Country reports
Die endgültigen Ergebnisse gab die Polnische Staatliche Wahlkommission (PKW) in der Nacht zum 25. Oktober bekannt. Sie unterscheiden sich geringfügig von den exit polls, geben aber deren Tendenzen generell wider:
Rein zahlenmäßig kann die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ihren Erfolg bestätigen: Mit 34,3 Prozent und 254 Mandaten (exit polls: 32,3%) hat sie die Mehrheit der Stimmen erreicht und damit das beste Regionalwahlergebnis in ihrer Geschichte (zum Vergleich: bei der letzten Kommunalwahl 2014 waren es 26,9%). Die liberalen Oppositionsparteien, die sich im Frühling 2018 für diese Wahlen zu einer „Bürgerkoalition“ (KO) zusammenschlossen – bestehend aus der Bürgerplattform (PO), der Moderne (Nowoczesna), aber auch einigen Vertretern sozial-demokratischer Bewegungen – wurden mit 27,1 Prozent und 194 Mandaten (exit polls: 26,7%) zweitstärkste Kraft im Land.
Die Bauernpartei PSL, die sich Anfang der Woche noch über 16,6 Prozent (exit polls) der Wählerstimmen freuen durfte, muss sich nach endgültiger Auszählung mit 4 Prozentpunkten weniger zufriedengeben und kommt nun auf lediglich 12,1 Prozent (70 Mandate), womit sie weit hinter das Ergebnis des Jahres 2014 (23,9%) zurückfällt. Damit ist die Euphorie des Wochenbeginns zwar etwas gedämpft, doch konnte sie die landläufige Meinung widerlegen, dass sie angesichts der gerade auf dem Land vorherrschenden Popularität und starken Konkurrenz der PiS keine politische Rolle in Polen mehr spiele: Die PSL, die aufgrund der Fünfprozenthürde immer wieder um den Einzug ins Nationale Parlament bangen muss (diesen aber Zeit ihres Bestehens jedes Mal geschafft hat), hat ihren Einfluss in den ländlichen Gebieten zumindest noch nicht ganz verloren. Das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD-LR) kommt mit 6,7 Prozent ebenso wie das Wahlkomitee Parteiloser Politiker mit 5,3 Prozent auf eher geringe Zustimmung. Die extrem rechte Bewegung Kukiz´15 hat zwar insgesamt 5,7 Prozent errungen, konnte aber keine Mandate in den Regionalparlamenten. In Koalitionen könnten sie allerdings eine zentrale Rolle spielen, denn diese werden in denjenigen Woiwodschaften, in denen keine der Parteien eine absolute Mehrheit erreicht hat, notwendig werden. Gewählt wurde – nach Reformierung des Wahlgesetzes in diesem Jahr – für fünf Jahre, auf zwei Amtszeiten begrenzt.
Die Wahlen gelten als Stimmungsbarometer für die kommenden Parlamentswahlen und als wichtiger Indikator für die derzeitigen Machtverhältnisse. Die beiden größten politischen
Parteien in Polen – Recht und Gerechtigkeit (PiS) sowie die Bürgerplattform (PO) – mobilisierten entsprechend ihre jeweiligen Lager: Lag die Wahlbeteiligung um die Mittagszeit noch bei beängstigenden 16%, schnellte sie bis zum Schließen der Wahllokale um 21 Uhr auf geschätzte 51 Prozent und betrug letztendlich, nach finalen Auszählungen, 54,9 Prozent. Das ist die höchste Wahlbeteiligung bei einer Kommunalwahl seit 1989 und spiegelt die Bedeutung wider, die ihr die Bürger beigemessen haben.
PiS-Partei – Sieg mit „gelber Karte“
In der Parteizentrale der PiS zeigte man sich zuversichtlich, der Vorsitzende Jarosław Kaczyński rief zu Freude auf. Und in der Tat, zahlenmäßig hat die PiS im Vergleich zu 2014 am meisten hinzugewonnen: statt 171 Mandaten (2014) sind es nun 254, in neun von sechzehn Sejmiks hat sie die Mehrheit gewonnen und in sechs Woiwodschaften wird sie allein regieren können. Bisher war es nur eine einzige Woiwodschaft, in der die PiS regieren konnte, während die Opposition (zum Teil in Koalitionen) in den restlichen fünfzehn das Sagen hatte. Auf lokaler Ebene lag die PiS schon immer hinter der Opposition zurück, die Kommunen galten als letzte Einflussbastion eigenmächtiger Gegenspieler und störrischer Regionalfürsten, die sich der Regierung teils auch offen widersetzten. Gemessen daran konnte die PiS ihre Machtbasis deutlich erweitern, ist das diesjährige Abschneiden ein klarer Erfolg. Betrachtet man aber die Umfragewerte auf Landesebene, die vor wenigen Monaten noch bei fast 40% Prozent für die Regierungspartei lagen (einige Tage vor den Wahlen allerdings unter 30% fielen), ihre Dominanz in den staatlichen Medien sowie die in den Wahlkampf investierten Ressourcen – und nicht zuletzt die allgemeine Erwartungshaltung und eigene Zielsetzungen, fällt das Ergebnis verhalten aus. Einen Sieg kann die PiS, für sich betrachtet, zwar durchaus verbuchen, aber beileibe nicht den Triumph, wie sie ihn sich erhofft – und die Opposition gefürchtet – hatte.
Tauziehen um die Städte
Eines der Ziele, die sich die Regierungspartei gesetzt hatte, war, die Städte zu erobern, um zu beweisen, dass sie nicht (mehr) nur in ländlichen, sondern auch urbanen Räumen eine signifikante Anhängerschaft hat. Letztere sind traditionell Bollwerke der Opposition – in keiner der 10 größten Städte konnte die PiS in der vorherigen Legislaturperiode (2014-18) auch nur einen einzigen Bürgermeister stellen. Besonders prestigeträchtig gilt das Stadtpräsidentenamt in Warschau – wer in der Hauptstadt siegt, setzt auch überregional ein Zeichen. So wurde von beiden Seiten viel in diesen Wahlkampf investiert, der zu einem Zweikampf und regelrechten Kräftemessen zwischen dem Kandidaten der PiS und demjenigen der PO geriet. Das Tauziehen in Warschau wurde mit landesweitem Interesse diskutiert, und dies zeitweise so dominant, dass die Anliegen anderer Regionen darüber fast unterzugehen drohten. Umso ärgerlicher ist für die PiS nun ihre Niederlage: In der Hauptstadt, und das ist die wohl größte Sensation für die Bürgerplattform, gewann Rafał Trzaskowski, ehem. MdEP und PO-Nachwuchshoffnung, im ersten Durchgang mit 56,7 Prozent die absolute Mehrheit und damit das Rennen. Und das, obwohl die amtierende Stadtpräsidentin der PO, Hanna Gronkiewicz-Waltz, seit 2015 unter Dauerbeschuss steht (u.a. wegen Unregelmäßigkeiten bei der Reprivatisierung von Grundstücken im Warschauer Stadtzentrum), was einen Schatten auf die gesamte Warschauer PO und den Wahlkampf Trzaskowskis geworfen hat. Umso größer jetzt die Erleichterung und Freude bei der PO, denn das Bild des Siegers und Verlierers wird nicht zuletzt in der Hauptstadt geprägt. Doch auch in anderen Städten hat die PiS ihre Ziele nicht erreicht: In Posen, Breslau, Lublin, um nur einige zu nennen, hat die KO Überlegenheit demonstriert, in Lodsch kam Bürgermeisterin Hanna Zdanowska sogar auf über 70 Prozent. In anderen Städten, in denen keine absolute Mehrheit erreicht werden konnte, wird eine Stichwahl am 4. November entscheiden, doch auch hier (etwa in Krakau) gelten Erfolge der Oppositionspolitiker als sicher. Jedenfalls zeigte sich: Die liberalen Hochburgen ließen sich nicht einnehmen und konnten ihre traditionelle Dominanz verteidigen.
Der Kampf um den ländlichen Bereich
Während in der Stadt die PiS mit der PO konkurriert, ist ihr Hauptrivale auf dem Land die gemäßigt-konservative Bauernpartei (PSL), der sie bei den Parlamentswahlen 2015 die Wähler abspenstig gemacht und den Sieg errungen hatte. Beide bedienen dieselbe Zielgruppe – den ländlichen, katholisch-konservativen Wähler in der Provinz. Die PSL – Mitglied in der EVP und in mehreren bürgerlichen Regierungen – hat erneut herbe Verluste erlitten und mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Mandate eingebüßt (von 157 auf 70), doch dafür, dass sie unter Dauerbeschuss der PiS steht und diese nichts unversucht lässt, sie von der gesellschaftlichen und politischen Bühne mit allen Mitteln zu verdrängen, ist das Ergebnis besser als erwartet. Zudem könnte die PSL zum Zünglein an der Waage werden, wenn es um Koalitionsbildungen geht – bereits jetzt versuchen PiS-Abgeordnete PSL-Kandidaten auf ihre Seite zu ziehen. Doch ist dies mit deren Vorsitzendem Wladysław Kosiniak-Kamysz nicht zu machen: Schon vor den Wahlen hat er sich gegen eine Koalition mit der PiS ausgesprochen und bleibt bislang hart – mit einer Partei zu koalieren, welche die seine auszuradieren versucht und zudem zentralistisch-etatistisch eingestellt ist, lehnt der überzeugte Kommunalpolitiker beharrlich ab. So bleibt die PSL ein Machtfaktor auf dem Land und für die PiS ein Stachel im Fleisch, und könnte zudem in den Sejmiks – wie vielleicht auch künftig in den Parlamentswahlen – trotz ihrer Verluste eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Erfolg der Opposition?
Die Opposition verbucht all dies als Erfolg, zeigt sich in Siegerstimmung. Gemessen an der Erwartungshaltung nicht ganz zu Unrecht, doch lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass das Oppositionsbündnis KO nur in einer Woiwodschaft die absolute sowie in sieben weiteren die Mehrheit gewonnen hat und damit der PiS zahlenmäßig nun auch im Bereich der Selbstverwaltung unterliegt. Zudem muss in Betracht gezogen werden, dass sie als Bündnis angetreten ist – mit Blick auf die PO das Ergebnis also nicht nur ihr allein, sondern mehreren Akteuren galt. Ein Bündnis, das im Vorfeld verfeindete und zersplitterte Gruppierungen verbindet, deren Zusammenhalt über den Pragmatismus von Wahlvorgängen hinaus fraglich ist. Auch basiert das gute Abschneiden der PO weniger auf einem klugen Wahlkampf und überzeugenden Programm (viel mehr als „anti-PiS“-Parolen hatte sie nicht zu bieten), sondern eher auf Fehlern, welche die PiS zuletzt gemacht hat: So ist u.a. das Ansehen von Premierminister Morawiecki aufgrund heimlich aufgenommener früherer Aussagen in Verruf geraten. Auch hat sich die PiS mit einem reißerischen und auch international kritisierten Hetz-Video kurz vor den Wahlen, das ein brennendes Polen und gewalttätige Flüchtlingsströme bei einem vermeintlichen Wahlsieg der PO zeigt und mit „Nazi-Propaganda“ verglichen wurde, keinen Gefallen getan. Damit war für viele Wähler, die ansonsten zu Hause geblieben wären, eine rote Linie überschritten. So hat die Mobilisierung der Bürger (s.u.) weniger die PO aus sich heraus geschafft, sondern die PiS verschuldet und sich damit selbst die gelbe Karte eingehandelt.
Europafreunde auf dem Vormarsch?
Inwiefern auch die Europapolitik der PiS und insbesondere deren umstrittene Justizreform das Wahlverhalten beeinflusst haben, darüber ist in den Medien viel spekuliert worden. Insbesondere die am Freitag vor den Wahlen verkündete Anordnung des EuGH in Luxemburg, das Gesetz zur Zwangspensionierung von Richtern vorerst zu stoppen und rückwirkend aufzuheben, hat einen Zusammenhang vermuten lassen, und zwar überwiegend dahingehend, dass Oppositionsanhänger und Kritiker der PiS diese dafür hätten abstrafen wollen. So wurde die hohe Wahlbeteiligung als Zeichen für Europa und gegen entsprechende Skepsis gewertet. Regierungsanhänger hingegen gingen so weit, dem EuGH zu unterstellen, den Freitag vor der Wahl bewusst gewählt zu haben, um die Wahlen indirekt zu manipulieren.
Von der Absurdität letzterer Unterstellung abgesehen, lässt sich auch erstere These nicht wirklich belegen. Zwar ist nicht zu leugnen, dass das Vorgehen der Regierung um das langfristige Verhältnis zu Europa nun doch etwas bangen lässt und den einen oder anderen Oppositionsanhänger, der sonst nicht zur Wahl gegangen wäre, an die Urne getrieben haben mag – und sei es auch nur, um ein Zeichen zu setzen. Die Polen gehören weiterhin zu den europafreundlichsten Nationen (was im Detail freilich interpretationsfähig ist), was die gelbe Karte für die PiS auch als grüne Karte für Europa auslegen lässt. Doch sind die Vorgänge um die Justizreform für die breite Bevölkerung zu diffus und abstrakt – und inzwischen auch für Experten kaum noch durchschaubar: Die genauen Zusammenhänge werden – wo überhaupt (noch) zur Kenntnis genommen – von den wenigsten verstanden. Selbst diejenigen, die sich dafür interessieren und erst recht der Durchschnittsbürger, sind von den unzähligen Gesetzesnovellen und Initiativen sowie EU-Reaktionen schlicht überfordert, Verwechslungen von Vertragsverletzungsverfahren untereinander oder auch mit dem Rechtsstaatsverfahren nach Art. 7 sind (auch in den Medien) nicht selten. Die EuGH-Anordnung vom vergangenen Freitag ist in der nationalen Berichterstattung zudem überwiegend untergegangen und dürfte an sich daher kein entscheidender Faktor gewesen sein. Auch ist in weiten Kreisen die Abneigung gegen die sogenannten „Eliten“ sehr groß und nicht wenige finden, dass viel umfassender „zwangspensioniert“ werden sollte. Die bemerkenswert hohe Wahlbeteiligung lässt sich auf Rechtsstaatsfragen und Reaktionen seitens der EU demnach eher weniger zurückführen.
Was die Wahlbeteiligung zeigt
Was die hohe Wahlbeteiligung allerdings zeigt – und das ist die positive Nachricht, zumindest für die Opposition – ist, wie groß das Mobilisierungspotential der polnischen Wählerschaft letztendlich sein kann. Genutzt hat es der Opposition, was vorauszusehen war: Eine niedrige Beteiligung wäre zum Vorteil der PiS gewesen, da ihre Wähler als disziplinierter gelten. Umgekehrt war zu erwarten, dass eine hohe Wahlbeteiligung der Opposition zu Gute kommen würde: Ihre Wählerschaft, die liberale Mittelschicht, geht nicht unter allen Umständen zur Wahl. Dass sie sich also aufraffen konnte, ist ein klares Zeichen. Auch, dass in Warschau der PO-Kandidat im ersten Durchgang gewinnen konnte, ist hierfür ein Indikator: In einigen Stadtteilen betrug die Wahlbeteiligung sogar über 70 Prozent. Ein aggressiver, niederträchtiger Wahlkampf – und dies hätte die PiS aus Erfahrungen der Vergangenheit eigentlich wissen müssen – geht in Polen nicht selten „nach hinten“ los.
Die Wahlbeteiligung und mehr noch das Ergebnis, spiegeln vor allem aber die tiefe Spaltung, die in der Gesellschaft weiterhin vorherrscht: Das Stadt-Land-Gefälle und die damit einhergehende Polarisierung zwischen „offen“ und „geschlossen“, „urban-liberal“ auf der einen und „national-rural“ auf der anderen Seite, ist durch die Kommunalwahlen erneut sichtbar geworden.
Warum sind diese Wahlen so wichtig?
Aber auch unabhängig davon, ein Stimmungsbild der Bevölkerung und Lackmustest für künftige Wahlen zu sein, sind die Selbstverwaltungswahlen nicht zu unterschätzen: Zwar sind die Woiwodschaften mit den deutschen Bundesländern nicht vergleichbar – Polen ist kein föderaler, sondern ein zentralistisch organisierter Staat. Dennoch verfügen die Sejmiks über relativ große Kompetenzen, insbesondere mit Blick auf die Verteilung von EU-Strukturmitteln sowie die Verwaltung großer Infrastrukturprojekte, auf welche die Zentralmacht keinen direkten Einfluss und die Opposition noch reale Gestaltungsmöglichkeiten hat. Dass dies erhalten bleibt und Institutionen der territorialen Selbstverwaltung sich als letzte und unabhängige Bastionen gegen die Regierung behaupten können, sind wesentliche Bestandteile eines pluralistischen Systems in Polen, und eröffnet der Opposition zudem gute Chancen, ihr Image zu verbessern und einige ihrer Einflussbereiche wiederherzustellen.
Fazit – welche Wirkung also, welche Signale?
Wie auch immer das Ergebnis interpretiert werden mag – es hat der Opposition spürbaren Aufwind gegeben. Die Regierungspartei PiS hat zwar gewonnen, ist aber angezählt und hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Vor allem die Vorgänge in Warschau haben enttäuscht, hinter verschlossenen Türen rumort es. Die PiS hat allen Grund, sich nicht mehr sicher zu fühlen und bei den Parlamentswahlen 2019 um die absolute Mehrheit zu bangen. Ihre Reaktionen fallen entsprechend verzweifelt aus – so wurde bereits im Vorfeld eine Drohkulisse aufgebaut, die nun verstärkt wird: Indirekt, aber auch durchaus direkt wird immer wieder durchblicken lassen, dass die Zentralregierung ihr nahestehende lokale Institutionen bevorzugen und andere schikanieren würde. Ein manipulativer Stimmenkauf, den die Opposition im Wahlkampf viel mehr noch hätte ausschlachten können. Die Warnung, unliebsame Institutionen vom zentralen Haushalt abzuschneiden oder nicht zu unterstützen, weil die PiS der PO nicht vertraue, wird nun mit Blick auf Koalitionsbildungen zum Einsatz gebracht.
Wie die Verhandlungen letztendlich ausgehen und welche Parteien in die jeweiligen lokalen Regierungsbänke steigen, wird sich noch zeigen. Das Ergebnis der territorialen Selbstverwaltungswahlen hat eines der letzten Sicherheitsventile der pluralistischen Ordnung in Polen zwar geschwächt, aber nicht aufgehoben. Der psychologische Effekt des Mobilisierungspotentials, das in der polnischen Bevölkerung unter Druck zu wachsen scheint, hat der Opposition jedenfalls enormen Auftrieb gegeben und zu neuem Mut geführt. Was vor wenigen Monaten noch unwahrscheinlich schien, dass nämlich die PiS bei den kommenden Wahlen ihre Übermacht verlieren könnte, ist unerwartet ins Blickfeld gerückt.
Damit dies aber tatsächlich geschieht, müssten auch Lehren gezogen werden. Hierzu gehört allen voran, sich nicht nur auf die Fehler anderer zu verlassen, sondern der Bevölkerung auch selbst etwas zu bieten – eigene Inhalte und proaktive Strategien, statt eine lediglich reaktive „anti-Haltung“. Die Schlagwörter „Verfassung“ und „Rechtsstaat“ sind zudem zu abstrakt und reichen als Leitsatz nicht aus. Zweitens müsste eine gewisse Einheit bewahrt werden – die Stärke der Regierung beruht nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch strukturellen Schwäche einer zersplitterten, zerstrittenen Opposition. Das Format der Bürgerkoalition hat sich in den Kommunalwahlen bewährt und den Vorsprung der PiS auf lediglich sieben Prozent schrumpfen lassen. Mit den Stimmen der PSL gerechnet, liegt das Oppositionslager insgesamt bei 39%, wäre als Bündnis stärker als PiS und sendet damit wichtige Signale für das kommende Jahr: So ließe sich die Überlegung wagen, das Wahlbündnis beizubehalten, um die Chancen auf einen Machwechsel zu steigern. Drittens wird gelten, Wahlversprechen einzuhalten, um dem Image der PiS („die tun was“) auch selbst zu entsprechen und das Ansehen in der Bevölkerung zu verbessern. Und last but not least könnte es erfolgversprechend sein, mit Hilfe der PSL die ländlichen Gebiete zurückgewinnen: Sollte dies gelingen, wären die Aussichten für die Opposition gar nicht so schlecht – denn die Städte hat sie ja schon. Dem PSL-Vorsitzenden Kosiniak-Kamysz wird zudem zugetraut, die Partei neu aufzustellen, mit jungen Gesichtern zu bereichern und das Stadt-Land-Gefälle aufzuweichen – er ist glaubwürdig, ein Christdemokrat und genießt das Vertrauen von Donald Tusk, was ihm eine zentrale Rolle einbringen könnte.
Festzuhalten bleibt: Die Selbstverwaltungswahlen scheinen die Opposition und ihre Anhänger aus der Lethargie geweckt zu haben – die psychologische Signalwirkung ist nicht zu unterschätzen. Nun gilt es, hierauf aufzubauen und den Aufwind zu nutzen: Ein Sieg der PiS-Partei bei den kommenden Wahlen ist jedenfalls kein Selbstläufer mehr.
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