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Benin: Die Hamani Tidjani Affäre

Wie ein Autohehler die Politik in Atem hält

Seit mehreren Wochen bestimmt die Affäre um den im Niger gebürtigen und in Benin ansässigen Autohändler Hamani Tidjani die Schlagzeilen der beninischen Presse. Die Ereignisse wirken sich sowohl auf die höchsten Ebenen der nationalen Politik als auch auf die Beziehungen zwischen Benin und Nigeria aus.

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Auslöser der Affäre

Der aus dem Niger stammende Hamani Tidjani handelt mit Luxusautos, Gold und Kleidung und etabliert sich zu Beginn der 90er Jahren in Benin. Vor dort aus beliefert er den schier unbegrenzten Markt Nigerias mit gestohlenen Autos. Die Fahrzeuge kommen zumeist aus Europa und Westafrika, teilweise aus Nigeria selbst. Im Laufe der Zeit baut sich Tidjani eine einflussreiche Position in Benin auf und er verfügt bald über Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten von Politik und Verwaltung, unter anderem zu Innenminister Daniel Tawema und zu einem der Söhne Staatspräsident Kérékous.

Trotz seiner Beziehungen wird Tidjani im Jahre 1999 von der Polizei unter dem Vorwurf der Autohehlerei verhaftet, kommt kurz darauf aber gegen Kaution wieder frei.

Die Autodiebstähle werden oft in brutalster Manier durchgeführt, wobei es auch zu Toten kommt. Auch der Polizei gegenüber ist man nicht gerade zimperlich. Höhepunkt ist ein Überfall in Nigeria im April 2003 auf den Wagen der Tochter des nigerianischen Präsidenten Obasanjo. Dabei werden der Fahrer und zwei Kinder von einer Freundin der Tochter Obasanjos erschossen. Daraufhin beginnt in Nigeria eine großangelegte Polizeiaktion gegen die Autodiebe und die Spuren weisen nach Benin.

Am 22. Juli 2003 führt die beninische Polizei aufgrund einer Zeugenaussage eine Hausdurchsuchung bei Hamani Tidjani durch und findet sechs gestohlene Autos sowie gefälschte Fahrzeugpapiere. Die Polizei übergibt Tidjani dem beninischen Staatsanwalt Honorat Adjovi, der ihn aber aus Mangel an Beweisen auf Kaution freilässt. Einige Tage später ist Hamani Tidjani im Ausland verschwunden.

Schließung der Grenze zwischen Benin und Nigeria

Nigeria ist verärgert und bringt dies am 9. August 2003 durch Schließung aller seiner Grenzübergänge zu Benin überdeutlich zum Ausdruck. Benin ist ein Transitland und die Wirtschaft ist stark vom Handel – auch illegalem – mit Nigeria abhängig. Die Grenzschließung trifft Benin daher wirtschaftlich an einem äußerst empfindlichen Nerv.

Am 14. August 2003 fand auf Ersuchen Benins ein Gipfeltreffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern Nigerias und Benins im nigerianischen Grenzort Badagri statt. Dort einigte man sich darauf, die Grenzen wieder zu öffnen. Ermöglicht wurde das durch ein Zugeständnis Benins, die Bekämpfung der Automafia verstärkt zu betreiben und Operationen nigerianischer Polizeikräfte auf seinem Territorium zuzulassen – kaschiert unter der Formulierung "der Durchführung von gemeinsamen Aktionen beider Sicherheitskräfte", Codewort "Operation Fire for Fire". Beninische und nigerianische Polizisten kontrollierten daraufhin gemeinsam den Transitverkehr und teilweise operierten bis zu 400 nigerianische Polizisten auf beninischem Gebiet um und in der politischen Hauptstadt Porto Novo. Bei einer großangelegten Untersuchungsaktion wurden insgesamt über 200 Autos kontrolliert. 9 Fahrzeuge waren dabei zweifelhafter Herkunft, unter anderem wurde auch Modeste Kérékou, Sohn des beninischen Staatspräsidenten, mit einem verdächtigten Auto angehalten.

Trotz dieser gemeinsamen Aktionen bleiben die Beziehung zwischen beiden Staaten sehr angespannt und unausgeglichen, Letzteres vor allem zu Ungunsten Benins.

Am 26. August setzt das beninische Parlament, nicht zuletzt aufgrund des öffentlichen Drucks, einen Untersuchungsausschuss zur Affäre Tidjani ein.

Festnahme Tidjanis und Auslieferung an Nigeria

Am 11. September 2003 wird Hamani Tidjani in Mali verhaftet und nach Benin übergeben. Am folgenden Tag beginnen Verhandlungen mit Nigeria über seine Auslieferung, da die Verbrechen auf nigerianischem Boden stattfanden. Die nigerianische Regierung setzt sich mit ihrer Forderung nach einem beschleunigten Auslieferungserfahren durch und Tidjani wird am 25. September dem Generalinspekteur der Polizei Nigerias übergeben. Die Öffentlichkeit in Benin ist über diese Aktion empört, da es offensichtlich wird, dass die nigerianische Regierung mit großem Druck ihre Forderungen nach einem rechtlich fragwürdigen beschleunigten Auslieferungsverfahren durchgesetzt hatte. Der Höhepunkt der Entrüstung folgte am 27. September 2003, als beninische Medien darüber berichten, dass Tidjani in Abudja zuerst gefoltert und dann von nigerianischen Sicherheitskräften exekutiert worden sei. Obwohl sich einige Tage später herausstellt, dass diese Meldung frei erfunden war und Tidjani dort einem ordentlichen Gericht überstellt werden soll, stellt sich in der (ver-) öffentlichten Meinung Benins ein Wandel in der Beurteilung Tidjanis ein: Wurde er in den Medien zunächst als Verantwortlicher für den Mord an Polizisten, Grenzbeamten und Zivilisten dargestellt, sind nun gewisse Sympathien für ihn erkennbar und man macht sich vor allem Gedanken über die Rechtmäßigkeit seiner Auslieferung. In den Zeitungen fordern beninische Menschenrechtsorganisationen eine gerechte Behandlung Tidjanis. Es häufen sich nun auch negative Berichte über die allgemeine kriminelle Situation in Nigeria und die Behandlung von Häftlingen. Dabei werden auch Einzelschicksale von misshandelten beninischen Staatsangehörigen, die in Nigeria in die Mühlen der Justiz gelangt waren, dokumentiert.

Am 15. Oktober 2003 gewährt Hamani Tidjani in der Untersuchungshaft der nigerianischen Wochenzeitschrift „Tells“ ein ausführliches Interview, in dem er unter anderem seine Unschuld beteuert. Dieses Interview wird auch in Benin – in französischer Übersetzung – in großer Aufmachung veröffentlicht.

Konsequenzen der Tidjani-Affäre in Benin

In diesem Interview benennt Tidjani unter anderem seine Beziehungen mit hochrangigen Mitgliedern der beninischen Politik und Verwaltung. So wird beispielsweise als Detail bekannt, dass angeblich sogar Innenminister Tawema dem Hehler Tidjani trotz seiner bekannten Vorstrafen eigenhändig einen Waffenschein unterschrieben habe.

In Verbindung mit den bisher bekannt gewordenen rechtlichen Unregelmäßigkeiten gewinnt die vom Parlament eingesetzte Untersuchungskommission unter Oberstleutnant Massou immer mehr an Bedeutung. Neben den Korruptionsvorwürfen und der Zusammenarbeit an höchster Stelle ist man in Benin über die Tatsache verärgert, dass sich das Land zu einer Drehscheibe für Verbrechen entwickeln konnte – neben Autohehlerei ist auch die Rede von Drogenhandel und Geldwäsche.

Es blieb nicht nur bei Worten: Am 22. Oktober 2003 suspendiert der Ministerrat unter besonderer Mitwirkung von Staatspräsident Kérékou die ersten 13 Personen, die in die Affäre verwickelt sind, vom Dienst. Darunter befinden sich hochrangige Funktionäre, die direkt dem Präsidenten aber auch dem Finanz- sowie Innenministerium unterstellt sind. Auch hohe Polizeioffiziere werden ihrer Posten enthoben.

Der beninischen Öffentlichkeit sind jedoch diese „eilig“ durchgeführten Schritte zu wenig. Es wird bemängelt, dass diese sogenannten Bauernopfer das wirkliche Ausmaß der Korruption überdecken sollen, vor allem, so die Argumentation, sei bisher die Involvierung des Wirtschaftssektors nur halbherzig überprüft worden. Und dahin zielt der Hauptvorwurf: Die Politik werde zunehmend von einer nach mafiösen Strukturen operierenden Wirtschaft beherrscht. Dieser Vorwurf wird mehr oder weniger direkt auch gegen Kérékou erhoben, dessen Ansehen unter der Affäre, je nach Betrachtungsstandpunkt, ebenfalls gelitten hat.

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