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Country Reports

Mosambik nach dem Mord an Verfassungsrechtler Gilles Cistac

Der mosambikanische Verfassungsrechtler Giles Cistac wurde am 3. März 2015 gegen 8.50 Uhr auf offener Straße mit vier Schüssen von bisher noch unbekannten Tätern ermordet. Cistac war ein Dozent der Rechtsfakultät der Eduardo Mondlane-Universität in Maputo. Über mehr als zehn Jahre hatte der auf Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsfragen spezialisierte Mosambikaner mit algerischen Wurzeln als Partner mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammengearbeitet.

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Von Sultan Mussa, Mosambik

Cistacs Diskussions- und Buchbeiträge zur mosambikanischen Verfassung, die Wahlgesetzgebung und das Staatsrecht unterstrichen seine Kompetenz und den Willen, einen Beitrag zur Demokratisierung Mosambiks zu leisten. Mit diesem Engagement ging auch immer wieder Kritik an der mosambikanischen Regierung für verfassungsrechtlich fragwürdige Entscheidungen und Vorgehensweisen einher. Wohl auch deshalb war zum Beispiel seine Bewerbung für eine Stelle am Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahre 2012 von der mosambikanischen Regierungspartei Frelimo verhindert worden, obwohl Cistac mit seiner Expertise und vor allem Erfahrung in regionalen Integrationsprozessen sowie im Wirtschaftsrecht und Aufbau eines modernen Staates ein überaus geeigneter Kandidat gewesen wäre. Wer von der mosambikanischen Regierung jedoch als Sympathisant der Oppositionspartei Renamo angesehen wird, dem bleiben solche Karriereschritte in der Regel verschlossen.

In seiner letzten öffentlichen Diskussion äußerte sich Cistac zu der von der Renamo aufgeworfenen Frage, ob eine größere Unabhängigkeit der Provinzen im Rahmen der mosambikanischen Verfassung möglich sei. Am Beispiel der bereits existierenden Kommunen zeigte er auf, dass „autonome“ Provinzen im Land durchaus verfassungsmäßig wären, und stellte sich damit erneut gegen die Position der Regierung. Die beiden führenden Oppositionsparteien RENAMO und MDM verurteilten den Mord dementsprechend als "politisch motiviert".

Tatsächlich steht die Gewalttat, deren Hintergrund wahrscheinlich ungeklärt bleiben wird, in einer traurigen Tradition. Wie schon 2000 beim Mord an dem Journalisten Carlos Cardoso oder 2001 beim Mord an dem Banker Antonio Siba-Siba Macuacua musste mit Gilles Cistac erneut eine Person des öffentlichen Lebens in Mosambik ihr Leben lassen, die sich mit ihrem Einsatz für Meinungsfreiheit und der Kritik an der Regierung exponiert hat. Die einzige Tochter Cistacs, die 17-jährige Rosimele Cistac, schrieb dazu: „Sie töteten den einzigen Mann, der den Mut hatte, ihnen zu zeigen, was die Verfassung bedeutet ... Töten sie mich auch? Ich habe keine Angst vor ihnen, jetzt weniger denn je." Sie frage sich, wie weit der „Machthunger“ des Regimes gehe. "Wo ist die Meinungsfreiheit in diesem Land, wo ist das Bewusstsein für die Menschen?" so Rosimele weiter.

Die Ermordung Cistacs unterstreicht einmal mehr den Fassadencharakter der mosambikanischen Demokratie. Zwar setzte nach dem Ende des Bürgerkrieges 1992 ein Demokratisierungsprozess ein und es wurden regelmäßig Mehrparteienwahlen abgehalten, doch die absolute Dominanz der Regierungspartei Frelimo und der autoritäre Führungsstil des Präsidenten Guebuza (2004-2014) verhinderten eine weitergehende Konsolidierung demokratischer Strukturen. Die Ermordung Cistacs demonstriert drastisch und gleichermaßen tragisch die Ermangelung einer demokratischen politischen Kultur.

Aktuelle wirtschaftliche und politische Situation in Mosambik

Wie auch in anderen afrikanischen Staaten hatte sich Präsident Guebuza mit dem Gedanken einer weiteren Amtszeit getragen. In den Jahren 2010 bis 2012 wurde daher von der Regierungspartei mehrmals eine Verfassungsreform vorgeschlagen. Durch eine intensive und offene Diskussion über diese Verfassungsreform mit der Zivilgesellschaft und allen Parteien – auch unter Mitwirkung der Konrad-Adenauer-Stiftung – konnte ein breiter medialer Diskurs erreicht werden. Schließlich sah die Regierungspartei keine Möglichkeiten mehr, eine gesellschaftliche Mehrheit für eine zentralistische Verfassung inklusive einer möglichen Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Präsidenten zu erreichen.

Wie die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten und Nachfolgers von Guebuza für die Wahlen im Oktober 2014 zeigten, ist die ehemalige Befreiungsbewegung und Regierungspartei seit der Unabhängigkeit kein monolithischer Block. Geschickt wurden jedoch von Präsident Guebuza starke Aspiranten auf seine Nachfolge desavouiert und sein Präferenzkandidat etabliert. Gerüchte kursieren, dass bei den innerparteilichen Wahlen für den Kandidat Filipe Jacinto Nyusi – der den Segen des amtierenden Präsidenten Guebuza hatte – große Mengen an Geld flossen, daneben wurden zahlreiche Versprechungen abgegeben. Überraschend viele Details dazu erreichten die Medien, so dass die Spannungen innerhalb der Partei erstmals sichtbar wurden.

In den Wahlen 2014 konnte Frelimo jedoch trotz der Flügelkämpfe und der Desillusionierung weiter Teile der Bevölkerung mit dem Regime Armando Guebuzas erneut die Mehrheit erringen. Dieses Mal allerdings mit weit weniger Zuspruch als noch 2009. Nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit wirkt Armando Guebuza weiterhin im Hintergrund. Er bleibt Parteipräsident und ob und wann er diese Position aufgeben wird, , ist noch offen. Im Moment verhindert er in dieser Position jedoch die vorsichtige Annäherung an die Oppositionspartei Renamo, die sein Nachfolger im Präsidentenamt begonnen hat. Dessen Ziel ist es, die politische Gewalt in Mosambik zu reduzieren.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der Renamo-Entwurf für Regioes Autonomas, der gerade im Parlament verhandelt wird. Mit der dort vorgeschlagenen Schaffung von Provinzbehörden mit etwas größerer Unabhängigkeit von der Zentralregierung, war zunächst ein Mittelweg gefunden worden, um die politische Krise nach den Wahlen vom Oktober 2014 zu überwinden. Diese autonomen Provinzbehörden würden es der Oppositionspartei Renamo erlauben, in den von ihr gewonnenen Provinzen entsprechende Regierungen zu installieren. Die Frelimo fürchtet jedoch, dadurch zu viel Kontrolle zu verlieren, insbesondere über die rohstoffreichen Gebiete, in denen die Renamo bei den Wahlen stärker abgeschnitten hat. Sollte der Entwurf im Parlament scheitern, könnte dies zu einer Verschärfung der sozialen Instabilität im Land beitragen. Bereits im Vorfeld der Wahlen hatte die Oppositionspartei Renamo nicht davor zurückgeschreckt, mit Gewalt ihre Interessen an den Verhandlungstisch zu bringen.

Zivilgesellschaft, Kirchen und weitere Organisationen bereiten sich bereits darauf vor, in einer erneuten Welle der Gewalt konfliktentschärfende Maßnahmen zu ergreifen. Gilles Cistac hätte dabei eine Stimme der Vernunft sein können. Er wird dem Land fehlen.

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