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Event Reports

Die Umbrüche im Nahen Osten

Am 11. Mai 2013 veranstaltete die KAS in Amman unter der Schirmherrschaft des jordanischen Premierministers Dr. Abdullah al Nsour ein Seminar mit dem Titel „Die Umbrüche im Nahen Osten“. Renommierte Politiker und Wissenschaftler verschiedener Institutionen und Ministerien sprachen über die gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen und religiösen Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf Jordanien. Ein besonderer Fokus galt dabei den syrischen Flüchtlingen in Jordanien und ihr Effekt auf das Land.

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Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Dr. Omar Oehring, Leiter des KAS Büros in Amman, die Anwesenden und bedankte sich für das zahlreiche Erscheinen und die hochkarätige Besetzung der Redner. Im Anschluss begrüßte Dr. Mohammad al Momani, Minister für politische Entwicklung und parlamentarische Angelegenheiten und Minister für Medien, die Teilnehmer im Namen des Premierministers. In seiner Rede betonte er, dass es bereits vor dem Arabischen Frühling zu zahlreichen Reformen in Jordanien gekommen sei, mit denen versucht wurde, Frieden und soziale Stabilität im Land zu erreichen. Die jüngsten Veränderungen seien daher keine Reaktion auf die Aufstände in der Region und müssten als unabhängige Bewegung gesehen werden. Am Beispiel Jordaniens sei deutlich geworden, dass Reformen und Wandel in der arabischen Welt auch möglich seien, ohne extreme Umwälzungen. Wie sehr Jordanien an Reformen interessiert sei, zeige sich am deutlichsten in den zahlreichen Verfassungsänderungen. Insgesamt wolle Jordanien ein Vorbild im Arabischen Frühling für andere Nationen sein. In diesem Sinne schließe die Regierung jeden in die Reformen ein und arbeite stets im Dialog mit allen Jordaniern, um die Visionen des Königs und des jordanischen Volkes zu erfüllen.

Einblicke in die deutsch-jordanischen Beziehungen

Prof. Dr. Pöttering, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, skizzierte zunächst die Arbeit der KAS, die schon mehr als 30 Jahre in Amman wirkt und mit ihrem Büro in der jordanischen Hauptstadt auch Projekte im Irak und Syrien organisiert. Er hob die guten Beziehungen und die hervorragende Zusammenarbeit der Stiftung mit den örtlichen Behörden hervor und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass diese in Zukunft zum Nutzen aller Jordanier noch weiter ausgebaut werden würden. Er referierte dann über die sehr guten Beziehungen zwischen Deutschland und Jordanien, deren sichtbares Zeichen die jordanisch-deutsche Universität sei, welche bereits 3.000 Studenten, davon 45% weibliche, unterrichte. Aber auch zwischen der EU und Jordanien gäbe es eine sehr besondere und stabile Beziehung, die unter anderem daran deutlich würde, dass der König bereits dreimal vor dem EU-Parlament gesprochen habe. Für die Zukunft erhofft sich Prof. Dr. Pöttering die weitere Förderung und Vertiefung dieser Beziehungen.

Syrische Flüchtlinge in Jordanien - Probleme und Lösungen

Der zweite Teil des Seminars war den syrischen Flüchtlingen gewidmet und den Problemen, die sie aufgrund ihrer großen Anzahl für das Land verursachen. Zunächst sprach Dr. Khaledl el Wazani, führender Wirtschaftswissenschaftler von Issnaad Consulting, über die wirtschaftlichen Auswirkungen. Er erinnerte die Zuhörer daran, dass Jordanien seit jeher Ziel von Flüchtlingen gewesen sei. So seien seit 1948 stetig Palästinenser auf der Flucht ins Land gekommen, später Iraker, die 1990 und dann erneut seit 2003 ins Land kamen. Die syrischen Flüchtlinge seien nur die Letzten, stellten aber aufgrund ihrer großen Anzahl und ihrer schnellen Zunahme das Land vor die größten Herausforderungen. Zwar verteilen sich die Syrer über das gesamte Land, mit 75% befände sich die Mehrheit aber in Amman oder den beiden Grenzprovinzen Irbid und al-Mafraq. Besonders hier seien daher zahlreiche Schwierigkeiten in der Infrastruktur, dem Gesundheitssystem und im Schulsektor entstanden. Dies liege vor allem daran, dass 80% der Syrer nicht in Camps lebe und sich 72% nicht offiziell als Flüchtlinge registriert haben, was dazu führe, dass sie keine offizielle (finanzielle) Unterstützung bekämen. Dr. Wazani erläuterte weiter, dass die Flüchtlinge eine große Belastung für die Wirtschaft von Jordanien darstellen würden. Trotz einer Staatsver-schuldung von 18 Milliarden €, was 78% des BIP entspricht, habe die jordanische Regierung zwischen März 2011 und November 2012bereits ca. 181 Million € direkt für die Flüchtlinge ausgegeben. Hinzu kämen die Makro-ökonomischen Kosten, welche durch Nahrungsmittelhilfe, ein erhöhtes Staatsdefizit, erforderliche zusätzliche Import und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt verursacht würden und sich insgesamt auf 460 Millionen € belaufen würden. Das entspräche 3% des BIP oder 7% der gesamten Regierungsausgaben des vergangenen Jahres. Zudem würden 83.000 Syrer illegal im Land arbeiten und damit Jordaniern Arbeitsplätze wegnehmen, was bei einer Arbeitslosenquote von 13-14% ebenfalls ein großes Problem darstelle. Des Weiteren würden immer mehr Gebrauchsgegenstände aus dem Camp Zaatari herausgeschmuggelt und verkauft, was jordanischen Händlern in der Region schade. Der Wirtschaftswissenschaftler kam abschließend zu dem Ergebnis, dass die gegenwärtige internationale Hilfe, vor allem angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen nicht ausreiche, um weiterhin eine angemessene Versorgung zu gewährleisten. Daher müsse die internationale Gemeinschaft den jordanischen Staat beim Unterhalt der syrischen Flüchtlinge dringend stärker unterstützen.

Dr. Hassan al Momni, Direktor des Regional Centre on Conflict Prevention des Jordanian Diplomatic Institute, wies in seinem Beitrag über die syrischen Flüchtlinge in Jordanien vornehmlich auf die gesellschaftlichen Folgen des Flüchtlingsstroms für Jordanien hin. Er erwähnte, dass sich die unterschiedlichen Gruppierungen des Syrien-Konfliktes, die hoch polarisierte und radikale Ansichten verträten, auch unter den zum Teil stark politisierten Flüchtlingen wiederfänden. Weil sich der Konflikt somit in den Flüchtlingslagern, aber auch im gesamten Land widerspiegele, entstehe ein großes Sicherheitsproblem. Aus diesem Grund forderte Dr. Momani, dass jetzt schon vorbeugende Maßnahmen, vor allem in den Camps aber auch darüber hinaus, ergriffen werden müssten, um eine spätere Radikalisierung Syriens zu verhindern. Er betonte gleichzeitig, dass dies nicht allein die Aufgabe der jordanischen Regierung sein könne, sondern eine internationale Aufgabe, die die Zusammenarbeit zwischen Jordanien und anderen Nationen erfordere. Diese sei ebenfalls notwendig, um eine politische Lösung für den Konflikt zu finden und den Flüchtlingen möglichst schnell die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen.

Die gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen und religiösen Konsequenzen des Aufstandes für Jordanien

Im abschließenden Teil des Seminars ging es um die Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf Jordanien. Dr. Jawad al Anani, Leiter des Policies and Stategies Department des Ministeriums für Internationale Zusammenarbeit, sprach über die allgemeinen Probleme mit denen die jordanische Wirtschaft derzeit konfrontiert ist und über die Ressourcen über die das Land verfügt um diesen zu begegnen. Dabei stellte er drei Hauptprobleme vor: Zunächst das hohe und stetig wachsende Staatsdefizit, welches ¾ des BIP ausmacht. Dann sei das Land mit sozioökonomischen Schwierigkeiten konfrontiert. Neben Armut, von der inzwischen 13.5% der Bevölkerung betroffen sei, seien die Arbeitslosigkeit, die zwischen 13-14% liege und die hohe Anzahl der Beamten - 45% aller Arbeitnehmer sind beim Staat beschäftigt -, die größten Herausforderungen. Hinzu komme der Mangel an natürlichen Ressourcen, insbesondere der Wasser- und Energiemangel. Die hohe Staatsverschuldung sieht er nur als einen Nebeneffekt, welcher aus den beiden anderen Problemen resultiere. So seien zum Beispiel die Energiekosten durch die Unterbrechung der ägyptischen Gaslieferung, von der Jordanien zu 100% für die eigene Energiegewinnung abhängig sei, enorm angestiegen. Um diese Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen, müssten seiner Meinung nach mehr Menschen bereit sein zu arbeiten, denn weniger als ein Drittel der Bevölkerung würde arbeiten oder aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Für Arbeitswillige müssten dann allerdings mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Beschäftigung von über 800.000 im Land arbeitenden Ausländern, was die Vollbeschäftigung der Jordanier erschwere. Aufgrund einer schlechten Kapitalpolitik in den vergangenen Jahren, um die Stabilität des Dinars zu garantieren und eine hohe Inflation zu verhindern, habe es sich nicht gelohnt Geld im Land zu investieren. Um die Probleme zu bekämpfen müsse dies geändert werden. Des Weiteren erhoffte sich Dr. al Anani durch eine Erschließung des Landes Jordanien auch in der Landwirtschaft wieder zu einem führenden Exporteur von Obst und Gemüse zu machen.

Dr. Nabil al Sharif, ehemaliger Minister für Information und Kommunikation, berichtete über die Verfassungsreformen des letzten Jahres. Vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings sei es möglich gewesen eine Reihe von Reformen durchzuführen, die vorher blockiert worden seien. Die Bewegung habe die bestehenden Neuerungen gefestigt und den Prozess des Wandels beschleunigt. In Bezug auf die Verfassung würden diese Änderungen unter anderem eine Stärkung des Parlaments und die Verbesserung der Unabhängigkeit der Judikative umfassen. Im Hinblick auf den Syrien-Konflikt warnte der ehemalige Minister vor der alarmierenden Fragmentierung der syrischen Gesellschaft und vor der entstehenden Fehde zwischen den Glaubensrichtungen. Er forderte, dass sich die politischen Parteien besser organisieren und trotz der jeweiligen Differenzen zusammenarbeiten müssten, um dem entstehenden Konflikt zwischen Islamisten und Liberalisten entgegenzutreten. Abschließend betonte er, dass Jordanien eine politische Lösung mit allen internationalen Partnern finden möchte und er hoffe, dass der Konflikt keinen Anlass für einen zweiten Kalten Krieg gäbe.

Als Letztes sprachen zwei Vertreter der christlichen und muslimischen Konf

essionen, um die Auswirkungen des Arabischen Frühlings auf die Religionen zu erläutern. Ekonomos Nabil Haddad, geschäftsführender Direktor des Jordanian Interfaith Coexistence Research Centers, ging dabei besonders auf das Entstehen von religiöspolitischen Parteien ein. Sicherheit und Frieden seien in vielen Nachbarländern Jordaniens durch den bestehenden und zunehmenden Extremismus, das Anschwellen des Selbstbewusstseins der Mehrheiten, die Stagnation der moderaten Stimmen und die unsichere soziale und wirtschaftliche Lage bedroht. In den Ländern des Arabischen Frühlings würden radikale Kräfte die Situation ausnutzen und die moderaten Stimmen immer mehr verdrängen. Diese Zunahme von religiöspolitischen Parteien und der Anstieg von Sektierertum würden zunehmend die Demokratie und religiöse Freiheit gefährden. Ägypten sei hier ein trauriges Beispiel. Immer mehr Kopten würden überlegen das Land zu verlassen, aber auch moderate Muslime fühlten sich unterdrückt. Um dieser Bewegung entgegenzuwirken, müssten laut Ekonomos Nabil Haddad die moderaten Stimmen gestärkt werden. Des Weiteren seien religiöse und politische Führer über ihre eigene Gemeinde und Anhängerschaft hinaus verpflichtet, eine parteien- und religionsübergreifend einende Rolle zu übernehmen, weil gemeinsame Ängste auch gemeinsam bekämpft werden müssten. Außerdem stünden alle Verantwortlichen in der Pflicht Aufklärungsarbeit zu leisten. Jordanien sei hier ein hervorragendes Beispiel, denn obwohl es ein „Mosaik“ von verschiedenen religiösen Gruppen im Land gebe, lebten diese alle friedlich und gleichberechtigt nebeneinander.

Dr. Hamdi Murad, Professor für Islamische Studien und ehemaliger Untersekretär im Ministerium für islamische Angelegenheiten, sprach über die tolerante Natur des Islams. Die Religion sei ein sehr wichtiger Bestandteil der Säulen der Gesellschaft und habe einen positiven Effekt auf die anderen Stützen. Allerdings dürfe sie dabei keineswegs zur alleinigen Alternative werden. In seinem Vortrag verurteilte er jede Form des Radikalismus und wies auf den seit jeher aufgeschlossenen Charakter des Islams hin. Einige wenige würden die Religion für ihre Zwecke ausnutzen und die islamistische Bewegung habe die Initiative des Volkes übernommen. Er forderte daher eine gemeinsame Zusammenarbeit, um diese Strömungen aufzuhalten. Indem religiöse, politische, wirtschaftliche und soziale Führungskräfte kooperierten und die moderaten Kräfte und den politischdemokratischen Prozess unterstützten, könnten sie zusammen Reformen gestalten und Extremismus verhindern. Abschließend appellierte er an die Anwesenden, sich für eine Förderung der Demokratie in allen islamischen Ländern einzusetzen, weil so der Islamophobie im Westen am besten begegnet werden könne.

Diskussion und Fazit

In der anschließenden Diskussion merkte ein Teilnehmer an, dass die Reformen der Regierung stark kosmetische seien und eine Implementierung in der Praxis weit hinter den Erwartungen zurückliege. Bis jetzt sei noch kein Schritt hin zur Demokratisierung des Landes gemacht worden, weshalb Jordanien Reformen brauche, die auch durchgesetzt werden würden.

Die Veranstaltung gab wertvolle Einblicke in die Chancen und Herausforderungen für Jordanien und die Region im Zuge des Arabischen Frühlings. Die Vielfalt und die verschiedenen Hintergründe der Redner ermöglichten einen umfassenden Überblick über die politische, wirtschaftliche und soziale Situation im Land.

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