regierungsführung wurde im Oktober 2009 die Mitgliedschaft Nigers in der Regionalorganisation suspendiert. Die Internationale Gemeinschaft hatte mit Konsequenzen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gedroht und die EU-Staaten haben ihre direkte Zusammenarbeit sowie die Budgethilfe eingestellt. Auch westafrikanische Nachbarländer zeigten kein Verständnis für das Gebären Tandjas. Nigeria, das für die Versorgung des Binnenlandes Niger von hoher Wichtigkeit ist, schloss sogar kurzzeitig seine Grenzen zum Niger.

Tandja verlor Kontrolle über Streitkräfte

Auch ist anzunehmen, dass der Präsident die Armee nicht mehr im Griff hatte. Während seines „zivilen Staatsstreiches“ im letzten Jahr hatte er in weiser Voraussicht die Armee in den Norden des Landes geschickt, wo sie gegen die Tuareg-Rebellen vorgehen sollte. Damit waren große Teile der Armee nicht in Niamey und konnten nicht gegen den Präsidenten vorgehen, zum anderen wurden sie durch zusätzliche Bezahlung und neue Ausrüstung materiell zufrieden gestellt. Diese Taktik konnte der Präsident jedoch nicht ewig aufrechterhalten – auch aus finanziellen Gründen. Es wird berichtet, dass Tandja während des Putsches eine militärische Einheit zur Unterstützung rufen wollte, deren Loyalität er sich sicher war, diese Einheit sei allerdings selber am Putsch gegen ihn beteiligt gewesen. Die Tatsache, dass es nur wenige Tote und Verletze in den Reihen der Soldaten gab, lässt außerdem den Schluss zu, dass die Leibwachen des Präsidenten zumindest in das Vorhaben eingeweiht waren.

Spekuliert wird auch über die Rolle Frankreichs. Die ehemalige Kolonialmacht verfügt im Land über handfeste Interessen, denn Niger versorgt die französischen Kernkraftwerke mit Uran. Bisher war Frankreich nicht durch überschwängliche Kritik an Tandja aufgefallen, aber es ist im Interesse Frankreichs, dass die politische Lage im Land stabil bleibt. Dies ist den Militärs bekannt und, sofern es nicht sogar eine weiter reichende Verständigung zwischen den Putschisten und Frankreich gab, konnten sich diese sicher sein, dass die ehemalige Kolonialmacht Maßnahmen, die aus ihrer Sicht der Stabilitätssicherung des Landes dienen, billigen würde.

Bevölkerung unterstützt Putschisten

Hinzu kommt, dass sich die Militärs der Unterstützung der Bevölkerung und der politischen Oppositionsparteien sicher sein konnten. Letztere hatten an die Armee appelliert, die demokratische Verfassung vor dem Präsidenten zu schützen. „Tandja – Schande für den Niger“ und „ein heilsamer Putsch“ war auf Plakaten bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Niamey zu lesen, an der zwei Tage nach dem Putsch rund 10.000 Menschen teilnahmen. In zahlreichen Deklarationen drückten zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Oppositionsbündnisse ihre Unterstützung für die Militärs aus.

Diese könnte jedoch schnell schwinden, wenn der CSRD seinen Worten keine Taten folgen lässt. Die Erwartungen an die Gruppe um Djibo sind hoch: viele Menschen erhoffen sich vom Putsch einen demokratischen Fortschritt und freie und faire Neuwahlen in absehbarer Zeit. Der CSRD betonte, er wolle nicht dem Beispiel Guineas folgen – dort hat das Militär nach einem Putsch im Jahr 2008 die Herrschaft übernommen und bisher keine Wahlen organisiert – sondern möglichst schnell durch Wahlen wieder demokratische Verhältnisse herstellen. Dass dies nicht in den nächsten Wochen passieren wird, wurde klar, nachdem Djibo erklärte, man werde nicht bloß zur Verfassung der fünften Republik zurückkehren, sondern diese auch gleich überarbeiten. Eine Neuwahl ist daher nicht vor Winter 2010 zu erwarten. In seiner neuen Rolle als Übergangspräsident hat Djibo bereits die ersten Verordnungen bekannt gegeben. Diese geben dem CSRD nicht nur exekutive, sondern auch legislative Kompetenzen, so lange bis neue Verfassungsorgane eingesetzt sind. Weiter wurde verordnet, dass eine neue Institution geschaffen wird, die die Wahlgesetzgebung überarbeitet. Die neue, überarbeitete Verfassung der fünften Republik soll per Referendum verabschiedet werden.

Werden die Putschisten ihre Versprechen halten?

Einiges spricht dafür, dass die Militärs die Übergangsregierung möglichst schnell beenden und die Macht im Land wieder abgeben werden. Zum einen fanden seit 1974 im Land bereits drei Putsche statt, bei den letzten zwei (1996 und 1999) gab das Militär nach einer kurzen Übergangszeit die Macht ab. Beim letzten Militärputsch, der den jetzt gestürzten Präsidenten durch freie und demokratische Wahlen an die Macht brachte, setzten die Militärs durch, dass die Amtszeit auf zwei Legislaturperioden begrenzt werden sollte. Bereits fünf Tage nach dem Putsch ernannte Djibo einen Premierminister für die Übergangsregierung. Der parteilose Mahamadou Danda, der zuletzt als politischer Berater in der Kanadischen Botschaft im Niger arbeitete, war bereits zweimal Minister und verfügt über gute Kontakte zu allen politischen Lagern im Land, Oppositionspolitiker bezeichnen ihn als kompetent und neutral. Die Wahl Dandas unterstreicht somit ebenfalls die Absicht des CSRDs, eine Lösung für die politische Krise finden zu wollen, an der alle politischen Akteure beteiligt sind.

Auch der Druck aus dem Ausland auf den CSRD ist groß. Das Ausland sowie Internationale Organisationen und Regionalverbände verurteilten den Putsch, blieben dabei aber ambivalent. So wurde der Putsch per se als undemokratische Handlung verurteilt, jedoch wurde nicht dazu aufgefordert, Tandja wieder ins Amt zu bringen. Vielmehr konzentrierten sich die Forderungen darauf, im Land möglichst schnell wieder demokratische Zustände herzustellen. Dies zeigt, dass die Internationale Staatengemeinschaft den Putsch zwar verurteilt, ihn aber in Kauf nimmt, unter der Bedingung dass der CSRD sein Versprechen hält. Am deutlichsten drückte es die CEDEAO aus: In einer Presseerklärung hieß es, die Regionalorganisation verurteile den Putsch, genauso wie sie vorher die Handlungen von Präsident Tandja verurteilt habe.

Für den Niger, welches sich auf dem letzten Platz des Entwicklungsindexes der UN befindet und in dem fast 90 Prozent der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar pro Tag leben, ist eine Rückkehr zu demokratischen Strukturen äußerst wichtig. Das Land ist auf ausländische Hilfe angewiesen und die Menschen hoffen auf eine Verbesserung ihrer Lebensumstände durch ein demokratisches System. Stirbt diese Hoffnung, dann könnte die Frustration der Menschen im Lande schnell zu sozialen Spannungen führen.

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Florian Karner

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florian.karner@kas.de

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