Asset Publisher

Single title

Linke Nichtregierungsorganisationen

by Michael Mertes

„Nützliche Idioten“ im Dienst des Feindes?

Das „Ministerial Committee for Legislation“ hat am Sonntag, den 13. November 2011, grünes Licht für zwei Gesetzentwürfe gegeben, die darauf abzielen, die Finanzierung von israelischen Menschenrechtsorganisationen durch ausländische Geldgeber einzuschränken.

Asset Publisher

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte bereits seine Unterstützung für einen dieser Gesetzentwürfe signalisiert. Es handelt sich um eine Initiative der Likud-Abgeordneten Tzipi Hotovely und Ofir Akunis. Sie möchten die finanzielle Unterstützung „politischer“ Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Israel auf 20.000 Israelische Schekel (ca. 4000 Euro) beschränken.

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums stehen politisch links orientierte Menschenrechtsorganisationen schon seit langem in Verdacht, als „nützliche Idioten“ das Geschäft der Feinde Israels zu betreiben. Eine eigene Organisation, der NGO Monitor, untersucht laufend, wie solche NGOs daran mitwirken, Israel in den Augen der Weltöffentlichkeit zu „delegitimieren“. In der Tat sieht sich Israel mit einer fundamentalen Asymmetrie konfrontiert. Es ist eine offene Gesellschaft, in der scharfe Selbstkritik an der Tagesordnung ist, während seine Todfeinde Andersdenkende brutal als „Verräter“ verfolgen. Dennoch wird es im Innern und von außen oft mit besonders strengen Maßstäben gemessen. Verständlicherweise empfinden viele Israelis das als unfair.

Israel wäre allerdings nicht Israel, wenn sich in der Öffentlichkeit keine Proteste gegen die geplante NGO-Gesetzgebung regten. Dies passt zu einem Land, das zu Recht stolz ist auf seine unabhängige Justiz – das Revisionsurteil gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Moshe Katsav (siehe Court: Katsav’s rape conviction stands) hat einmal mehr gezeigt, dass in Israel niemand über dem Gesetz steht.

Es geht in dieser Debatte aber nicht allein um Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. In einer benachbarten Arena findet eine Art Kulturkampf statt, bei dem die liberale Mitte den säkularen Charakter des Staates Israel verteidigt. Eine alarmistisch anmutende, aber oft zu hörende These lautet, der wachsende Einfluss der Ultraorthodoxen werde eine „Iranisierung“ Israels zur Folge haben. Yaron London sieht darin sogar eine Gefahr für Israels Sicherheit: Für die Ultraorthodoxen liege „das Heil der Juden in der Hand Gottes im Himmel (heavens)“, es hänge nicht ab „von der Fähigkeiten unserer Piloten am Himmel (skies)“ (siehe The ultra-Orthodox bomb. In light of demographic trends, Israel en route to becoming Iran-style state). In einem düsteren Zukunftsszenario malt Gideon Levy das Bild eines Landes, in dem Männer und Frauen in getrennten Bussen fahren und getrennte Straßen benutzen, Radio und Fernsehen nur noch singende Männer auftreten lassen dürfen und alle, ob Mann oder Frau, ihr Haupt bedecken müssen (siehe A new Israel in the making).

Doch genauso wenig, wie Menschenrechte ein „linkes“ oder „rechtes“ Thema sind, ist auch die Kritik an illiberalen Tendenzen der jüngeren israelischen Gesetzgebung eine ausschließliche Domäne der Linken. So hatte der dem Likud angehörende Knesset-Präsident Reuven Rivlin im Juli 2011 mit harten Worten das vom Parlament verabschiedete Anti-Boykott-Gesetz kritisiert (siehe Die parlamentarischen Fäuste der Mehrheit oder The parliamentary fists of the majority): „Wehe dem jüdischen demokratischen Staat, der die Meinungsfreiheit zu einem Bürgerdelikt macht … Nicht nur, dass dieses Gesetz der Demokratie kein effektives Mittel bietet, um mit dem Boykott-Problem fertig zu werden – es droht uns auch in eine Ära zu katapultieren, in der Knebelung von Menschen eine akzeptierte Rechtspraxis wird.“

Es war auch Reuven Rivlin, der erst kürzlich die Anschläge israelischer Rechtsextremisten unter anderem auf linksorientierte NGOs als „jüdischen Terrorismus“ geißelte (siehe Rivlin: ‚Price tag’ is terrorism – but don’t blame settlers). So musste das Jerusalemer Quartier der Friedensorganisation „Peace Now“ am 6. November 2011 wegen einer Bombendrohung evakuiert werden (siehe Jerusalem offices of Peace Now evacuated after bomb threat), und gegen Hagit Ofran, eine führende „Peace Now“-Aktivistin, wurde in einem Graffito die Morddrohung „Hagit Ofran, Rabin wartet schon auf dich“ ausgestoßen (siehe Death threats sprayed on home of Peace Now activist, in apparent ‚price tag’ attack).

Nicht wenige von denen, die der rechten Seite des politischen Spektrums angehören, sehen deutlich, dass dieser Terror dem Ansehen Israels in der Welt mehr schadet, als eine linksorientierte NGO es jemals könnte. Vor allem sind sie sich darüber im Klaren, dass die Regierung Netanjahu selbst zu den Adressaten solcher Drohungen gehört: Sie wird davor gewarnt, einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Sommer nachzukommen, nach der demnächst eine illegale Siedlung geräumt werden muss (siehe Israel Leader Signals Plan to Dismantle Outposts).

Aktuelle Pressedokumentation

Berichte

Haaretz Online vom 13. November 2011: U.S., EU pressure Netanyahu to scrap proposed bill against Israeli NGOs

Haaretz Online vom 13. November 2011: Israeli ministers back bills to limit funding for human rights groups

ynetnews.com vom 14. November 2011: Foreign funding bills our death sentence

Kommentare

Editorial Haaretz Online vom 9. November 2011: Netanyahu leading the fight against Israel's peace activists

Uri Misgav in ynetnews.com vom 10. November 2011: ‘Leftist law’ a bad joke. How can we ban foreign funding for leftist groups while taking billions from US?

Hagai Segal in ynetnews.com vom 11. November 2011: In praise of ‘leftist law’. Foreign funding of leftist groups is a blunt interference in Israel’s domestic politics

Mike Prashker in Haaretz Online vom 11. November 2011: Destructive, and anti-democratic

Hintergrundinformation zum „price tagging“

Wikipedia-Eintrag Price tag policy

Ein Beitrag von Michael Mertes zum russischen NGO-Gesetz von 2006: Rückschritte in Russland. Zur Reform des NGO-Gesetzes

Asset Publisher

6. November 2011: Die Täter haben die Worte „Tag mechir“ („Preisschild“ - sinngemäß: „Dafür müsst ihr zahlen“) auf die Mauer des Anwesens gesprüht, das unter anderem das Jerusalemer Quartier von „Peace Now“ beherbergt. Von ihnen stammt auch der rote Davidsstern auf der Tür. Eigenes Foto KAS Israel, gemeinfrei

comment-portlet

Asset Publisher