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Country Reports

David Cameron neuer Vorsitzender der britischen Konservativen

by Thomas Bernd Stehling
Der 39jährige Unterhausabgeordnete David Cameron ist neuer Vorsitzender der britischen Konservativen. Bereits am morgigen Mittwoch wird er als Führer der Opposition in „Prime Minister´s Question Time“ Tony Blair gegenüberstehen und einem überfüllten Unterhaus und der Öffentlichkeit zeigen wollen und müssen, aus welchem Holz er geschnitzt ist.

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Voraussichtlich schon bis zum Ende der Woche wird er sein Schattenkabinett und die „Front Bench“ präsentieren und dabei versuchen, die Flügel der Partei ebenso einzubinden, wie die verbliebenen herausragenden Persönlichkeiten, darunter seine unterlegenen Mitbewerber um den Vorsitz. Es ist davon auszugehen, dass William Hague zurückkehren wird, Kenneth Clarke es allerdings bevorzugt, seinen neuen Vorsitzenden von den Hinterbänken aus zu unterstützen.

David Cameron ist der fünfte Vorsitzende der Konservativen in achteinhalb Jahren. Er wurde mit 134.446 Stimmen gewählt, sein Gegenbewerber David Davis erhielt 64.398 Stimmen.

Niemals zuvor seit dem 18.Jahrhundert verbrachten die Tories eine so lange Periode in der Oppsition, wie die Jahre seit dem Machtverlust 1997 bis zu den voraussichtlich nächsten Wahlen 2009. Niemals wurden sie so rücksichtslos ihrer Politik, ihrer Werte und ihrer Position in der Mitte der britischen Gesellschaft beraubt, wie durch Tony Blair und New Labour. Nie haben sie darauf verzweifelter reagiert, in der Suche nach neuen Führungspersönlichkeiten, Ideen und Programmen.

So beruht die Wahl von David Cameron weniger auf der Gewissheit, die sich aus der Kenntnis seiner Person und seiner politischen Erfahrung ergibt, als vielmehr auf der Hoffnung, dass ein junger, ungemein charismatischer und intelligenter Politiker, der innerhalb von wenigen Wochen zum Medienstar wurde, seine Wirkung auf Wählerschichten entfalten wird, die die Tories bislang alles andere als attraktiv fanden, insbesondere junge, urbane Wähler und Frauen.

Die Konservativen rechnen damit, dass David Cameron bei den nächsten Wahlen gegen Gordon Brown wird antreten müssen, den jetzigen Schatzkanzler, dessen vermeindliche oder tatsächliche Rivalität mit Tony Blair ganze Bücher füllt. In einer solchen Auseinandersetzung, so erwarten es die Tories, sehe Brown aus wie ein Mann von gestern, Cameron dagegen modern und die Zukunft des Landes repräsentierend.

Diese Aussichten sind es, die eine Karriere ermöglichten, die bislang bei den Konservativen undenkbar war.

Cameron, Jahrgang 1966, gehört dem Unterhaus erst seit 2001 an. Er hat den Wahlkreis von Douglas Hurd übernommen (West Oxfordshire), der ihn nachhaltig unterstützt. Cameron war bislang Schatten-Erziehungsminister im Schatten-Kabinett von Michael Howard, zuvor dessen Politik -Koordinator im Vorwege zu den Wahlen von 2005, und stv. “Chairman“ der Tories. Als „junger Mann“ hat er in dem „Think Tank“ der Tories gearbeitet, der „Policy Unit“ des Central Office, und war Berater des damaligen Schatzkanzlers Norman Lamont. Dort erlebte er 1992 die bitteren Stunden des Ausstiegs Grossbritanniens aus dem ERM und den nachfolgenden Rücktritt Lamont´s, Erfahrungen, die sein Bild zu Europa geprägt haben.

Sieben Jahre lang arbeitete Cameron als Direktor für „Corporate Affairs“ bei Carlton Communications.

David Cameron ist verheirat, seine Frau Samantha erwartet ihr drittes Kind, nach Tochter Nancy und dem behinderten Sohn Ivan.

Er hat klare Positionen zu den meisten Themen der innenpolitischen Debatte. Aber er warnt seine Partei davor, sich bereits heute programmatisch festzulegen, um dann möglicherweise im Vorwege zu den Unterhauswahlen in vier Jahren Positionen wieder räumen zu müssen, die nicht mehr in die aktuelle Situation passen. Er will vornehmlich das Erscheinungsbild der Tories ändern, „our culture and attitudes are out of step with the 21st Century Britain“. “We must transform our party. It must look, feel, think and behave like a completely new organisation.”

Cameron will die politische Ausrichtung der Partei öffnen, sie mit Themen identifizieren, die bislang nicht zu den Schwerpunkten gehörten, Lebensqualität, Familienpolitik, Umweltschutz, Armutsbekämpfung. Und er verspricht „contructive politics“, eine Abkehr vom traditionell konfrontativen Oppositionsstil, und bietet „Reformern“ aus allen Parteien eine Zusammenarbeit an.

Allerdings wird er auch die Themen erben, die die Tories seit Jahren beschäftigen und spalten. An erster Stelle steht das Verhältnis „zu Europa“. Er ist, wie auch sein Mitbewerber David Davis, resolut gegen eine Europäische Verfassung und eine weitere politische Integration. Beide treten entschieden für eine Rückübertragung von Zuständigkeiten in nationale Verantwortung ein.

David Cameron hat sich zusätzlich festgelegt, aus der gemeinsamen EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament zu gehen und eine neue Gruppe gleichgesinnter Europakritiker zu bilden.

Dies allerdings scheint sich zum ersten, grösseren strategischen Fehler Camerons zu entwickeln, denn diese Haltung wird zwar in der Partei mehrheitlich unterstützt, aber von einflussreichen Politikern aus Europaparlament und Unterhaus entschieden abgelehnt.

Es würde die Partei spalten, ihr Einfluss, Reputation, Geld und Positionen nehmen und damit einen schlechten Start für eine erfolgreiche Neupositionierung der Konservativen im Vorfeld des Führungswechsels bei Labour bedeuten.

Darüberhinaus sind vermeindliche „Verbündete“ im EP nur in einem politischen Spektrum zu finden, das den Anspruch Camerons, Reformer und Modernisierer zu sein, zu einer Karikatur verwandeln würde.

Ein solcher Schritt wäre ein Bruch klarer Verabredungen mit der EVP, eine Verletzung des eigenen Manifestes der Tories, und der individuellen Verpflichtung, die jeder Tory-Kandidat vor den Wahlen zum Europäischen Parlament gegenüber dem damaligen Chairman Liam Fox schriftlich abgegeben hat.

Die Neuwahlen zum Parteivorsitzenden waren notwendig geworden, nachdem Michael Howard nach dem schlechten Abschneiden der Tories bei den Wahlen zum Britischen Unterhaus am 5.Mai 2005 seinen Rücktritt für Ende des Jahres angekündigt hatte.

Zuvor wollte er indes noch das von William Hague eingeführte Wahlverfahren ändern, wonach die Unterhausfraktion zwei Kandidaten wählt, über die dann die etwa 260.000 Mitglieder der Partei in Urwahl abstimmen.

Howard scheiterte mit dieser Satzungsänderung. Der neue Vorsitzende wird weiterhin nach dem bisherigen Verfahren bestimmt.

Zur Wahl stellten sich die Abgeordneten Ken Clarke, Liam Fox, Malcolm Rifkind, David Davis und David Cameron. In allen Meinungsumfragen erreichte unter den nicht gebundenen Wählern Clarke die höchsten Werte, wegen seiner pro-europäischen Haltung allerdings nicht unter den Tory-Mitgliedern. Gleichwohl wurde in der Kampagne deutlich, dass der Wille zur Rückkehr an die Macht nach drei verlorenenen Wahlen diesmal mehr zählt, als die Übereinstimmung mit den inhaltlichen Positionen der Kandidaten.

Als Erster musste Rifkind einsehen, dass er keine Mehrheit unter den Unterhausabgeordneten würde erzielen können, die für die erste Stufe des Wahlverfahrens entscheidend sind. So zogen nur Clarke, Fox, Davis und Cameron in die „hustings“, vertrauliche und intensive „Befragungen“ durch die MP´s.

Zuvor hatte Cameron mit einer fulminanten Rede auf dem Tory-Parteitag in Blackpool gepunktet und wurde zum shooting star. Der hohe Favourit Davis stürzte nach einer misslungenen Parteitagsrede ab.

In der ersten Abstimmung der Fraktion scheiterte Ken Clarke, eine Woche später schaffte es Fox nicht unter die ersten zwei, Cameron ging als Sieger hervor, gefolgt von Davis.

Seither zogen beide in einer noch nie dagewesenen Kampagne durch das Land und die Medien. Zum ersten Mal in der britischen Geschichte trafen zwei politische Herausforderer – noch dazu von der selben Partei - in einer Fernsehdebatte aufeinander. Der Wettbewerb bei den Tories verdrängte über Tage hinweg die amtierende Regierung von den Titelseiten.

Dabei gab es klare Unterstützung in den Medien für David Cameron. Er zog auch die Mehrheit der Unterhausfraktion auf seine Seite, ebenso der Europaabgeordneten und der Vorsitzenden der lokalen Parteigremien. Er vereint „Linke“ und „Rechte“, Europabefürworter und –gegner, im Unterhaus von Ken Clarke bis Bill Cash, einem Vertreter jener Gruppe von Europagegnern, die John Major einmal als „Bastarde“ kennzeichnete, im Europaparlament von James Elles, dem Vorsitzenden des „European Ideas Network“ bis Roger Helmer, der kürzlich aus der EVP-ED-Fraktion ausgeschlossen wurde. Wie lange diese breite „Koalition“ im Alltag trägt, bleibt abzuwarten.

Davis und seine Anhänger verwiesen wenig erfolgreich auf Camerons Mangel an politischer Erfahrung und seine „elitäre“ Herkunft und Ausbildung. . Sie warnten vor der „Blairisierung“ der Tories, vor „Spin“ und auf Medienwirkung ausgerichteter Politik.

Eine heftige Debatte rankte sich um Cameron`s Weigerung, Auskunft über möglichen Rauschgiftkonsum während seiner Studentenjahre in Oxford zu geben.

Cameron wird die Kritik an ihm kalt lassen können. Der Verbrauch der Tories an Führungspersonal in den zurückliegenden Jahren gibt ihm Freiraum für die Zukunft. Nur aus seiner Generation werden sich mittelfristig Bewerber entwickeln, die bereit stehen, falls Cameron scheitert. Es ist die Generation der unter 40jährigen, die ihre Chancen erkannt haben, das Profil der Konservativen konsequent zu verändern und damit wieder an die Macht zu gelangen. Aus ihnen ragt der jetzige Gegenspieler von Gordon Brown heraus, der Schatten-Schatzkanzler George Osborne. Der 34jährige Erbe einer Industriellen-Familie hat den Wahlkampf seines langjährigen Freundes David Cameron organisiert und wird eine hervorragende Rolle in seinem Team spielen. Schon heute werden Cameron und Osborne als die Blair´s und Brown´s der Tories bezeichnet. Ob diese Partnerschaft auf konservativer Seite dabei einen ähnlichen Verlauf nimmt, wie bei Labour, wird eine der Fragen sein, denen sich die britischen Medien in Zukunft mit Genuss und Hartnäckigkeit annehmen werden.

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