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Niger: Nationale Strategie zur Konfliktprävention

von Klaus D. Loetzer
Welche Bedeutung die Regierung des Niger dem Prozess der internen Konfliktprävention beimisst, zeigte sich an der Tatsache, dass Premierminister Hama Amadou mit 4 Ministern zwei Tage lang persönlich an den Diskussionen des Forums teilnahm und das Ergebnis stark beeinflusste.

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Vom 27. bis 31. Januar 2003 fand in Agadez/Niger ein Forum zur „Nationalen Strategie zur Konfliktprävention“ statt.

Er wies unter anderem darauf hin, dass dies nicht eine weitere Veranstaltung sei, um der internationalen Gebergemeinschaft Geld aus der Tasche zu ziehen, ein neues Büro aufzubauen und das dann mit Personal, Computern und Geländefahrzeugen auszustatten. Es gehe vielmehr darum, mit den eigenen knappen Mitteln eine Strategie zu entwickeln und umzusetzen, die von allen politischen Kräften im Lande mitgetragen wird. Entsprechend waren die Teilnehmer ausgewählt worden, d.h. neben der Regierung und internationalen Organisationen waren politischen Parteien inklusive Opposition, Armee, Zivilgesellschaft, traditionelle Führer und Medien vertreten.

Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die „Stratégie Nationale de Prévention des Conflits“ nicht als eigenständige, parallele Veranstaltung konzipiert wurde, sondern als Prozess, der querschnittsorientiert alle Poltikbereiche des Landes durchdringen soll. Insbesondere werden auch soziale und wirtschaftliche Fragen miteinbezogen. Entsprechend soll der Prozess auch durch eine „Commission Nationale de Prévention des Conflicts et de Promotion du Dialogue Social“ (CNPC/PDS) weiterentwickelt und umgesetzt werden.

Das ernsthafte Bemühen der Regierung Amadou unter Präsident Mamadou Tandja um Konfliktprävention kommt nicht von ungefähr. In 1999 mit demokratischen Wahlen neu ins Amt gekommen, hatte die Regierung unter Staatspräsident Mamadou Tandja in relativ kurzer Amtszeit eine aussichtsreiche Redemokratisierung des seit zehn Jahren krisengeschüttelten Landes eingeleitet, die dazu geführt hatte, dass damals die internationale Gebergemeinschaft die unterbrochene Zusammenarbeit mit Niger wiederaufnahm.

Trotz dieser positiven Entwicklung wurde die Zivilregierung unter Präsident Mamadou Tandja im letzten Jahr einer harten Bewährungsprobe unterzogen, als im August in der Region Diffa (Osten Nigers) eine Militärrevolte ausbrach, die zunächst auch auf andere Kasernen im Land übergriff (» Le Monde.fr: "Niger: une tentative de putsch a été déjouée à Niamey"). Erklärten die Meuterer, keine politischen Ziele, sondern die Verbesserung ihrer finanziellen und beruflichen Situation im Auge zu haben, so wurde auch aufmerksam registriert, dass sich unter ihnen bzw. in einer weiteren Gruppe auch Anhänger des ehemaligen Präsidenten Ibrahim Baré Maïnassara (1996-1999) befanden. Dieser Umstand führte bei vielen Beobachtern zu dem Schluss, dass weiterhin starke Spannungen innerhalb der nigrischen Armee bestehen und die Konfliktlinie zwischen Anhängern und Gegnern Maïnassaras verläuft. Obwohl der Aufstand innerhalb von neun Tagen beendet werden konnte, ist offensichtlich, dass tieferliegende Spannungen in den nigrischen Streitkräften weiterhin die Stabilität des Landes und damit den begonnenen Demokratisierungsprozess potentiell gefährden.

Die Regierung in Niamey unter Premierminister Hama Amadou hatte relativ unbeholfen auf die Ereignisse reagiert, indem sie den Notstand erklärte und zwei, die Pressefreiheit und Berichterstattung über die Meuterei einschränkende Gesetze erließ, die späterhin vom Verfassungsgericht als nicht verfassungskonform erklärt wurden. Das Vorgehen der Regierung löste in intellektuellen Kreisen heftige Diskussionen über die Akzeptanz der Demokratie in Niger und die Gewaltenteilung aus, insbesondere nachdem die Regierung es sich hatte nicht nehmen lassen, das Verfassungsgericht offiziell für seine Entscheidung zu kritisieren.

Von seinem Auftreten beim Forum in Agadez Ende Januar d.J. zu urteilen, hat Premierminister Hama Amadou offensichtlich zwischenzeitlich erkannt, dass eine friedliche Zukunft des Landes nur durch eine professionell gemanagte Konfliktprävention erreicht werden kann. Hervorzuheben ist auch, dass im » End-Kommmunikee (franz.) (.pdf) des Forums den politischen Parteien als Träger der öffentlichen Meinung zentrale Bedeutung zugewiesen wird.

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High Table

Rückblick

Wie sehr eine Politik des nationalen Dialogs und Integration nötig ist, zeigt auch noch einmal eine kurze Rekapitulation der jüngern Geschichte des Landes:

In zehn Jahren zwischen 1989 und 1999 hat es in Niger vier Republiken, vier verschiedene Verfassungen, drei Transitionen, vier Staatschefs, vier Parlamente, neun Premierminister, 20 Regierungen und 150 Minister gegeben. Dazu kamen ein ziviler Staatsstreich im Jahre 1991 und zwei militärische in den Jahren 1996 und 1999.

Der letzte Staatsstreich vom 9. April 1999, der zur Ermordung des damaligen Staatspräsidenten Ibrahim Maïnassara und der Einsetzung eines unter der Führung des Übergangspräsidenten Major Wanké geführten Militärrates führte, hatte den Weg zu transparenten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen eröffnet, aus denen Tandja und seine Regierungspartei „Mouvement national pour la société de développement“ (MNSD) siegreich hervorgingen.

Trotz der Einleitung des friedlichen Machtwechsels hatte der Militärrat in seiner neunmonatigen Amtszeit weiter zum wirtschaftlichen Niedergang Nigers durch die Plünderung staatlicher Kassen beigetragen und damit den neu gewählten Präsidenten vor einen schwierigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Anfang gestellt.

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Traditionelle Führer, vor allem in den Touareg-Gesellschaften, spielen im Niger eine wichtige Rolle. Ohne ihre Einbindung läuft eine Strategie zur Konfliktprävention ins Leere.

Hintergrundinformation zum Touaregproblem

Das Nomadenvolk der Touareg hat keinen eigenen Staat. Ihr Siedlungs- bzw. Bewegungsgebiet erstreckt sich auf fünf Staaten: Burkina Faso, Mali, Niger, Algerien und Lybien. In diesen Staaten ist das Verhältnis nicht immer konfliktfrei zu den sesshaften Bevölkerungsgruppen. Manchmal kommt es zum Ausbruch von Gewalt mit oft nicht unerheblichen Auswirkungen für die Touaregbevölkerung.

» Karte mit Erläuterungen (franz.)

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Elke Erlecke

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Regionalbeauftragte Ost Kommunalpolitik

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