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Ferdinand Friedensburg Ferdinand Friedensburg © picture-alliance/dpa | dpa

Ferdinand Friedensburg

Bergassessor, Landrat, Regierungspräsident, MdB, MdEP Dr. phil. November 17, 1886 Schweidnitz (Schlesien) March 11, 1972 Berlin

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Nachkriegszeit und Bundesrepublik

Nach Kriegsende übernahm Friedensburg die Präsidentschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und gehörte im Juni 1945 zu den Berliner Gründungsmitgliedern der CDU. Zunächst bemühte er sich erfolgreich um gute Beziehungen zur sowjetischen Besatzungsmacht. Im August 1945 ernannte ihn Marschall Schukow zum Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltung der Brennstoffindustrie in der Sowjetischen Besatzungszone. Aus diesem Amt wurde er allerdings kaum ein Jahr später wegen seines Widerstands gegen die entschädigungslose Enteignung von Bergwerken wieder entlassen. Nach der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin am 20. Oktober 1946 wurde Friedensburg für die CDU als Stellvertreter des Oberbürgermeisters Mitglied des Magistrats. Als solcher setzte er sich entschieden für die Erhaltung der deutschen Einheit ein, zu welchem Zweck er eine strategische Zusammenarbeit mit den Sowjets und der SED für nötig erachtete. Er gehörte zu den Mitorganisatoren einer Konferenz in Wannsee vom 9. November 1947, auf der verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter der spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher (SED) und der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD), zusammentraten, um noch einmal eindringlich die Einleitung von konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit zu fordern. Dieser und ähnliche Versuche brachten Friedensburg vor allem seitens der westdeutschen SPD den Vorwurf ein er vertrete die Interessen der Sowjetunion und betreibe „Satellitenpolitik“. In einer Stellungnahme der SPD-Parteivorstands im Vorfeld der Konferenz vom November 1947 hieß es:

„Seit Januar dieses Jahres bemüht sich die kommunistische SEP mit einem ungeheuren Aufwand an nationalen Phrasen, eine günstige Verhandlungsposition für die ihr nahestehende Siegermacht bei den kommenden politischen und diplomatischen Verhandlungen der Siegermächte zu schaffen. Deutschland ist ihr grade recht dazu, für die Interessen eines fremden Staates ausgewertet zu werden. […] Jetzt soll vor der Londoner Konferenz unter formaler Verantwortung des christlich-demokratischen Ostzonenpolitikers Dr. Friedensburg, der einer der Bürgermeister Berlins ist, eine Besprechung führender Persönlichkeiten des deutschen öffentlichen Lebens aus allen vier Zonen zustande gebracht werden. […]. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat mit diesem neuen Versuch der Satellitenpolitik nichts zu tun.“

Friedensburg antwortete auf diese Stellungnahme der SPD mit einem Brief an ihren Vorsitzenden Kurt Schumacher, in dem er unter anderem ausführte:

„Die Frage unseres Verhältnisses zur östlichen Besatzungsmacht stellt eines der schwierigsten Probleme für uns alle dar. Wollen wir aber trotz der aus diesem Problem sich ergebenden Spannungen die innerliche deutsche Gemeinschaft aufrechterhalten und ihre äußere Verwirklichung erreichen, so bleibt gar nichts anderes übrig als sich mit dieser Besatzungsmacht loyal und verständig auseinanderzusetzen […].“

Die SPD-Führung zeigte sich aber nicht bereit von ihrer Haltung abzuweichen und lehnte weiter jeder Zusammenarbeit mit der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED ab. Unter diesen Bedingungen konnte Friedensburgs Konferenz ihren Anspruch das deutsche Volk in seiner Gesamtheit zu repräsentieren nicht aufrechterhalten und erzielte somit keinerlei Wirkung. Stattdessen beschleunigte sich der Prozess der Teilung Deutschlands und Berlins. Im Juni 1948 wurde Berlin durch die Währungsreformen zunächst fiskalisch geteilt, was Friedensburg bis zuletzt zu verhindern versucht hatte. Anschließend begann die Sowjetunion sämtliche Zufahrtswege nach Berlin zu blockieren, weshalb die Westsektoren die nächsten Monate lang durch Amerikaner und Briten aus der Luft versorgt werden musste. Wegen der Zunahme willkürlicher Verhaftungen im sowjetischen Sektor, entließ Friedensburg, der im Magistrat für die Polizeiaufsicht zuständig war, Ende Juli dann den kommunistischen Präsidenten der Berliner Polizei und ersetzte ihn durch seinen sozialdemokratischen Stellvertreter. Diese Entscheidung wurde aber nur von den Westmächten akzeptiert, was de facto die Spaltung der Berliner Polizei bedeutete. Im Oktober spaltete sich auch die Stadtverordnetenversammlung. Aus Sicherheitsgründen mussten ihre Sitzungen in den Westsektor verlegt werden, wohin die SED-Abgeordneten nicht mehr erschienen. Tatsächlich galten die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung fortan nur noch in West-Berlin. Seit dem 14. August vertrat Friedensburg die erkrankte Oberbürgermeisterin Louise Schröder (SPD) und versuchte weiter dem Teilungsprozess entgegenzuwirken. In der gesamtstädtischen Verwaltung Groß-Berlins sah er das letzte Bollwerk eines einigen Deutschlands und setzte daher alles daran, sie so lange wie möglich zu erhalten. Aus diesem Grund verweigerte der Magistrat unter seiner Führung trotz sowjetischer Repressalien bis zuletzt die freiwillige Verlegung seines Sitzes von dem im Ostsektor gelegenen Stadthaus nach West-Berlin. Immer wieder appellierte Friedensburg zudem sowohl öffentlich als auch privat an die sowjetischen Verantwortlichen ihren Kurs zu korrigieren. Am Abend des 30. November 1948 wurde die Teilung Berlins aber allen Bemühungen Friedensburgs zum Trotz endgültig vollzogen. Mehrere hundert SED-Funktionäre versammelten sich im Admiralspalast und wählten einen „Gegen-Magistrat“ mit Friedrich Ebert junior als Oberbürgermeister. Am nächsten Morgen verweigerte die Ost-Berliner Polizei Friedensburg den Zutritt zum Stadthaus. Damit war die Tätigkeit des verfassungsmäßigen Magistrats endgültig auf den Westteil der Stadt beschränkt worden. Die Neuwahl der Stadtverordnetenversammlung fand vier Tage später nur noch in West-Berlin statt. Friedensburg wurde zwar von der CDU im Bezirk Spandau als Spitzenkandidat aufgestellt und auch in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Jedoch erzielte die SPD mit einem Stimmanteil von 64,5 Prozent einen Erdrutschsieg. Neuer Oberbürgermeister wurde Ernst Reuter (SPD), dessen Ernennung in der vorangegangenen Legislatur noch von den Sowjets blockiert worden war. Zwar entschloss sich die SPD trotz eigener Mehrheit dazu die bisherige All-Parteien-Koalition fortzusetzen. Friedensburg war im neuen Magistrat aber nur noch zweiter Stellvertreter des Oberbürgermeisters und als solcher deutlich weniger einflussreich, zumal er mit Reuter weder politisch noch persönlich harmonierte. Bei der ersten Wahl zum West-Berliner Abgeordnetenhaus zwei Jahre später trat er erneut an und konnte sich kurzzeitig Hoffnungen auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters machen. Da die SPD nur noch 44,7 Prozent der Stimmen erzielte, die CDU 24,7 Prozent und die FDP 23,1 Prozent, wäre die Bildung eines Senats aus Union und FDP möglich gewesen. Konrad Adenauer hatte vor der Wahl Friedensburg bedeutet, dass er in diesem Fall Regierungschef werden sollte, änderte aber nach der Wahl – womöglich unter US-amerikanischem Einfluss – seine Meinung und drängte auf die erneute Bildung einer All-Parteien-Koalition unter Führung Reuters. Einem Senat Reuter wollte Friedensburg nicht weiter angehören und verzichtete deshalb auf den abermaligen Eintritt in die Regierung. 1952[DL1]  wurde Friedensburg in den Deutschen Bundestag gewählt und schied damit endgültig aus der Berliner Landespolitik aus. Ab 1954 gehörte er zusätzlich dem Europaparlament an. Seine Politik in den Berliner Jahren war stets von der Überzeugung geleitet worden, dass die deutsche Einheit, deren Wiederherstellung für ihn oberste Priorität hatte, nur im Einvernehmen mit der Sowjetunion möglich sei, weshalb er, im Gegensatz zu Reuter und Adenauer, nie bereit gewesen war, vollständig mit ihr zu brechen. Seinen diesbezüglichen Grundüberzeugungen blieb er auch nach 1949 treu. Weiterhin sprach er sich für eine „werbende Ostpolitik“ aus und begrüßte noch im hohen Alter die neue Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition. Dem Bundestag und dem Europaparlament gehörte er noch bis 1965 an. Seinen anschließenden Ruhestand widmete er der Abfassung seiner Memoiren. Ferdinand Friedensburg starb am 11. März 1972 in Berlin.

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