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Ein Meilenstein der deutsch-französischen Aussöhnung

Zeithistorische Filmreihe: An einem Tag im September

Als Konrad Adenauer und Charles de Gaulle sich am 14. September 1958 erstmals in Colombey-les-Deux-Églises gegenüberstanden, war es mehr als nur ein diplomatisches Treffen, es war ein historischer Moment, der zu einem Meilenstein auf dem Weg der deutsch-französischen Aussöhnung und der europäischen Einigung wurde. Im Rahmen der Zeithistorischen Filmreihe präsentierte die Abteilung Zeitgeschichte der Konrad-Adenauer-Stiftung den Fernsehfilm „An einem Tag im September“. Im anschließenden Nachgespräch wurden nicht nur die historischen Hintergründe der Begegnung beleuchtet, sondern auch das Spannungsverhältnis zwischen historischer Genauigkeit und künstlerischer Freiheit in den Fokus gerückt. Im Austausch zeigte sich, wie produktiv das Zusammenspiel von Geschichtswissenschaft und Filmkunst sein kann.

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Die Gemeinschaftsproduktion von ZDF und ARTE zeigt das erste, persönliche Treffen zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle dreizehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem privaten Landsitz von de Gaulle, "La Boisserie", begegneten sich die beiden Staatsmänner zunächst vorsichtig, dann offen und vertrauensvoll. Am Ende stand der gemeinsame Entschluss, die sogenannte deutsch-französische Erbfeindschaft für beendet zu erklären. Der Film wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Neben dem Regiepreis Ludwigshafen für Kai Wessel, erhielt „An einem Tag im September“ beim 64. Fernsehfestival in Monte Carlo zwei Goldene Nymphen:  Als bester Fernsehfilm in der Kategorie Fiktion und für Hélène Alexandridis, die in der Rolle der Yvonne de Gaulle geehrt wurde.

 

Von der Erbfeindschaft zur Partnerschaft

In seiner Begrüßung wies der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Norbert Lammert, darauf hin, dass es den europäischen Einigungsprozess ohne die besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich nicht gegeben hätte: „Besonders waren die Beziehungen immer, aber sie waren deutlich länger besonders schwierig und wir neigen dazu, Veränderungen, die ganze Generationen für ausgeschlossen gehalten haben, dann, wenn sie eingetreten sind, für eine schiere Selbstverständlichkeit zu halten. Und schon gar für die deutsch-französischen Beziehungen trifft das ganz sicher nicht zu.“ Er hob die Bedeutung herausragender Persönlichkeiten hervor, die den Verlauf der Geschichte bestimmen könnten. Wenn man über Deutschland und Frankreich rede, spreche man natürlich nicht nur über Adenauer und de Gaulle, aber wenn man über den neuen Zustand der deutsch-französischen Beziehungen sprechen wolle, könne man dies nicht tun, ohne über diese beiden „großen alten Männer“ zu reden, die „gerade aufgrund ihrer persönlichen Autorität und der mitgebrachten biografischen Erfahrung einer anderen Vergangenheit, den Beitrag leisten konnten, den sie zu einem Neuanfang nicht nur zwischen diesen beiden Nachbarländer, sondern in Europa geleistet haben.“ An jenem Septembertag in Colombey-les-Deux-Églises habe „gelerntes wechselseitiges Misstrauen“, das man Adenauer und de Gaulle sicherlich attestieren könne, einer „neuen Zukunftsperspektive“ Raum gegeben.

 

„Aber, dass herausragende Persönlichkeiten einen herausragenden Einfluss auf die Entwicklung eines Landes und schon gar auf die Beziehungen zwischen Nachbarländern haben können, dafür bietet nun allerdings gerade die französische Geschichte wie die deutsche Geschichte plakative Beispiele.“ (Norbert Lammert)

François Delattre, der Botschafter Frankreichs in Deutschland, bezeichnete in seinem Grußwort den Film „An einem Tag im September“ als „bewegend“ und „inspirierend“ und gratulierte allen an dem Film beteiligten Personen zu ihrer „wunderbaren Arbeit“. Das Treffen, 13 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, habe einen „historischen Wendepunkt“ markiert – sowohl in den deutsch-französischen Beziehungen wie auch in der Geschichte Europas. Die Wunden des Krieges und das gegenseitige Misstrauen seien auf beiden Seiten des Rheins noch allgegenwärtig gewesen, was der Film „mit viel Feingefühl für seine Protagonisten“ zeige. Die Einladung Adenauers in de Gaulles Privathaus sei eine bemerkenswerte Geste gewesen, Adenauer sei der einzige Regierungschef gewesen, der dort je empfangen worden sei und habe übernachten dürfen. Zudem hebe der Film die besondere Rolle von Madame de Gaulle hervor, die der Botschafter als „le pivot“ charakterisierte. Der Bundeskanzler und der General hätten mit Mut und Vision das Kapitel der Aussöhnung begonnen und den Grundstein für die künftigen Beziehungen gelegt. Die Unterzeichnung des Elysée-Vertrages 1963 habe die Partnerschaft weiter gefestigt, insbesondere hob Delattre in diesem Zusammenhang die Bedeutung des deutsch-französischen Jugendwerks hervor. Der Vertrag von Aachen von 2019 habe die bilaterale Zusammenarbeit weiter verstärkt und die deutsch-französischen Beziehungen auf eine neue Stufe gestellt, wie die Einrichtung der deutsch-französischen Parlamentarische Versammlung zeige. Auch Bundeskanzler Merz und Präsident Macron hätten in Toulon ein neues Kapitel in den Beziehungen „mit einer gemeinsamen, ehrgeizigen Agenda“ aufgeschlagen, auch um den existenziellen Herausforderungen, denen sich der europäische Kontinent im Augenblick gegenübersehe, begegnen zu können. Die deutsch-französische Freundschaft sei in erster Linie eine „Herzensangelegenheit“ geworden, die natürlich auf Vernunft und Realpolitik, aber auch auf Emotionen und persönlichen Beziehungen beruhe, denn „die Kontakte zwischen unseren Zivilgesellschaften und die menschliche Dimension“ seien – so die Bilanz des Botschafters – „der wahre Schatz der deutsch-französischen Freundschaft und Garant für den Erfolg der derzeitigen Dynamik. Wir brauchen mehr denn je engagierte Akteure der deutsch-französischen Partnerschaft, um die Werte und Schicksalsgemeinschaft unserer beiden Länder in diesen schwierigen Zeiten zu tragen.“

 

An einem Tag im September – Ein historischer Fernsehfilm nach wahren Begebenheiten

Der Film, entstanden nach einem Drehbuch von Fred Breinersdorfer und unter der Regie von Kai Wessel, schildert das erste Treffen des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (gespielt von Burghart Klaußner) mit General Charles de Gaulle (dargestellt von Jean-Yves Berteloot), zu diesem Zeitpunkt ohne politisches Amt, auf dessen Landsitz „La Boisserie“ in Colombey-les-Deux-Églises. Das Treffen, das am 14. September 1958 begann und zwei Tage dauerte, war kein offizieller Staatsakt, sondern diente dem persönlichen Kennenlernen zweier Staatsmänner, die durch die Erfahrungen beider Weltkriege geprägt waren. Anfangs von Skepsis begleitet, entwickelte sich ein ehrlicher und teils kontroverser Dialog, der zunehmend von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt war. Anschaulich gezeigt wird, wie die beiden Politiker – trotz der Vorbehalte in ihren jeweiligen Bevölkerungen – sich annäherten und im direkten Austausch beschlossen haben, einen Weg zu finden, die sogenannte „Erbfeindschaft“ zwischen Frankreich und Deutschland zu überwinden. Daneben wird auch die bedeutende Rolle, die die Ehefrau des Generals Yvonne de Gaulle, im Verlauf der Gespräche spielte, gewürdigt.

 

Zwischen Wissenschaft und künstlerischer Freiheit

Sven Felix Kellerhoff (Leitender Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte der WELT) moderierte im Anschluss an die Filmvorführung die Diskussion zwischen dem Regisseur Kai Wessel, dem Drehbuchautor Fred Breinersdorfer und dem Historiker Dr. Tim Geiger (Institut für Zeitgeschichte München-Berlin).

Fred Breinersdorfer schilderte den Prozess der Materialsuche für die Gestaltung des Drehbuchs zur Darstellung eines historischen Ereignisses. Eine wichtige Voraussetzung sei das Interesse am Thema, das den Autor dann zum „Jäger und Sammler“ werden lasse. Er erläuterte das dramaturgische Muster und merkte an, die gestalterische Linie umfasse in diesem Fall vier Handlungsstränge. Dabei könnten auch persönliche Erlebnisse des Autors in die Dialoge einfließen. Die Diskussion mit Historikern sei zudem sehr hilfreich für den Entstehungsprozess, aber ein Drehbuchautor habe auch ein „fiktionales Recht“ in der Umsetzung des Stoffes.

Kai Wessel erläuterte den Umgang mit Bildern und Quellen, wenn es sich nicht um einen rein fiktionalen Stoff handele. Diese seien als Inspiration für die Gestaltung genommen worden, denn oftmals sei das reale Leben überraschender als, das, was man sich ausdenke. Im Vorfeld der Umsetzung eines historischen Stoffs habe schon eine umfangreiche Recherche stattgefunden, die inspirierend sei, denn „Menschen in ihrer Zeit“ seien sehr interessant. Schauspieler und Schauspielerinnen entwickelten in den meisten Fällen ein hohes Verantwortungsgefühl für ihre Rolle, die Aufgabe eines Regisseurs sei, es ihnen kreative Räume zu schaffen und dann ein Zusammenspiel – vergleichbar einem „Orchester“ – zu organisieren. Unerlässlich sei es auch, Mittel zu finden, mit denen man die Aufmerksamkeit des Zuschauers halten könne.

Dr. Tim Geiger beschrieb den Prozess der Entschlüsselung historischer Quellen und erläutert, Historiker bauten ein Bild aus vielen Mosaiksteinen und konzentrierten sich dabei vor allem auf schriftliche Dokumente, weniger auf bewegte Bilder. Er wies darauf hin, ein Historiker könne sehr gut einschätzen, welche Quellen der Drehbuchautor als Grundlage benutzt habe, um Inspirationen zu erhalten und erläutert dies an einigen Beispielen. Schön sei es, dass die Rolle Adenauers als eines bedeutenden Staatsmannes, trotz aller schwierigen Aspekte seiner Persönlichkeit, wieder einmal in den Vordergrund gestellt worden sei.

 

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