Seit 1982 steht auf dem Bonner Bundeskanzlerplatz die von Hubertus von Pilgrim geschaffene Adenauer-Kopfplastik, die aus einem Denkmal-Wettbewerb der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus hervorgegangen ist und ihren Platz ursprünglich vor dem Wohnhaus Konrad Adenauers in Rhöndorf finden sollte. Ein zweiter Guss dieser Plastik (von der Originalform) ist nun am 1. April 2022 vor der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin aufgestellt worden. Dabei handelt es sich um eine Leihgabe der Familie Adenauer.
Die feierliche Einweihung dieses eindrucksvollen Kunstwerks in Gegenwart des 90-jährigen Bildhauers am 11. Mai 2022 im Forum der Akademie bot gleichzeitig einen passenden Anlass für die Präsentation des im Hirmer-Verlag München erschienenen neuen Bildbandes über Konrad Adenauer, den die Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen mit der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus herausgegeben hat.
Dementsprechend konnte Prof. Dr. Norbert Lammert als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung bei seiner Eröffnungsansprache neben dem Künstler und verschiedenen Mitgliedern der Familie Adenauer auch Vertreterinnen und Vertreter der Rhöndorfer Stiftung unter den geladenen Gästen begrüßen. Dass es nach über anderthalb Jahrzehnten Vorbereitung nun endlich gelungen sei, den Adenauer-Kopf nach Berlin zu holen, erfülle ihn mit einem Gefühl stiller Genugtuung, führte er aus. Schon als Bundestagspräsident habe er sich nämlich in zähen Verhandlungen mit Berliner Behörden und mehreren Chefs des Bundeskanzleramtes dafür eingesetzt. Lammert bedankte sich insbesondere bei der Familie Adenauer für deren Hartnäckigkeit und Großzügigkeit in der Sache.
Adenauer gehöre nach Berlin. Zwölf Jahre lang sei er Präsident des Preußischen Staatsrates gewesen und habe mit der Wahrnehmung dieses wichtigen Amtes ein klares Bekenntnis zur dezentralen Staatsverfassung der Weimarer Republik abgelegt. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen konnte er als Präsident des Parlamentarischen Rates und dann schließlich als Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland zum Architekten der zweiten deutschen Demokratie und zum Visionär und Gestalter eines zusammenwachsenden Europas werden.
Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus Dr. Stefan Vesper griff in seinem Grußwort diesen Gedanken auf und verwies dabei auf Adenauers Wohnhaus in Rhöndorf als Genius loci, wo man dem Geist und der Persönlichkeit des „Alten“ authentisch nachspüren könne. Dort sei im Übrigen auch ein kleiner Adenauer-Kopf (als Bronzebozzetto) zu sehen. Dr. Doreen Franz als Wissenschaftliche Projektleiterin ihrer Stiftung am Standort Berlin betonte, dass die „materialisierte Erinnerung“ an Konrad Adenauer unbedingt in die deutsche Hauptstadt gehöre, und erläuterte die Eckpunkte der neuen Dauerausstellung, die hier bis Ende 2023 eingerichtet werde.
Für die Familie sprach anschließend der Kanzler-Enkel Konrad Adenauer. In seinem Redebeitrag ging er darauf ein, wie sehr sich vor allem seine Brüder Paul Bauwens Adenauer und Dr. Patrick Adenauer in unzähligen Gesprächen mit Ministern, Abgeordneten und anderen politischen Entscheidungsträgern um die Aufstellung der Kopfplastik in Berlin bemüht und auf diese Weise auch um eine symbolisch sichtbare Stärkung der Achse Bonn-Berlin verdient gemacht hätten. Darüber hinaus stellte er klar, dass das Verhältnis seines Großvaters zu Berlin gar nicht so problematisch gewesen sei, wie immer wieder behauptet worden sei, und benannte eine Reihe von Orten in der Stadt, wo bereits mit Denkmälern und Plaketten an ihn erinnert werde. Friede, Freiheit, Einheit – das seien für Adenauer die entscheidenden Werte gewesen; und durch die weltpolitische Entwicklung in diesen Tagen habe sich seine damals zielstrebig verfolgte Politik einer strikten Westorientierung der Bundesrepublik Deutschland mehr als bestätigt und als einzig richtiger Weg erwiesen.
Mit einigen persönlichen Erinnerungen an Berlin und den goldenen, im Zweiten Weltkrieg vorübergehend geschwärzten „Engel“ (Siegesgöttin Viktoria) auf der Siegessäule im Tiergarten leitete Prof. Hubertus von Pilgrim seinen kurzen Vortrag über „Adenauers Kopf“ ein. Im Gegensatz zum Sieges-Engel dürfe ein demokratisches Denkmal nicht überhöht auf einem Sockel stehen, sondern müsse stets in Augenhöhe der Betrachter sein, die eben keine Untertanen seien. Pilgrim berichtete, wie er selbst 1961 Konrad Adenauer in Berlin gesehen habe und von dessen „unglaublicher Präsenz“ fasziniert gewesen sei. Der Gang des damals 85-Jährigen habe ihn erkennen lassen, dass der erste Bundeskanzler jemand gewesen sei, der genau gewusst habe, wo es langgehe – „strukturell preußisch“, diszipliniert. Die Alterszeichnung von Adenauers Gesicht habe in starkem Kontrast zur Lebendigkeit seiner Augen gestanden. Als Schüler von Bernhard Heiliger, der bereits Theodor Heuss und Ludwig Erhard porträtiert hatte, habe Pilgrim beschlossen, die Trias der Persönlichkeiten, deren unterschiedliches Zusammenwirken das „Glück der frühen Bundesrepublik“ gewesen sei, mit einer Kopfplastik von Adenauer zu vervollständigen. Die Gelegenheit dafür habe sich ihm mit dem Wettbewerb der Rhöndorfer Stiftung 1981 geboten. Während die Vorderseite des Werkes der Wiedergabe von Adenauers Gesichtszügen vorbehalten blieb, konnte er den Platz auf dem Hinterkopf für verschiedene Reliefdarstellungen und somit zum symbolischen Erzählen nutzen, wie er später noch direkt am Objekt erläuterte.
Im letzten Redebeitrag präsentierte Dr. Michael Borchard, Leiter Wissenschaftliche Dienste / Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, den neuen Band „Adenauer – Eine Geschichte in Bildern“. Einleitend ging er auf die Frage ein, warum die beiden Stiftungen den etwa zwei Dutzend Adenauer-Bildbänden seit den 1950er Jahren nun unbedingt noch einen weiteren hätten hinzufügen müssen. Einen so ausführlichen Bildband mit künstlerischem Anspruch, der das ganze Leben und Wirken Konrad Adenauers umfasse, habe es bislang noch nicht gegeben – und das wiederum mache dieses Buch einzigartig. In diesem Zusammenhang betonte er auch noch einmal die besondere Kompetenz und die Vertrautheit der beiden herausgebenden Institutionen mit dem Thema. Nach einigen Bemerkungen zum Inhalt des Bandes und zur Bildauswahl zeigte Borchard im Weiteren exemplarisch auf, wie klug und professionell Adenauer im Umgang mit den Medien gewesen sei und dass er dabei stets ein Bewusstsein für die Gefahren und Chancen der Fotografie besessen habe. Doch seien es am Ende nicht die bildlichen Darstellungen gewesen, die den bis heute fortwirkenden Adenauer-Mythos begründet und erhalten hätten, sondern seine politischen Leistungen.
Im Anschluss an die Reden im Forum der Akademie hatten alle Anwesenden im Foyer und auf dem Vorplatz die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich die Details der Kopfplastik aus der Nähe anzuschauen und hierzu Fragen an den Künstler zu stellen oder auch am Büchertisch im neuen Bildband zu blättern.