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Islamismus und Salafismus in Deutschland: Eine aktuelle Lageanalyse

by Tanissa Conradi

Islamistische & salafistische Radikalisierung und demokratische Resilienz – Einblicke aus dem Verfassungsschutz

Dr. Roland Johne vom Landesamt für Verfassungsschutz beleuchtete in seinem Vortrag aktuelle Entwicklungen islamistischer und salafistischer Radikalisierung und deren ideologische Grundlagen. Er betonte dabei die Rolle digitaler Medien und Prediger bei der Verbreitung extremistischer Narrative und die Bedeutung von Prävention im sozialen Umfeld. Die Veranstaltung verdeutlichte, dass dem Extremismus nur durch ein Zusammenspiel staatlicher Maßnahmen und zivilgesellschaftlichen Engagements wirksam begegnet werden kann.

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Dr. Roland Johne über Islamismus und Salafismus in Deutschland

Nach einer kurzen Begrüßung durch Tanissa Conradi begann Dr. Roland Johne, Leiter der Abteilung „Prävention und phänomenübergreifende Analyse“ im Landesamt für Verfassungsschutz, mit seinem Fachvortrag. Zu Beginn gab er einen Rückblick auf vergangene islamistisch-terroristische Anschläge in Deutschland. Menschen würden häufig durch einen „Triggermoment“ aktiviert und nutzten dann Tatmittel, die sie in diesem Moment vorfinden – etwa einen LKW oder ein Messer. Die Gefahr liege dabei laut Dr. Johne insbesondere in ihrer Willkür. Anders als etwa der RAF-Terrorismus, der gezielt Symbolfiguren angriff, ziele der heutige islamistische Terror auf maximale Verunsicherung der breiten Bevölkerung ab. Die psychologische Wirkung („Gehe ich noch auf den Weihnachtsmarkt?“) sei ein zentrales Ziel solcher Angriffe.

 

Ein Element islamistischer Ideologien sei die Abwertung von Andersdenkenden und Andersgläubigen. Diese Ideologien verstießen gegen die Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere gegen Parteienpluralismus, die Gleichheit von Mann und Frau sowie die Volkssouveränität. In vielen Fällen sei zudem ein ausgeprägter Antisemitismus festzustellen, wie er sich etwa bei Ideologen wie Sayyid Qutb findet, dessen Schriften bis heute nachwirken.

 

Dr. Johne richtete den Blick besonders auf das Radikalisierungspotenzial digitaler Medien. Salafistische Prediger nutzten insbesondere soziale Netzwerke, um gezielt junge Menschen anzusprechen – häufig Jugendliche mit Migrationsgeschichte, die sich zwischen unterschiedlichen kulturellen Lebenswelten bewegten. Junge Menschen seien – unabhängig vom kulturellen Hintergrund – auf der Suche nach ihrer Identität und stellten sich die Frage, wo sie dazugehören. Influencer versuchten, diese Fragen zu beantworten, und propagierten etwa ein klares „Wir gegen sie“-Narrativ: „Muslime haben hier keine Chance. Wir gehen nicht auf den Weihnachtsmarkt, sie schon.“ Auch wenn nicht immer offen zu Gewalt aufgerufen werde, förderten solche Botschaften eine ideologische Abgrenzung zur Gesamtgesellschaft und seien daher auch integrationspolitisch problematisch.

Die Phase der ideologischen Radikalisierung und Vorbereitung auf mögliche extremistische Handlungen sei aus Sicht der Sicherheitsbehörden besonders relevant. Während spontane Anschläge kaum vorhersehbar seien, komme es umso mehr auf die Früherkennung im sozialen Umfeld an.

 

Ein wiederkehrendes Thema des Vortrags war das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und der Notwendigkeit, demokratiefeindlichen Ideologien entgegenzutreten. Dr. Johne betonte, dass eine Demokratie auch Gruppierungen und Meinungen aushalten müsse, die sie ablehnen oder kritisch sehen – solange diese sich im Rahmen der Gesetze bewegten. Der Staat greife gezielt und bewusst erst spät zu Verboten. Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, nur die „Spitze“ zu kappen. Auch werde beispielsweise bei jeder Einbürgerung eine Überprüfung durch den Verfassungsschutz durchgeführt – auch so baue die Demokratie Druck auf.

 

Dr. Johne betonte, dass sich Extremismus – ob islamistisch, rechts- oder linksextrem – stets durch ein Menschenbild der Ungleichwertigkeit auszeichne. Der Schutz vor extremistischer Gewalt sei daher nicht nur eine Frage der Sicherheit, sondern auch eine Frage der aktiven Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Neben staatlichen Maßnahmen sei vor allem gesellschaftliches Engagement notwendig. Dies beinhalte die Förderung von Medienkompetenz, politische Bildung, Aufklärung an Schulen und in islamischen Gemeinden, Schulung von Lehrkräften sowie die argumentative Auseinandersetzung mit extremistischen Narrativen – insbesondere im digitalen Raum.

 

Die Veranstaltung verdeutlichte eindrucksvoll, dass islamistische und salafistische Ideologien mit den Grundwerten einer offenen, pluralistischen Gesellschaft unvereinbar sind. Eine lebendige Demokratie lebt vom Meinungsstreit, von kritischer Reflexion und davon, auch unangenehmen Positionen mit Sachlichkeit und Haltung zu begegnen. Nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Einsatz kann dem Extremismus langfristig wirksam begegnet werden.

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