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Country Reports

Kommunalwahlen zeigen Breite des Parteienspektrums

by Elisabeth Bauer, Kai Gläser

Unabhängigkeitspartei siegt in Reykjavik und verliert auf dem Land

Am 26. Mai 2018 fanden in Island Kommunalwahlen statt. Dabei waren rund 248.000 Bürgerinnen und Bürger in allen 72 Gemeinden des Landes aufgerufen, neue Vertreter auf Ebene der Städte und Gemeinden zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen der Hauptstadt Reykjavik und den übrigen Regionen des Landes auf.

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Bjarni Benediktsson, seit 2009 Vorsitzender der isländischen Unabhängikeitspartei, hier bei einer UN-Veranstaltung. | © Grant Ellis / World Bank / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 © Grant Ellis / World Bank / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0
Bjarni Benediktsson, seit 2009 Vorsitzender der isländischen Unabhängikeitspartei, hier bei einer UN-Veranstaltung. | © Grant Ellis / World Bank / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

In der Hauptstadt konnte die liberal-konservative Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkur) im Vergleich zur letzten Wahl 2014 um etwas mehr als fünf Prozent zulegen und wurde mit rund 30,8 Prozent der Stimmen mit Abstand stärkste Kraft. Die Sozialdemokratische Allianz (Samfylkingin), welche den letzten Urnengang in der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes für sich entscheiden konnte, kam auf rund 25,9 Prozent der Stimmen und musste damit einen Rückgang um rund sechs Prozent hinnehmen. Die beiden Parteien werden mit acht, beziehungsweise sieben Sitzen die größten Fraktionen im Stadtrat der Hauptstadt stellen . Neben den beiden großen Parteien werden auch die Piratenpartei (Píratar), die Reformpartei (Viðreisn), die Volkspartei (Flokkur fólksins), die Zentrumspartei (Miðflokkur), die Links-Grüne Bewegung (Vinstri græn) sowie die sozialistische Partei (Sósíalistaflokkur Íslands) mit eigenen Vertretern im Stadtrat repräsentiert sein. Da sich die Stimmenanteile dieser Parteien jedoch nur zwischen vier und acht Prozent bewegen, werden sie jeweils nur mit einem oder zwei Abgeordneten vertreten sein. Die Fortschrittspartei (Framsóknarflokkurinn) sowie die Partei „Helle Zukunft“ (Björt framtíð), welche im vorherigen Stadtrat mit jeweils zwei Abgeordneten vertreten waren, scheiterten am Wiedereinzug oder waren erst gar nicht zur Wahl angetreten. Aufgrund des Wahlergebnisses kann die bisherige Koalition aus Sozialdemokratischer Allianz, Links-Grüner Bewegung, Piratenpartei und „Heller Zukunft“ nicht mehr weiterregieren . Der sozialdemokratische Bürgermeister, Dagur B. Eggertsson, zeigte sich nach der Wahl dennoch optimistisch, sich auch zukünftig auf eine Koalition stützen zu können und strebt nun ein Bündnis mit der Piratenpartei, dem Links-Grünen Bündnis sowie der Reformpartei an. Eine solche Koalition hätte im 23 Sitze umfassenden Stadtrat mit zwölf Stimmen eine knappe Mehrheit.

Zahlreiche neue Parteien in ländlichen Regionen erfolgreich

Im Gegensatz zur Hauptstadt, wo traditionell mehrheitlich die Parteien, welche auch im isländischen Parlament (Althing) vertreten sind, Erfolge erzielen, kam es in ländlicheren und abgelegenen Gemeinden auch vor dieser Wahl wieder zu zahlreichen Neugründungen von Kleinstparteien und Bürgerbewegungen, welche am Wahltag mitunter achtbare Ergebnisse einfuhren und die Geschicke der Gemeinden in den kommenden vier Jahren aktiv mitgestalten werden. Die Wahlsieger der Unabhängigkeitspartei mussten dabei in zahlreichen Regionen deutliche Verluste hinnehmen und konnten das Wahlergebnis aus Reykjavik nicht auf den Rest des Landes ausdehnen.

Thematische Unterschiede zwischen Stadt und Land

Auch die thematische Ausrichtung des Wahlkampfs folgte der Trennlinie zwischen Hauptstadt und Land. In Reykjavik standen neben einem weiteren Ausbau der Transport-Infrastruktur vor allem die Themen bezahlbarer Wohnraum und Kinderbetreuung auf der Agenda. Alle Themen haben mit dem weiter ungebremsten Bevölkerungswachstum in der Hauptstadtregion zu tun. Einige Aspekte dieser Schwerpunkte spielen dabei auch in kleineren Städten und Gemeinden eine Rolle, werden jedoch außerdem durch den vor allem in den ländlichen Regionen wichtigen Bereich der Jobschaffung im Tourismus bei gleichzeitiger Wahrung des Natur- und Umweltschutzes ergänzt .

Einige Gemeinden noch immer auf der Suche nach neuen Bürgermeistern

Nach der Wahl stellt sich in zahlreichen Gemeinden noch immer die Frage nach dem Namen des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin. Laut isländischem Rundfunk RÚV konnte auch gut zwei Wochen nach der Abstimmung in landesweit 14 Gemeinden noch kein neuer Rathauschef gefunden werden. Grund für diese Situation ist, dass in zahlreichen Gemeinden im Rahmen der Koalitionsverhandlungen der Stadt- und Gemeinderäte ein parteiloser Bürgermeister zur Bedingung der Zusammenarbeit gemacht wurde. Daher haben sich inzwischen einige Gemeinden dazu entschieden, Anwärterinnen und Anwärter auf den Posten des Stadt- oder Gemeindeoberhauptes durch öffentliche Ausschreibungen zu finden .

Fazit

Die Vulkaninsel erfuhr in den vergangenen Monaten und Jahren einen regelrechten Boom im Tourismus und versucht gegenwertig mögliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Preisniveau im Wohnungsbereich abzufedern. Neben den im vergangenen Herbst stattgefundenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden diese Themen auch auf kommunaler Ebene aufgegriffen und verstärkt in den Vordergrund gestellt. Da rund 36 Prozent der Isländer in Reykjavik leben, wurde der Abstimmung in der Hauptstadt besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dass sich hier die „etablierten“ Parteien durchsetzen konnten und auf dem Land oftmals neu gegründete Parteien und Bürgerlisten erfolgreich waren, entspricht dabei einer gewissen Tradition bei isländischen Kommunalwahlen. Sollte die angestrebte Koalition aus Sozialdemokratischer Allianz, Piratenpartei, Links-Grünem Bündnis und der Reformpartei zustande kommen, ergäbe sich eine ähnliche Situation wie auf nationaler Ebene, auf der die Regierungskoalition aus Links-Grünem Bündnis, Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei ebenfalls eine faktische Mehrheit von nur einer Stimme hat. Wenngleich die parteipolitischen Unterschiede auf kommunaler Ebene zumeist weniger deutlich zum Tragen kommen als auf nationalem Niveau, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden, wie stabil ein solches Bündnis sein wird.

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Elisabeth Bauer

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