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Country Reports

GCC-Truppen und Kriegsrecht in Bahrain

Seit Dienstag, 15. März 2011, gilt in Bahrain offiziell der Ausnahmezustand. Am Tag zuvor waren Truppen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf Anforderung der bahrainischen Regierung in den kleinen Inselstaat einmarschiert. Es handelt sich um Kontingente der so genannten „Peninsular Shield Forces“ einer Art „schnellen Eingreiftruppe“ des Golf-Kooperationsrates (GCC). Dessen Mitglieder sind neben Saudi-Arabien, den VAE und Bahrain auch Kuwait, Katar und der Oman. Das Gros der Truppen stellt Saudi-Arabien, weitere GCC-Staaten kündigten die Entsendung von Soldaten an.

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Dem Einmarsch vorausgegangen waren die bislang intensivsten Tage des Protestes seit Beginn der Unruhen in Bahrain Mitte Februar. Während Angehörige der regierenden sunnitischen Minderheit in Bahrain den Einmarsch und die zunächst für drei Monate gültige Ausrufung des Kriegsrechts begrüßten, zeigten sich Andere beunruhigt. Die USA, deren fünfte Flotte ihre Basis in Bahrain hat, forderten dazu auf, die Rechte der bahrainischen Bevölkerung zu respektieren. Dem vorausgegangene Versuche, das bahrainische Königshaus zu einem gemäßigten Vorgehen zu bewegen, zuletzt durch einen persönlichen Besuch des Verteidigungsministers Gates, waren offenbar gescheitert.

Der Einmarsch in ein Nachbarland ist ein bislang einmaliger Vorgang im GCC. Ob und wann unter diesen Umständen der Nationale Dialog in Bahrain weiter gehen kann, ist äußerst fraglich. Vertreter der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Bahrain bezeichneten die Ereignisse als Kriegserklärung. In den ersten Tagen nach dem Einmarsch kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen vorwiegend mit bahrainischen Sicherheitskräften, aber auch mit den ersten ausländischen Truppen. Der zentrale Platz des Protestes wurde gewaltsam geräumt. Es soll seither bereits mehrere Tote gegeben haben, darunter auch ein saudischer Soldat.

Die Entsendung von Truppen und Polizeikräften wurde mit der Beistandsverpflichtung innerhalb des GCC begründet. Nach Aussage des emiratischen Außenministers Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan sollen andere Golfstaaten bald folgen. Katar und Kuwait machten bereits entsprechende Ankündigungen. Die Entsendung der GCC-Kräfte stellt die Intervention auf eine breitere Basis, als es ein befürchtetes unilaterales Eingreifen Saudi-Arabien gewesen wäre. Umstritten bleibt jedoch, ob die Verpflichtung der GCC-Staaten zur Unterstützung auch für interne Konflikte gilt, oder nur für Angriffe von außen, womit vor allem der Iran gemeint ist.

Die Reaktion des Iran, der sich als Schutzmacht der bahrainischen Schiiten versteht und der Saudi-Arabien bereits seit Längerem vor einem solchen Schritt warnt, bietet Grund zur Besorgnis. Außenminister Salehi verkündete bereits, man werde einer Vernichtung der Schiiten in Bahrain nicht tatenlos zusehen. Wifaq, die größte schiitische Partei Bahrains, deren 18 (von insgesamt 40) Parlamentsabgeordnete seit den Protesten ihr Mandat ruhen lassen, bestritt den Vorwurf, die iranische Armee nun ihrerseits um Hilfe gebeten zu haben.

Auch in Teheran wird man wegen Bahrain allein sicher kein militärisches Abenteuer eingehen, zumal die US-Flotte dort eine eindrucksvolle Präsenz zeigt. Nur ein wachsender Druck der Opposition der „Grünen Bewegung“ innerhalb Irans könnte die Machthaber dort veranlassen, die Flucht nach vorn zu ergreifen und die Auseinandersetzung mit einem äußeren Feind zu suchen. Dieser stünde nun bereit.

Obwohl sich die Interventionstruppen zunächst darauf zu konzentrieren schienen, sunnitische Wohngebiete und den Königspalast zu schützen, schlug ihnen erste Gewalt entgegen. Der für Bahrain sehr wichtige Finanzdistrikt war wie in den Tagen vorher verwaist, das öffentliche Leben stand weit gehend still. Die nächsten Tage dürften für die Entwicklung entscheidend sein. Sicherlich ist es jedoch kein Zufall, dass man sich zu einem Zeitpunkt für eine solche Maßnahme entschieden hat, an dem die Augen der Weltöffentlichkeit sich auf Japan und Libyen konzentrieren.

Hintergrund der Intervention

Nach den ersten Protesten in Manama Mitte Februar schien sich die Situation am „Pearl Square“, dem zentralen Ort der Demonstrationen in Bahrain, zunächst wieder zu entspannen. Der Kronprinz Scheich Salman bin Hamad bin Isa Al-Khalifa hatte mehrfach versucht, das Angebot zum Dialog mit den Demonstranten glaubhaft zu untermauern und gab umfassende Sicherheitsgarantien für diese ab. Doch dieser Schritt reichte den Oppositionsgruppen anscheinend nicht aus, denn die auf äußerst gewaltsame Weise versuchte Räumung des Platzes zu Beginn der Proteste hatte das Vertrauen in die Regierung gebrochen. Die Stimmen gegen das Königshaus wurden lauter und die Bereitschaft zu einem Dialog geringer. Vielen ging eine Verfassungsreform oder der Austausch der Regierung nun nicht mehr weit genug.

Auch diesmal wären die zum großen Teil aus Sunniten aus anderen Ländern (z.B. Pakistan oder Syrien) bestehenden bahrainischen Sicherheitskräfte wohl mit den Demonstranten fertig geworden. Der Unmut der Schiiten richtet sich nicht zuletzt gegen diese oft mit Aussicht auf eine Staatsbürgerschaft „angeworbenen Söldner“, die wesentlich brutaler vorgingen, als beispielsweise die Armeen Ägyptens oder Tunesiens, die sich am Ende auf die Seite ihres Volkes stellten. Der Hilferuf an den GCC zeigt somit nicht nur die Brisanz der Situation für die Nachbarstaaten, sondern auch den Wunsch des bahrainischen Königshauses, ein militärisches Vorgehen möglichst breit abzusichern.

Während sich in der Regierung die gemäßigte, von Kronprinz Salman verkörperte Linie nun offenbar nicht gegen die Hardliner durchsetzen konnte, brach die anfangs keineswegs nur aus Schiiten bestehende Opposition entlang der Konfessionslinie auseinander. Die Unruhen haben sich im Laufe der letzten Wochen mehr und mehr zu einem Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten entwickelt, immer mehr Straßenkämpfe zwischen beiden Gruppen flammten auf. In der vergangenen Woche zündeten sunnitische Gruppen einen schiitischen Supermarkt an, Zusammenstöße zwischen regierungstreuen sunnitischen und schiitischen Jugendlichen mehrten sich. „A level of sectarian tension that threatens Bahrain’s social fabric” befürchtete Bahrains Innenminister. Der Bürgerrechtler Mohamed Al-Tajer beschreibt das Vorgehen der Regierung dagegen so: „This is a systematic operation to unleash these thugs to threaten Shiites and act as enforcers for the ruling system.”

Gerade Saudi-Arabien blickt mit großer Sorge auf die Proteste in Bahrain und fürchtet, dass die Unruhen auf die saudischen Ost-Provinzen übergreifen. Zwar machen Schiiten insgesamt nur etwa zehn Prozent der Einwohner Saudi-Arabiens aus, doch leben die meisten von ihnen in der wirtschaftlich bedeutsamen Ostprovinz: Hier liegen die größten Erdölfelder und wichtigsten Verladehäfen des Landes. Die Region grenzt unmittelbar an Bahrain. Auch unter den Schiiten Saudi-Arabiens gärt es, Proteste wurden bislang durch Verhaftungen und massive Polizeipräsenz weit gehend unterbunden.

Die Proteste in Manama sind sicherlich durch Ägypten beeinflusst worden, doch Demonstrationen sind in Bahrain kein neues Phänomen. Sie werden auf der kleinen Insel in der Regel von unzufriedenen Schiiten getragen. Die schiitische Mehrheit (ca. 70%) ist ein wichtiger innenpolitischer Faktor. Auseinandersetzungen in dieser Schärfe zwischen Schiiten und Sunniten gab es in Bahrain zuletzt in den neunziger Jahren. Die schiitische Bevölkerung beschuldigt die Regierung, Sunniten aus anderen arabischen Staaten und Südasien die bahrainische Nationalität zu verleihen, um so die Balance zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen zu verschieben.

Neben Irak und Iran ist Bahrain der einzige Staat mit einer schiitischen Mehrheit. Das Königshaus mit König Hamad bin Isa Al Khalifa ist aber sunnitisch. Mit seiner Machtübernahme leitete König Hamad politische und soziale Reformen ein. Sein Nationaler Aktionsplan für die Demokratisierung fand 2001 in einer Volksabstimmung 98 Prozent Zustimmung. Doch auch nach dem Reformprozess blieb die Diskriminierung der Schiiten, besonders in der Politik und Wirtschaft, bestehen. Die schiitische Bevölkerung lebt meist in ärmeren Vierteln und hat nicht die gleichen Berufschancen wie die Sunniten. Auch im Bildungswesen werden sie benachteiligt. Immer wieder wird eine starke Einflussnahme des iranischen Nachbarn befürchtet. Bahrain hatte mehrfach Teheran beschuldigt, die Schiiten als fünfte Kolonne zu missbrauchen.

Die GCC-Staaten zeigten sich seit längerem besorgt angesichts der Ereignisse in Manama und haben sich demonstrativ auf die Seite des Königs gestellt. So verabschiedete der GCC ein umfassendes Stabilisierungspaket sowohl für Bahrain als auch für den Oman. Es sieht 20 Milliarden US-$ für Investitionen in den beiden Ländern vor, um die sozialen Missstände zu beheben und die Infrastruktur zu verbessern.

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Philipp Dienstbier

Philipp Dienstbier

Director of the Regional Programme Gulf States

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