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Rubens begegnet Seneca in Rom

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Peter Paul Rubens war 23 Jahre alt, als er im Juli 1601 über Venedig und Mantua nach Rom kam und 3 Jahre bleiben wird. Er war wie andere Künstler auf Grand Tour in Italien, um mit eigenen Augen die venezianischen Maler Tizian und Tintoretto und vor allem in Rom die Antike, die Meister der Renaissance Raffael und Michelangelo und den Zeitgenossen Caravaggio zu sehen. Rubens hatte ein Empfehlungsschreiben an Kardinal Montalto in Rom in der Tasche.

Zur seiner Freude zeigte man ihm gleich am ersten Tag in der Villa Borghese eine antike Statue, die man in einem Weinberg gefunden hatte. Sie stellte einen, nur mit einem Tuch bedeckten alten nackten Mann in leicht nach vorne gebeugter Haltung dar, die fehlenden Unterarme und Unterbeine hatte man gerade ergänzt. Diese Statue stelle den „Sterbenden Seneca“ dar, erklärte man Rubens.

 

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P.P Rubens. Sterbender Seneca 1612 Mü. Alte Pinakothek

 

Der Künstler erinnerte sich sogleich an die Szene vom Tod des römischen Philosophen aus Neros Zeit, von der sein Freund Lipsius ihm so oft erzählt hatte. Sofort nahm Rubens Stift und Papier und zeichnete die Statue von allen Seiten in einer Art 3-D Aufnahme. Zehn Jahre später, wieder zurück in Flandern, wird er diese Zeichnungen in das bekannte Gemälde „Der sterbende Seneca“ umsetzen. Noch während Rubens an den Zeichnungen arbeitete, gab es wegen des einfältigen Gesichtsausdrucks des Dargestellten Zweifel, ob die Statue wirklich Seneca abbilde. In der Tat fand man beim Vergleich mit einer Büste Senecas später heraus, dass die besagte Statue nicht den Philosophen, sondern nur einen alten Angler darstellte. Für Rubens aber war und blieb es Seneca und im Gemälde gab er „seinem Seneca“ den Ausdruck, den er sich nach antiken Berichten vom Tod des Philosophen gemacht hatte.

Seneca
Seneca stammte aus Cordoba in Spanien und war dort um das Jahr 1 nach Christus geboren. Er studierte in Rom Rhetorik, Philosophie und Naturwissenschaften und begann eine brillante Laufbahn als Redner. Unter Kaiser Caligula fiel der Philosoph einer Intrige am Hof zum Opfer und wurde im Jahr 41 für acht Jahre auf die Insel Korsika verbannt. Agrippina, die Frau des Kaisers Claudius, holte Seneca zurück nach Rom als Erzieher und Berater ihres damals 12- jährigen Sohnes Nero. Als sich Seneca von dieser Aufgabe nach 13 Jahren enttäuscht zurückzog, wurde er im Jahr 65 erneut Opfer angeblicher Beteiligung an der Verschwörung gegen den Kaiser Nero, seinen ehemaligen Zögling. Diesmal kam er nicht mit Verbannung davon, sondern wurde zum Tode verurteilt. Wie Sokrates zuvor entschied sich Seneca zum Selbstmord. Er ließ sich die Pulsadern aufschneiden, das Blut lief zu langsam, weshalb er mit den Beinen in ein warmes Bad stieg und dazu noch den Giftbecher nahm, um den Tod zu beschleunigen.

 

Genauso stellte ihn Rubens in seinem Gemälde von 1610 dar, das sich heute in der Alten Pinakothek in München befindet. Wir sehen Seneca im Moment des Sterbens gefasst, ruhig und sogar mit einem Anflug von Heiterkeit, wie er es selbst gelehrt hatte, angesichts des Todes heiter zu sein, als wenn der Tod etwas Vertrautes wäre. Er sah den Tod als Heimkehr, „es ist ja ein Göttliches in uns, das heim strebt“. Im Bild von Rubens ist der Körper des alten Philosophen nicht idealisiert, sondern sehr realistisch und scheint wie von innen heraus zu leuchten. Die Augen blicken nach oben, als wenn er bereits einer anderen Welt angehöre. Nur der Arzt hantiert noch an seinem Körper und schneidet mit dem Skalpell die Adern auf. Neben dem Sterbenden kauert ein Schüler und versucht traurig und verzweifelt, die letzten Worte des Meisters aufzuschreiben, aber der ist nicht mehr präsent.

Peter Paul Rubens
Peter Paul Rubens wurde 1577 in Siegen geboren, als sein Vater dort in Hausarrest saß. Seine kalvinistischen Eltern waren einige Jahre zuvor wegen Glaubenskämpfen von Antwerpen nach Köln emigriert und konvertierten dort zum Katholizismus. Nach dem frühen Tod des Vaters 1587 zog die Mutter mit den Kindern zurück nach Antwerpen. Von den acht Jahren seiner Italienreise hatte Rubens mit Unterbrechungen drei Jahre in Rom verbracht und im Künstlerviertel in der Via della Croce am Spanischen Platz gewohnt. Nach dem Tod der Mutter kehrte der Maler 1608 nach Antwerpen zurück. Erzherzog Albrecht, damaliger Statthalter der spanischen Niederlande, bot dem Künstler eine Stellung als Hofmaler an und Rubens akzeptierte. Er führte dort eine große eigene Werkstatt, mit Jan Breughel dem Älteren als Mitarbeiter und Van Dyck als Schüler. Da Rubens gleichzeitig diplomatische Aufgaben am Hof zu erfüllen hatte, führten ihn diese später nach Madrid, Paris und London, wo er jeweils auch Aufträge für Gemälde annahm.

 

Rubens wurde einer der größten Maler des Barock im Norden. Rom hatte ihn angeregt, hier fand er neue Bildthemen, hier malte er mythologische, historische und religiöse Gemälde für weltliche und kirchliche Auftraggeber. Größte Bereicherung für den damals noch jungen Künstler brachten ihm der körperliche Ausdruck, den er in den antiken Statuen und in den Werken von Michelangelo sah, und der Realismus in den Bildern von Caravaggio. Auf geniale Weise gelang es Rubens in seinen Gemälden, seine römischen Erfahrungen mit dem flämischen Stil zu verbinden.

 

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P.P Rubens Die Wölfin mit den Zwillingen 1614 Rom, Kapitol. Museen

 

Seine Hommage, die er der Stadt Rom hinterlassen hat, ist das Gemälde „Die Wölfin mit den Zwillingen“ im Kapitolinischen Museum. Die michelangeleske Körperkraft im Flussgott Tiber ist nicht zu übersehen, sonst aber wird im Bild alles flämisch- akribisch, jedes einzelne Haar im Pelz der Wölfin und im Gefieder des Vogels ist mit dünnen Pinseln gemalt. Körperlich und fleischig sind die ‚speckigen‘ Kinder Romulus und Remus, ihnen gibt er eine Leuchtkraft in hellen Farben wie eine Aura, die den künftigen Romgründern ihre höhere Bestimmung zuweist. Rubens hat dieses Bild erst nach Rückkehr in Antwerpen anhand seiner römischen Zeichnungen gemalt. Weitere Gemälde von ihm sind in der Galleria Borghese und in der Chiesa Nuova zu sehen.

 

Weiter geht der Rundgang mit 'Der römische Krautgarten eines bayerischen Königs'

 

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Literatur

 

 

Gregor Maurach. Seneca 1991

 

 

DVD Das goldene Zeitalter der Niederlande

 

 

Orte der Sehnsucht. Mit Künstlern auf Reisen, Kat. LWL 2008

 

 

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