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Länderberichte

Präsident Tandja verwandelt Niger in eine Fassadendemokratie

von David Robert, Anja Berretta

Nach Proklamation der sechsten Republik

Die am 18. August 2009 verabschiedete Verfassung verleiht Präsident Mamadou Tandja absolute Machtbefugnisse, es gibt keine Mandatsbeschränkung mehr und der Präsident kann über die Besetzung der wichtigsten Ämter der Republik entscheiden. Obwohl die demokratischen Institutionen des Landes bislang funktioniert haben, gelang dem Präsidenten ein von langer Hand geplanter ziviler Staatsstreich.

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Im Mai 2009 hatte der Präsident erklärt, sich nicht an die in der Verfassung vorgeschriebene Beschränkung der Amtszeit halten zu wollen. Da der Präsident jedoch nicht verfassungswidrig handeln wollte, strebte er eine Verfassungsänderung an. Die Hürden für eine solche Änderung sind extrem hoch, Beobachter hielten es deshalb für unwahrscheinlich, dass das Vorhaben, welches bereits in sieben afrikanischen Staaten durchgeführt wurde, auch im Niger möglich sein könnte. Da gegen sein Vorhaben Protest zu erwarten war, löste der Präsident kurzerhand das Parlament auf und setzte das Verfassungsgericht außer Kraft.

Präsident setzt umstrittenes Referendum durch

Das vom Präsident angestrebte Referendum fand am 4. August statt mit einer Wahlbeteiligung von 68,3 Prozent. Laut Aussage der Wahlkommission stimmten 92,5 Prozent der Wähler der Verfassungsänderung zu. Beobachter der Wahlen bezweifeln jedoch sowohl die Wahlbeteiligung als auch den Ausgang des Referendums. Die Oppositionsparteien halten das Referendum nach wie vor für verfassungswidrig und kämpfen für die Fortsetzung der fünften Republik.

Sechste Republik tritt in Kraft

Letztere wurde offiziell mit der Verfassung vom 18. August 2009 beendet. Die sechste Republik verleiht dem Präsidenten eine hohe Machtkonzentration. Nicht nur kann er Präsident auf Lebenszeit bleiben, sondern er bestimmt auch die Besetzung des Verfassungsgerichts. Politische Aktivitäten werden nur gebilligt, wenn sie die öffentliche Ordnung nicht stören – hierzu zählen selbstverständlich nicht die Proteste der Opposition gegen das Gebären des Präsidenten. Repressionen gegen Journalisten sind an der Tagesordnung, Demonstrationen wurden gewaltsam aufgelöst und die Mehrzahl der Abgeordneten des nigrischen Parlaments, die nicht auf der Seite des Präsidenten stehen, wurden aufgrund von fadenscheinigen Korruptionsvorwürfen vorübergehend verhaftet.

Parlamentswahlen sind eine Farce

Am 20. Oktober schließlich fanden Parlamentswahlen statt, die jedoch von allen ernstzunehmenden politischen Oppositionsparteien boykottiert wurden. Die Mehrheit der Bevölkerung betrachtete diese Wahlen als Farce, trotzdem wurde offiziell eine hohe Wahlbeteiligung verkündet. Die Partei des Präsidenten, welche vor der Parlamentsauflösung keine Mehrheit hatte, stellt nun 76 von 113 Mandaten, die anderen Sitze gingen an nicht repräsentative Parteien. Damit hat Tandja nun alle wichtigen Institutionen unter Kontrolle.

Tandja plante Vorhaben von langer Hand

Tandja hat die demokratischen Institutionen, die sich ihm widersetzen, einfach ausgehebelt, bereitete dieses Vorhaben von langer Hand vor. Um sich der Unterstützung der Bevölkerung, wenigstens zum Teil, sicher zu sein, gründete er die Tazartché-Bewegung und berief sich bei der Amtszeitverlängerung auf „den Willen des Volkes“. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Armee, die eigentlich der Verfassung, nicht aber dem Präsidenten verpflichtet ist. Geschickt nutzte Tandja den Konflikt mit den Tuareg-Rebellen im Norden des Landes, um die Armee „abzulenken“: sie wurde aufgerüstet und in den Norden geschickt. Damit hat Tandja die Armee zum einen materiell zufrieden gestellt – die Soldaten bekamen für den Dienst im Norden zusätzliches Geld – zum anderen waren große Teile der Armee während des Staatsstreiches nicht in Niamey und konnten nicht zugunsten der Demokratie eingreifen. Bereits im Herbst 2008 hatte die Armee erklärt, sie werde sich bei politischen Problemen neutral verhalten, denn diese sollten im politischen Dialog gelöst werden. Ob diese erklärte Neutralität ein Fortschritt zur Nigers Vergangenheit der Militärputsche bedeutet oder die Armee damit der Demokratie einen Bärendienst erwiesen hat, ist zurzeit ein Diskussionsthema unter Experten in der Region.

Weitere Diskussionen drehen sich um die Hintergründe des Staatsstreiches. Mehrfach hatte der Präsident erklärt, er brauche zusätzliche drei Jahre im Amt, um sein Lebenswerk zu vollenden. Tandja hätte als großer Mann der Demokratie in den Ruhestand gehen können, der das Land zurück in die Stabilität geführt hat. Tandja selbst scheint das anders zu sehen. Immer wieder hatte er betont, der Einzige zu sein, der den Niger „führen und retten“ könne. Ein weiterer Grund könnte auch die Amtsnachfolge sein. Sein Sohn ist 37 Jahre alt und kann laut Verfassung erst mit 40 Jahren für das Amt des Präsidenten kandidieren, also dann wenn Tandja die Bühne räumen möchte. So könnte der Präsident sein Amt an den Sohn übergeben, eine Praxis die in vielen Afrikanischen Staaten üblich ist. Sollte Tandja die nächsten drei Jahre wirklich im Niger weiter regieren, dann dürfte sein Wunschnachfolger von der politischen Opposition nicht mehr viel zu befürchten haben.

Politische Opposition kämpft weiter

Diese hat trotz der Repressionen ihre Arbeit bisher nicht aufgegeben. Viele Aktivisten bereiten sich darauf vor, in den Untergrund zu gehen oder das Land zu verlassen. Dem ehemaligen Premierminister Hama Amadou, der von Präsident Tanjda ausgeschaltet wurde , ist es geglückt, die Partei MONDEN/FA (Mouvement Démocratique Nigérien pour une Fédération Africaine) zu gründen, die regen Zulauf von Dissidenten der Regierungspartei MNSD Nassara hat. Amadou gilt als Hoffnungsträger des Landes, selbst seine politischen Gegner sind davon überzeugt, dass nur ihm eine Mobilisierung der Bevölkerung gegen den Präsidenten zuzutrauen ist.

Internationale Kritik am Präsidenten

Amadou verfügt über gute Kontakte zur westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO, denen es wahrscheinlich auch zu verdanken ist, dass die CEDEAO die Geschehnisse im Niger sehr massiv kritisierte und die Mitgliedschaft Nigers suspendierte. Auch die Europäische Union und die Vereinten Nationen üben Druck auf den Niger aus, allerdings sprachen sie bisher keine Sanktionen aus. Sanktionen, das weiß sowohl die Internationale Gemeinschaft als auch der Präsident, bestraften zu einem großen Teil die Bevölkerung und Niger findet sich im aktuellen Human Development Index der Vereinten Nationen auf dem letzen Platz von 177 Ländern. Trotzdem ist es wichtig, dass die Internationale Gemeinschaft klare Signale nach Niamey sendet, ansonsten könnte der „zivile Staatsstreich“ des Präsidenten schnell Nachahmer auf dem Kontinent finden.

Staatstreich beendet Jahrzehnt der Stabilität

Die sechste Republik beendet ein Jahrzehnt politischer Stabilität im Niger und bedeutet einen herben Rückschlag für die demokratische Entwicklung des Landes. Der Präsident hofft darauf, dass die internationale Kritik abflauten wird und, sollte dem nicht so sein, China als Wirtschaftspartner einspringt. Der Niger verfügt über große Uranvorräte, in einigen Jahren wird das Land zum weltweit zweitgrößten Uranproduzenten aufsteigen. Präsident Tandja hat sein Vorhaben aus seiner Sicht demokratisch legitimiert und eine de-facto Fassadendemokratie geschaffen. Aber nicht nur im Niger werden formal demokratische Systeme etabliert, denen jeglicher demokratischer Geist entzogen wurde. Sollte das Regime Tandjas im nächsten Jahr die Gelegenheit bekommen, sich zu etablieren und seine Macht durch die zukünftiger Einnahmen der Rohstoffe zu untermauern, dann wird eine demokratische Entwicklung im Land für lange Zeit unmöglich sein. Damit es nicht so weit kommen kann, ist es die Aufgabe der Internationalen Gemeinschaft, die oppositionellen Kräfte zu unterstützen.

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